So hast du die Milchstrasse noch nie gesehen
Das Bild ist das Ergebnis von anderthalb Jahren intensiver Arbeit eines Forschungsteams um Silvia Mantovanini und Natasha Hurley-Walker von der Curtin University in Australien. Sie haben nicht weniger als 40'000 Stunden Daten verarbeitet, um zu diesem Endergebnis zu gelangen. Die Daten stammen aus zwei gross angelegten Untersuchungen, die mit dem Murchison Widefield Array-Teleskop in West-Australien durchgeführt wurden.
Dieses Radioteleskop fängt kein normales Licht ein, sondern Radiowellen von 1,3 bis 4 Metern Wellenlänge – also millionenfach länger als sichtbares Licht und damit weit ausserhalb des für Menschen sichtbaren Spektrums. Verschiedene Objekte im Weltraum strahlen unterschiedliche Arten von Radiowellen aus. Das lässt sich damit vergleichen, wie unterschiedlich verschiedene Farben des sichtbaren Lichts aussehen.
Die hunderten Antennen des Teleskops sind über ein sehr grosses Gebiet verteilt. Durch die Kombination der Signale dieser Antennen können Astronomen einen weiten Bereich des Himmels gleichzeitig abbilden. Das neue Bild wurde speziell mit niederfrequenten Radiowellen erstellt. Dadurch werden Strukturen sichtbar, die bei anderen Wellenlängen nur schwer zu erkennen sind.
Das Bild kombiniert Daten aus zwei Studien: GLEAM aus den Jahren 2013–2014 (28 Nächte Beobachtungen) und GLEAM-X aus den Jahren 2018–2020 (113 Nächte). Durch die Zusammenführung dieser Daten entstand ein Bild, das doppelt so scharf ist und einen doppelt so grossen Bereich abdeckt wie die vorherige Version aus dem Jahr 2019.
In seiner dritten Datenausgabe zeigt GLEAM-X nun einen Bereich von über 3800 Quadratgrad entlang der galaktischen Ebene. Das entspricht etwa zehn Prozent des gesamten Himmels – oder fast 18'000 Vollmonden, dicht an dicht gelegt. Die Daten wurden mithilfe von Supercomputern zu einem einzigen Himmelsmosaik verrechnet. Die daraus resultierenden Radiokarten weisen eine Positionsgenauigkeit von rund einer Bogensekunde auf – das entspricht etwa der Grösse eines Stecknadelkopfs aus zwei Kilometern Entfernung.
«Dieses lebendige Bild liefert eine beispiellose Perspektive auf unsere Galaxie bei niedrigen Radiofrequenzen», sagt Mantovanini in einer Pressemitteilung. «Es bietet wertvolle Einblicke in die Entwicklung von Sternen, einschliesslich ihrer Entstehung in verschiedenen Regionen der Galaxie, ihrer Wechselwirkung mit anderen Himmelskörpern und schliesslich ihrem Untergang.»
Mit diesem Bild wollte Mantovanini speziell die Überreste von Supernovae kartografieren. Diese Gaswolken sind auf dem Bild gut zu erkennen. «Man kann deutlich die Überreste explodierter Sterne erkennen, die durch grosse rote Kreise dargestellt sind. Die kleineren blauen Bereiche weisen auf Sternentstehungsgebiete hin, in denen aktiv neue Sterne gebildet werden», erklärt sie.
Das Bild kann Wissenschaftlern auch dabei helfen, mehr über Pulsare zu erfahren. Das sind rasend schnell rotierende Überreste von Sternen, die regelmässige Radiowellenimpulse aussenden.
Es gibt noch viel zu entdecken. Das Bild zeigt nur die südliche Hemisphäre der Milchstrasse, sodass der nördliche Teil nicht zu sehen ist. Ausserdem können Niederfrequenz-Radioteleskope nur bestimmte Arten von Objekten und Prozessen beobachten, sodass das Bild nur einen Teil der Geschichte erzählt.
Laut den Forschern wird nur das weltweit grösste Radioteleskop, das SKA-Low-Teleskop, dieses Bild übertreffen können. Dieses Teleskop befindet sich derzeit im Bau und soll voraussichtlich um das Jahr 2030 fertiggestellt werden. Bis dahin bietet dieses neue Bild Astronomen auf der ganzen Welt eine Fülle neuer Daten, um die Struktur und Entwicklung unserer Galaxie zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Publications of the Astronomical Society of Australia veröffentlicht. (dhr)
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