Die Rolle der Alten Eidgenossenschaft in den Burgunderkriegen (1474–1477) prägte die europäische Geschichte entscheidend. In der Schlacht bei Nancy 1477 sorgten die Schweizer mit dem Tod von Herzog Karl dem Kühnen für den Niedergang Burgunds als politische Grossmacht. Dennoch verschwand oder zerfiel der Staat Burgund nicht komplett. Nach wie vor faszinierte der burgundische Hof einen ganzen Kontinent von Edinburgh bis Istanbul. Burgund sollte noch über Jahrzehnte ein Synonym für kunstvollen Prunk, prachtvolles Auftreten und politische Intrigen bleiben.
Gemeinsam verhinderten Karls Witwe, die englische Prinzessin Margareta von York, und seine Tochter, Maria von Burgund, den vollständigen Zusammenbruch des burgundischen Erbes. Obwohl es dem französischen König Ludwig XI. nach Karls Ableben gelang, Teile der Picardie, das Artois sowie das Herzogtum Burgund in Besitz zu nehmen, blieben grosse Teile von Wallonien, Flandern, Holland, Luxemburg und die Freigrafschaft Burgund selbst (besser bekannt als «Franche-Comté») burgundisch.
Die schlaue Margareta von York ermutigte ihre Stieftochter Maria, den zukünftigen römisch-deutschen König Maximilian I. von Österreich zu heiraten, um französischen Ambitionen zuvorzukommen. Es war nicht nur die folgenreichste Ehe des Jahrhunderts, sondern eine sehr glückliche dazu. Es folgten zwei Kinder in kurzem Abstand: Philipp (1478–1506) und Margarete (1480–1530). Burgunds Glück schien gesichert. Tragischerweise stürzte Maria Anfang 1482 bei einem Jagdausflug in Flandern von ihrem Pferd und brach sich den Rücken. Sie starb einige Wochen später. Burgund stand wieder unter Schock.
Frankreich schien nun einen strategischen Vorteil gegenüber Burgund und Österreich zu haben. Maximilian I. blieben nur wenige politische Optionen. Er willigte im Dezember 1482 in den Frieden von Arras ein, der die Heirat seiner Tochter Margarete mit dem Dauphin Karl, dem späteren Karl VIII. und eine teure Mitgift zur Bedingung machte. Man sandte das junge Mädchen sogar nach Frankreich, um sie an der Seite ihres künftigen Ehemannes als Französin aufzuziehen und auszubilden. 1491 löste der launenhafte Karl VIII. seine Verlobung mit Margarete und heiratete eine andere reiche Erbin: Anna von der Bretagne.
Wütend über diese Kränkung Habsburgs gelobte Maximilian I., das Herzogtum Burgund als Teil von Margaretes rechtmässiges Erbe zurückzugewinnen. Er wartete also einen günstigen Zeitpunkt ab, um Frankreich anzugreifen und das Herzogtum zurückzuerobern.
Der Streit zwischen Frankreich und Österreich über das «burgundische Erbe» sowie der Kampf um Einfluss in Italien drohten ganz Europa in einen langwierigen Konflikt zu verwickeln. Angesichts der komplexen territorialen und politischen Ambitionen der Dynastien der Valois und der Habsburger favorisierten Spanien und England Österreich, während Schottland, Florenz und Ferrara Frankreich unterstützten.
Die Eidgenossenschaft, die zwischen den rivalisierenden Mächten lag, nahm die eskalierenden Spannungen natürlich zur Kenntnis. Obwohl Österreich der traditionelle Erbfeind war, hatte sich in den frühen 1500er-Jahren in der ganzen Eidgenossenschaft eine antifranzösische Stimmung breitgemacht, die auf die französische Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückzuführen war.
Die Schweizer befürchteten, dass die Konsolidierung der französischen Macht in den Niederlanden und Italien letztlich ihre langjährigen wirtschaftlichen und politischen Interessen in diesen Regionen beeinträchtigen würde. Es bestand gar die Gefahr eines französischen Einfalls in die Schweiz, so wie es die Burgunder eine Generation zuvor getan hatten. Da die Franzosen bei der Eidgenossenschaft zudem noch erhebliche Schulden aus den Italienischen Kriegen hatten, wurde der Ruf nach einer Beilegung alter Rechnungen und Schulden auf dem Schlachtfeld immer lauter.
Im Oktober 1511 proklamierte Papst Julius II. die «Heilige Liga» gegen den französischen König Ludwig XII. Bereitwillig schlossen sich die Schweizer der päpstlich-spanisch-österreichisch-englischen Allianz an, was die Italienischen Kriege zu einem grossen europäischen Konflikt ausweitete. Das eigentliche Ziel des Bündnisses war, Frankreich vollständig aus Italien zu vertreiben, doch sollten auch alte dynastische und politische Streitigkeiten beigelegt werden.
Kardinal Matthäus Schiner von Sion rief die europäischen Staatsführer zum sofortigen Angriff auf Frankreich auf und versprach ihnen die Unterstützung der Eidgenossenschaft. Ferdinand II. von Aragonien und der englische König Heinrich VIII. verloren keine Zeit und unterzeichneten im November 1511 den Vertrag von Westminster gegen Frankreich. Auch Maximilian I. sicherte sofort seine Unterstützung zu, denn er war verwandtschaftlich mit der spanischen Trastámara-Dynastie verbunden: Maximilian I. und Ferdinand II. hatten gemeinsame Enkelkinder, darunter der zukünftige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches: Karl V.
Ferdinand II. griff Frankreich als erster an. Er eroberte Andorra und Navarra 1512. Währenddessen überlegte Heinrich VIII., wie seine Truppen bestmöglich über den Ärmelkanal gelangen könnten.
Durch den Sieg der Schweizer über die Franzosen in der Schlacht bei Novara im Juni 1513 und den darauf folgenden überstürzten Rückzug der Franzosen aus Italien gewann eine koordinierte Offensive von Österreich, England und der Schweiz neuen Schwung und Dringlichkeit. Schiner vermittelte einmal mehr entscheidende diplomatische Gespräche. Eidgenössische und österreichische Unterhändler kamen überein, dass eidgenössische und schwäbische Truppen gemeinsam nach Frankreich ziehen sollten, während Maximilian I. und Heinrich VIII. persönlich das Kommando über ihre Armeen in der Picardie übernehmen würden.
Zwei Kriegsfronten würden Frankreich hart treffen. Ursprünglich war geplant, dass die Schweizer in Frankreich einmarschieren, Paris angreifen und belagern sollten. Dort würden sie sich mit den englischen und österreichischen Truppen zusammenschliessen. Durch den Sieg der Engländer über eine grosse französische Armee in der Schlacht bei Guinegate ausserhalb von Thérouanne Mitte August 1513 änderten sich die Pläne jedoch. Mit der Unterstützung der österreichischen Streitkräfte nahmen die Engländer Thérouanne ein, machten es dem Erdboden gleich und belagerten danach die Nachbarstadt Tournai.
Diese Neuigkeiten lösten in England, Österreich und der Eidgenossenschaft grossen Jubel aus. Es schien, als stünde Frankreich kurz vor dem Zusammenbruch. Maximilian I. hoffte noch immer, das Herzogtum Burgund für seine Tochter Margarete zurückzugewinnen, und schlug statt Paris Dijon – die Hauptstadt des Herzogtums Burgund – als neues Angriffsziel für die Eidgenossen vor.
Die Schweizer kamen überein, dass der Zeitpunkt und die Taktik für ein solches Vorhaben günstig war. Nur ein Jahr zuvor hatten Berner, Solothurner und Freiburger Politiker versucht, die anderen Kantone von einem Feldzug in das Herzogtum Burgund zu überzeugen. Am 1. August 1513 berief die Tagsatzung 16’000 Männer ein. Die Soldaten wurden am 17. August in Zürich öffentlich begutachtet. Bis zum Monatsende schlossen sich den Truppen weitere rund 30’000 Freiwillige unter der Führung des Zürcher Hauptmanns Heinrich Winkler und des Berner Hauptmanns Jakob Wattwil an.
Am 27. August zogen sich die Truppen in Besançon, der späteren Hauptstadt von Franche-Comté, mit 1000 schwäbischen Kämpfern und 26 Geschützen unter dem Kommando von Herzog Ulrich von Württemberg zusammen. Auch ein Kontingent aus Hainault unter dem Kommando von Guillaume de Vergy, Marschall von Burgund, stiess hinzu.
Der Beutehunger hatte die Schweizer und ihre Verbündeten fest im Griff: Sie drangen in burgundisches Gebiet ein und plünderten und zerstörten die Ortschaften Saint-Seine, Fontaine-Française, Lux, Til-Châtel, Marey-sur-Tille, Bèze, Chenôve, Marsannay-la-Côte und Couchey. In der Abtei von Bèze exhumierten Schweizer Söldner die Gräber von Priestern und Mönchen, um sich antiker Schätze zu bemächtigen, was die örtliche Bevölkerung entsetzte.
Louis de la Trémoille, einer der verantwortlichen französischen Generäle in der Schlacht bei Novara, vermutete richtig, dass das Herzogtum aller Wahrscheinlichkeit nach das Angriffsziel der Schweizer sein würde. Bereits im Juli 1513 verfügte er die sofortige Aufstockung der Lebensmittelvorräte sowie der militärischen Reserven in Dijon.
Trémoille befahl zudem, die Aussenbezirke der Stadt niederzubrennen, damit sie den Eidgenossen und ihren Verbündeten bei einer Belagerung nicht als Rückzugsort oder Unterschlupf dienen konnten. Auf zusätzliche materielle Unterstützung durch Ludwig XII., der in Tournai gegen die englische und die österreichischen Armeen kämpfte, konnte Trémoille nicht hoffen.
Am 4. September kamen Kundschafter der eidgenössischen Armee in Sichtweite der mittelalterlichen Stadtmauern von Dijon. Vier Tage später überquerten die Schweizer und ihre Verbündeten die Saône, umstellen Dijon und feuerten die ersten Kanonen auf die Stadt ab. Dijon war zahlenmässig sowohl an Geschützen als auch an Soldaten unterlegen. Das schwäbische Bombardement zerstörte die Stadtmauern an mehreren Stellen und Zürcher Artilleristen feuerten mit ihren kleineren Kanonen ins Innere der Stadt und richteten damit weiteres Unheil an.
Trémoilles Taktik, riesige Gräben in der Nähe der zerstörten Mauerstellen zu graben, hielten die Schweizer und die Schwaben nur kurz in Schach. Auch die französischen Bogenschützen konnten angesichts der überlegenen Artillerie nur wenig ausrichten. Die Schweizer Nachhut, bestehend aus Männern aus Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus, massakrierte am 9. September die Kavallerie der Dijonnais und nahm sie gefangen.
Dijon taumelte am Rand der Niederlage – die Situation schien hoffnungslos. Trémoille schickte am 10. September Abgesandte, um mit den Eidgenossen zu verhandeln. Diese Vorgespräche führten nicht zur Beendigung der Belagerung, die noch drei weitere Tage andauerte.
Am 11. September organisierten Dijons Anführer eine grosse religiöse Prozession vor der Kirche Notre-Dame de Dijon, wobei sie eine Schwarze Madonna, «Unsere Liebe Frau der guten Hoffnung», zur Schau trugen. Die Dijonerinnen und Dijoner beteten um Gnade und für das Leben ihrer Kinder. Sie wussten, dass die Schweizer ohne göttliche Fürsprache ihre Weingärten und Ateliers niederbrennen, ihre Besitztümer plündern und die Stadt dem Erdboden gleichmachen würden. Alle kannten die Geschichten über die brutalen Schweizer, die überall in Europa erzählt wurden, zur Genüge und sie erzählten einander von Schweizer Soldaten, die nach der Schlacht bei Grandson unbezahlbare Juwelen weggeworfen hätten, weil sie sie für buntes Glas hielten.
Die Feindseligkeiten mussten sofort beendet werden, ansonsten würde Dijon fallen. Daraufhin würden die Schweizer nach Paris weiterziehen und eine Schneise der Verwüstung und des Chaos quer durch Ostfrankreich ziehen. Als pragmatischer Diplomat und politischer Stratege verstand Trémoille, dass er auch ohne explizite Erlaubnis seines Königs das Gespräch mit den Schweizern suchen musste. Obwohl dies einem Verrat gleichkam, glaubte Trémoille, die Schweizer im Austausch gegen Versprechen, die Ludwig XII. niemals einhalten würde, zur Aufhebung der Belagerung bewegen zu können. Die Schweizer freizukaufen, wäre sicherlich ein Schlag für den französischen Stolz, aber um Dijon aus dem politischen Umfeld der Eidgenossenschaft und Österreichs herauszuhalten, war Trémoille bereit, diesen Preis zu zahlen.
Am 13. September stimmten die Franzosen einem demütigenden, von den Schweizern vordiktierten Vertrag mit acht Artikeln zu. Die wichtigsten Artikel beinhalteten eine immense Entschädigung von 40’000 Écus für die Eidgenossen – eine ziemlich hohe Summe im Vergleich zu den 10’000 Écus, die die kaiserlichen Streitkräfte erhielten – und die offizielle Anerkennung von Maximilian Sforza als Herzog von Mailand. Frankreich musste auf sämtliche weitere Ansprüche in Italien verzichten und durfte ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Eidgenossenschaft keine Schweizer Söldner mehr verpflichten. Fünf adlige Geiseln wurden den Schweizern übergeben, die später freigekauft werden konnten.
Die Schweizer waren zufrieden mit ihrem Feldzug: Sie hoben die Belagerung rasch auf und kehrten am darauffolgenden Tag nach Hause zurück, obwohl ihre Verbündeten sie drängten, weiter zu verhandeln. Die Reaktionen auf den Erfolg bei Dijon waren in der ganzen Eidgenossenschaft gemischt. Die plötzliche Rückkehr der Schweizer Soldaten nach Bern und Zürich Ende September 1513 rief bei ihren Mitbürgern den Vorwurf hervor, sie seien von ihrem französischen Erzfeind gekauft und getäuscht worden.
Als die Nachricht vom Vertrag von Dijon Ludwig XII. erreichte, war er ausser sich vor Wut und weigerte sich, den Vertrag zu ratifizieren, so wie es Trémoille antizipiert hatte. Auch Heinrich VIII. und Maximilian I. wurden in der Picardie von den weiteren Ereignissen überrascht. Heinrich VIII. gelang es, Tournai Ende September 1513 einzunehmen und die Feldzugsaison erfolgreich zu beenden, doch Maximilian I. ignorierte den Vertrag völlig, genauso wie sein einstiger Feind Ludwig XII.
Die Bedeutung der Belagerung von Dijon und ihr Zusammenhang mit dem Höhepunkt der Schweizer Militärmacht in Europa wird unter Historikerinnen und Historikern noch immer diskutiert. Der Schweizer Historiker Ernst Gagliardi beschrieb das Jahr 1513 als «Höhepunkt und Verfall der Schweizerischen Grossmacht». Zwar stufte Gagliardi Novara und Dijon als militärische Siege, jedoch auch als relativ kurzlebige Erfolge ein.
Tatsächlich konnte sich die Eidgenossenschaft wegen ihrer komplizierten Entscheidungsfindungsprozesse und gegensätzlichen Interessen sowie der fehlenden Zahl an Soldaten auf den Kriegsschauplätzen nicht über längere Zeit mit Grössen wie Frankreich oder Österreich messen. Genau zwei Jahre nach dem Erfolg in Dijon starben tausende Schweizer Männer auf dem Schlachtfeld von Marignano.
Die Zeit war im Wandel und damit auch die Kriegskunst. Bereits in den 1490er-Jahren hatte Österreich bedeutende Fortschritte in der Artillerietechnik gemacht. Artillerie wurde präziser und über grössere Distanzen einsetzbar, was den Krieg weitaus tödlicher machte als zuvor. Obwohl es die meisten Eidgenossen damals noch nicht wussten, waren diese technologischen Fortschritte der Anfang vom Ende der Schweizer Pikeniere auf den Schlachtfeldern Europas.
Eine weitere faszinierende historische Kuriosität ist, dass zur gleichen Zeit, als die Schweizer und ihre Verbündeten Dijon belagerten, eine 30’000 Mann starke Armee unter der Führung von König Jakob IV. von Schottland in England einmarschierte. Jakob IV. hatte England im August 1513 den Krieg erklärt, um die traditionelle «Auld Alliance» zwischen Schottland und Frankreich zu ehren. In der Schlacht von Flodden starben am 9. September 1513 über 10’000 Schotten, darunter auch Jakob IV. selbst, im Kampf gegen die Engländer. Die Schotten waren in einer tödlichen Vorahnung von Marignano nach Schweizer Art mit Spiessen in den Kampf gezogen.
Für Frankreich war die Belagerung von Dijon nur eine weitere Niederlage in diesem Jahr, das später «année terrible» genannt wurde. Der anhaltende Konflikt mit den Habsburgern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts brachte für Frankreich ein ständiges Auf und Ab mit sich. Die Belagerung von Dijon trug kaum zur Entspannung zwischen dem Königshaus Valois und Habsburg bei und der Streit um das «Burgundische Erbe» würde noch über Jahrhunderte weiterlodern. Obwohl die Habsburger das Herzogtum Burgund nie wieder zurückeroberten, diente die Eingliederung des «burgundischen Erbes» in das Heilige Römische Reich dazu, das bereits dynamische Österreich zu bereichern und zu beleben.
Den Bewohnerinnen und Bewohnern von Dijon blieb die schicksalshafte Belagerung immer im Gedächtnis. Der Glaube an die göttliche Fürsprache der Jungfrau Maria verankerte sich in der Kultur der Stadt. Jedes Jahr am 4. September feiern die Dijonerinnen und Dijoner die Rettung ihrer Stadt mit dem «Festival de Notre-Dame des Suisse».
Ein Objekt, das von Künstlern direkt nach den Ereignissen im Jahr 1513 geschaffen wurde, ist eine besondere Kostbarkeit: Ein prunkvoller Wandteppich, der die Ereignisse aus der Sicht Dijons darstellt. Dieser Wandteppich, der vermutlich um 1514–1520 gewebt und kurze Zeit später der Kirche Notre-Dame de Dijon gestiftet wurde, hält einen faszinierenden Moment der Schweizer und europäischen Geschichte fest.