Nach dem Überraschungsangriff der Eidgenossen auf die burgundischen Truppen bei Grandson im März 1476 brachte sich Karl mit den Resten seiner Armee in der Stadt Lausanne in Sicherheit. Trotz grosser Verluste wollte sich Karl die Niederlage nicht eingestehen.
Er glaubte, mit einer koordinierten militärischen Offensive durch die heutigen Kantone Waadt und Freiburg und einem anschliessenden Angriff auf Bern rasch die strategische Oberhand zurückgewinnen zu können. Bern war in seinen Augen das Zentrum der eidgenössischen Macht und der Feindseligkeit – es musste ein für alle Mal zerstört werden.
Karl spielte auf Zeit, indem er ein neues Heer von über 20'000 Mann aus ganz Westeuropa aufstellte. Trotz der Katastrophe von Grandson verfügte Karl über die modernsten Truppen im Europa der 1470er-Jahre. Sein Söldnerheer umfasste nicht nur gut ausgebildete Kavalleristen, sondern auch Infanteriebataillone und Artillerieingenieure. Sogar eine Einheit von erfahrenen englischen und walisischen Bogenschützen war Teil seines Heers. Zudem unterstützten erfahrene Militärs wie Jacques von Savoyen, Graf von Romont, und Karls unehelicher Bruder Antoine von Burgund die burgundischen Bemühungen gegen die Eidgenossenschaft.
Um seine materiellen Verluste von Grandson zu kompensieren, ordnete Karl an, jegliche Artillerie aus den Städten Dijon und Nancy sowie dem Herzogtum Luxemburg nach Lausanne zu schicken. Mailand, Venedig, Aragón, Savoyen und das Papsttum stellten ihrem burgundischen Verbündeten Kapital, Waffen und Kämpfer zur Verfügung. Nachdem er sein Heer in vier aktive und ein Reservekorps aufgeteilt hatte, wurde Karls Glaube an einen endgültigen Sieg über die Eidgenossen unverrückbar.
Am 27. Mai 1476 startete Karl einen neuen Feldzug. Die Eidgenossen hatten Karls Zugang zu Bern über Grandson und Neuenburg erfolgreich blockiert. Karl musste also südlich des Neuenburgersees, über Murten oder Freiburg vorrücken. Er entschied sich für die Route näher am Neuenburgersee. Dieser Plan würde seine Truppen direkt nach Murten führen. Wenn er die strategisch wichtige Seestadt einnehmen könnte, würde das seine Position gegenüber Bern sichern und einen Gegenangriff von hinten verhindern.
Nach dem Sieg über die Burgunder bei Grandson waren die Eidgenossen gegenüber dem immer noch sehr starken Gegner vorsichtig. Sie waren zu Recht davon ausgegangen, dass die Burgunder erneut in ihr Gebiet einfallen würden. Sie ahnten gar, dass Karl entweder Freiburg oder Murten belagern würde, bevor er versuchte, nach Bern vorzudringen. Um der drohenden burgundischen Aggression zu begegnen, besetzten die Berner beide Städte mit Garnisonen.
In Murten ernannten die Berner im April 1476 den politisch versierten Adrian von Bubenberg zum Oberbefehlshaber. Er brachte zusätzliche 1500 Mann in die Stadt. Von Bubenberg war von Haus aus militärisch geprägt und durch seine diplomatischen Dienste und Reisen nach Burgund selber Zeuge der Brutalität der burgundischen Armee geworden. Er ordnete daher unverzüglich die Verstärkung der Burg, der hohen Stadtmauern und der Wälle von Murten an.
Es zeigte sich aber, dass die Garnison mehr Steine benötigte, um die Stadt zu schützen. Nach einer Abstimmung willigte von Bubenberg ein, die französischen Kirche von Murten abzubrechen, um deren Steine für die militärische Verteidigung zu nutzen.
Von Bubenberg ist es zu verdanken, dass Murten vor Beginn der Belagerung über grosse Vorräte an Schiesspulver sowie zahlreiche Kanonen und andere Waffen verfügte. Er sorgte sogar dafür, dass Murten seine Versorgungsketten auch während des Angriffs offen halten konnte.
So konnte sich die Stadt verteidigen und den Burgundern schwere Verluste zufügen, bevor die eidgenössischen Truppen zur Hilfe kommen würden. Von Bubenbergs Garnison errichtete daraufhin Bastionen und Schanzen vor den beiden Toren der Stadt.
Die 72 Kilometer zwischen Lausanne und Murten entlang der Broye legten Karl und seine rund 21'000 Mann starke Armee in 14 Tagen zurück. Sie töteten Hunderte von Dorfbewohnern, plünderten Kirchen und Klöster und steckten alles in Brand, was sich ihnen in den Weg stellte. Wie es ihrem Ruf entsprach, waren die Truppen Karls brutal und ohne Disziplin.
Einige Forschende sind der Ansicht, dass die extreme Langsamkeit der burgundischen Truppen nicht auf exzessive Plünderungen zurückzuführen war, sondern vielmehr auf unzählige internen Schlägereien zwischen Männern verschiedener Nationalitäten. Bei einem tödlichen Aufstand starben an einem einzigen Tag etwa 125 Männer aus Italien und Deutschland.
Am 9. Juni erreichten die Burgunder endlich Murten und begannen mit der Belagerung. Im ersten Feuergefecht tötete von Bubenbergs Garnison fast 50 Soldaten. Von Bubenberg und seine Soldaten wussten, dass ihr Leben davon abhing und kämpften mit rücksichtsloser Präzision.
Ihr ununterbrochenes Kanonenfeuer hinderte die Burgunder daran, die Mauern von Murten zu überwinden. Die Berner waren mit ihren kleinen Kanonen und Feuerwaffen so erfolgreich, dass Karl den Bau eigener Schanzen anordnete, damit seine Männer versuchen konnten, die Mauern der Stadt unter minimalem Schutz zu erklimmen.
Die hohe Moral der Berner begann zu schwinden, als am 17. Juni die massiven Kanonen der Burgunder vor Murten eintrafen. Sie richteten schweren Schaden an, zerstörten einen Turm und brachten eine Mauer zum Einsturz. Am nächsten Tag ordnete Karl einen massiven Angriff auf Murten an, um von den Fortschritten seiner Artillerie zu profitieren. Mit Äxten, Bögen und Leitern versuchten die Burgunder, in der Stadt strategisch Fuss zu fassen, doch scheiterten sie erneut an der Schweizer Treffsicherheit.
Die Lage in Murten war ernst – wenn nicht bald Verstärkung der Eidgenossen eintraf, konnte Murten dem Ansturm nur noch wenige Tage standhalten. Von Bubenberg sandte am 19. Juni eine dringende Nachricht nach Bern, in der er um sofortige Hilfe bat.
Dass das Glück auf seiner Seite stand, ahnte er noch nicht, denn am Vortag hatte sich eine grosse Zahl von Soldaten aus Schwyz, Unterwalden, Luzern und Uri vor Bern versammelt. Hans Waldmann, der die eidgenössische Garnison in Freiburg beaufsichtigt hatte, brachte ein kleines Kontingent von Männern aus Freiburg und Zürich mit.
Innerhalb weniger Stunden trafen auch Soldaten aus Glarus, Biel, Solothurn, Basel, St. Gallen und Zug ein. Auch Herzog René II. von Lothringen und Graf Jean de Montsalvens von Greyerz sagten den Eidgenossen ihre Unterstützung bei der Vertreibung der Burgunder zu. Kavallerie-Bataillone und andere bewaffnete Einheiten kamen somit vom Elsass und aus Lothringen, aber auch aus den vier Waldstädten am Hochrhein und der Grafschaft Hauenstein.
Besonders hervorzuheben sind die Zürcher Truppen unter der Führung von Heinrich Göldli, die fast 140 Kilometer zurücklegten, um am 21. Juni bei schlechtem Wetter vor Gümmenen (BE) auf das Hauptkontingent der eidgenössischen Truppen zu treffen. Die Gesamtzahl der eidgenössischen Männer und ihrer Verbündeten belief sich auf rund 24'000.
Das grösste Kontingent stammte aus Bern und umfasste rund 8000 Mann, während die königliche Kavallerie aus dem Elsass und Lothringen rund 1900 Mann umfasste. Die Eidgenossen waren also zahlenmässig stärker, doch die Burgunder hatten mit ihrer überlegenen Artillerie und Kavallerie einen deutlichen Vorteil.
Am Morgen des 22. Juni 1476 versammelten sich die Eidgenossen und ihre Verbündeten zum Kampf und teilten sich in drei verschiedene Formationen auf:
Da der 22. Juni ein religiöser Feiertag war – das Fest der zehntausend Märtyrer –, hatten Karl und seine Generäle nicht erwartet, dass die Schweizer kämpfen würden.
Ausserdem hatte Karl es versäumt, auf die von den seinen Spähern beobachteten Bewegungen der eidgenössischen Truppen zu reagieren, so dass die meisten burgundischen Stellungen um Murten nur unzureichend bewacht waren.
Die Schnelligkeit des Angriffs der eidgenössischen Vorhut aus dem Birchenwald überraschte die burgundischen Soldaten und sie waren nicht in der Lage, rechtzeitig ihre Rüstungen anzulegen oder ihre Waffen zu sammeln, um den Angriff abzuwehren. Die burgundische Feuerkraft war zwar treffsicher und tödlich, aber wegen des ständigen Nachladens unhandlich.
Karl selbst verlor beim Angriff der Eidgenossen wertvolle Zeit, weil er es vorzog, seine besondere Rüstung anzulegen, anstatt seine Truppen in Stellung zu bringen. Die Vorhut und der Gewalthaufen der Eidgenossen stürmten mühelos die burgundische Verteidigungsbarriere – den sogenannten «Grünhag» – wo sie ihre Kanonen aufbewahrten. Von dort aus schlugen die Eidgenossen mit Leichtigkeit und grosser Grausamkeit auf die starke burgundische Kavallerie ein.
Als ein koordinierter Gegenangriff der Reste der burgundischen Kavallerie scheiterte, strömten die Männer aus den zerstörten Stadtmauern von Murten und schlossen sich ihren Waffenbrüdern an. Karl floh so schnell er konnte zu Pferd aus seinem Lager auf der oberhalb der Stadt gelegenen Bodemünzi.
Die von Jacques von Savoyen befehligte savoyardische Division hatte inmitten des Gemetzels Glück: Sie befand sich auf der Nordseite der Belagerung und entkam relativ unversehrt, indem sie sich um den Murtensee herum nach Romont (FR) zurückzog.
Wenige Monate vor der Schlacht bei Murten hatte die Tagsatzung im März 1476 die Regeln des Krieges, die zuvor im Sempacherbrief von 1393 festgelegt worden waren, angepasst. Ein Grossteil der Änderungen betraf den Umgang mit feindlichen Kämpfern im Krieg: Während der Schlacht durften keine Gefangene gemacht werden und die Vernichtung möglichst vieler feindlicher Soldaten wurde als wünschenswert erachtet. Mit dieser gesetzlich verankerten Rechtfertigung von Gewalt verfolgten die Eidgenossen die Burgunder in der Schlacht von Murten ohne jede Gnade.
Die Eidgenossen töteten Hunderte von burgundischen Soldaten, die sich ohne Waffen und Rüstung auf dem Schlachtfeld niedergelassen hatten, in der Hoffnung, gefangen genommen zu werden. Hunderte andere – meist Söldner aus der Lombardei – ertranken wegen ihrer schweren Rüstung, als sie einen überstürzten Rückzug über den Murtensee versuchten.
Die eidgenössischen Schiffer töteten auch diejenigen, die ihre Rüstung abgelegt hatten, bevor sie ins Wasser stiegen. Jahrhundertelang wurden deren Knochen am Seeufer angespült.
Die Eidgenossen massakrierten die Burgunder, wo immer sie sich versteckt hielten: in Öfen, in verlassenen Scheunen und sogar in Kastanienbäumen. In der Schlacht bei Murten starben schätzungsweise 10'000 burgundische Soldaten, die Verluste der Eidgenossen beliefen sich auf weniger als 600 Mann. Die Eidgenossen hatten sich für die Hingerichteten von Grandson gerächt.
Sie machten auch beeindruckende Beute an Waffen, einigen Rüstungen und drei königlichen Umhängen Karl des Kühnen. Karl hingegen sollte nie wieder ein so grosses Heer befehligen, wie er es in Murten hatte. Abgeschnitten von seinen Versorgungsketten und Verbündeten und nicht mehr in der Lage, die Waadt zu kontrollieren, waren Karls Tage gezählt. Von Feinden umgeben starb er in einer letzten Schlacht – der Schlacht von Nancy im Januar 1477. Noch einmal sollten die Eidgenossen eine entscheidende Rolle bei seiner Niederlage spielen.
Die Schlacht von Murten ist in der Schweizer Vorstellungskraft und im Geschichtsbewusstsein stark verankert. Tatsächlich sind die von burgundischen Kanonenkugeln verursachten Schäden in der Stadtmauer von Murten noch heute zu sehen.
Unzählige Legenden erzählen vom militärischen Geschick der von Bubenbergs, von der Tapferkeit der Murtener Bevölkerung und vom Furor der Eidgenossen in der Schlacht. Der eidgenössische Sieg bei Murten wurde so zu einem Eckpfeiler des Nationalstolzes in der traditionellen Schweizer Geschichtsschreibung: In deren Sinne hatten die Schweizer die Armee eines einschüchternden Feindes besiegt und ihre Freiheiten dank ihrer Disziplin, ihrer Standhaftigkeit und ihres Patriotismus bewahrt.
Vor allem aber steht die Schlacht bei Murten für einen grundlegenden Wandel in der europäischen Militärgeschichte: die wachsende Bedeutung einer schlagkräftigen Infanterie anstelle einer gepanzerten Kavallerie auf dem Schlachtfeld. Damit waren die Weichen für den Niedergang Burgunds als europäische Macht und den kurzzeitigen Aufstieg der Alten Eidgenossenschaft als Akteur in westeuropäischen Angelegenheiten gestellt.
1515 endete mit der Niederlage in Marignano die Expansion der Eidgenossenschaft. Grund für die Niederlage war hauptsächlich, dass die gegnerische Artillerie überlegen bzw. die eidgenössische unterlegen war.
Jahrzehnte zuvor besiegten die Eidgenossen Burgund. Teil der Kriegsbeute waren sehr fortschrittliche Kanonen. Hunderte. Das führte dazu, dass die Kantone sehr lange keine neuen Geschütze bei einheimischen Herstellern bezogen. Wissen und technische Entwicklung gingen damit verloren.