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Coronavirus: Kinder sind vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene

Verwirrung um Ansteckungsgefahr von Kindern: Drei Studien, drei Meinungen

30.04.2020, 12:0801.05.2020, 09:56
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Die Verwirrung um die Kinder in der Corona-Pandemie bleibt gross: Während der BAG-Delegierte Daniel Koch in der Schweiz verkündet, dass Kinder kaum infiziert seien und die Krankheit auch nicht übertragen würden, kommt eine deutsche Analyse zu einem anderem Schluss: Kinder sind vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene. Die Zahl der Viren, die sich in den Atemwegen nachweisen lässt, unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht.

ARCHIV - 23.01.2020, Berlin: Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, steht im Institut für Virologie an der Charité Berlin Mitte, in dem Untersuchungen zum Co ...
Virologe Christian Drosten schätzt die Lage anders ein als Daniel Koch.Bild: DPA

Das berichten Forscher um den Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité in einer vorab veröffentlichten und noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Studie. Die Forscher warnen aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten in Deutschland.

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Die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie zeigten in vielen Ländern Wirkung, schreiben die Forscher. Mit Lockerung der Kontaktbeschränkungen gebe es vermehrt auch Diskussionen darüber, inwieweit die Schliessung von Schulen und Kindergärten zu diesem Erfolg beigetragen hat – und wie sich eine Wiedereröffnung auf die Ausbreitung des Virus auswirken könnte.

Daniel Koch, Delegierter des BAG fuer COVID-19, spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Situation des Coronavirus, am Montag, 27. April 2020 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Daniel Koch: «Von den Kindern geht keine Gefahr aus, auch nicht für Risikopersonen oder Grosseltern».Bild: KEYSTONE

Bisher sei unklar, inwieweit Kinder das Virus an andere weitergeben. Die Untersuchung dieser Frage sei schwierig, gerade weil die Schulen früh geschlossen wurden und weil das Virus vor allem in der Anfangsphase der Epidemie vor allem von erwachsenen Reisenden weitergegeben wurde.

Das Team um Drosten hatte nun in Proben von 3712 Infizierten, die zwischen Januar und 26. April in einem Berliner Testzentrum untersucht wurden, die Menge an Sars-CoV-2-Viren bestimmt. Sie fanden keinen Unterschied in der Viruslast zwischen verschiedenen Altersgruppen. Bei der Beurteilung der Ansteckungsgefahr in Schulen und Kindergärten müssten die gleichen Annahmen zugrunde gelegt werden, die auch für Erwachsene gelten, schreiben die Forscher.

Koch sieht das anders

Daniel Koch sagt am Montag vor den Medien, dass von Kindern keine Gefahr ausgehe, auch nicht für Risikopersonen oder Grosseltern. Das gilt nach seinen Angaben für Kinder bis zum Alter von etwa zehn Jahren. Bei Jugendlichen sei Körperkontakt nicht mehr erwünscht.

Grosseltern könnten gefahrlos ihre Enkel umarmen. Hüten sollten sie die Kleinen aber immer noch nicht. Grund dafür ist laut Koch, dass es dabei zu einer Vermischung der Generationen und zu zunehmendem sozialem Kontakt kommen könnte. Dabei könnten zwar nicht die Kinder, wohl aber die Erwachsenen die Grosseltern anstecken. «Das wollen wir vermeiden.»

Koch ergänzte auch, dass es zum Umgang mit Kindern unterschiedliche Einschätzungen von Experten gäbe. Seiner Ansicht nach sei der Kontakt jedoch verantwortbar. Das sei kein Spiel mit dem Feuer, sagte er.

Chinesische Studie stützt Kochs Thesen

Unterstützung hat Koch am Donnerstag von Drosten selber erhalten. Er tweetete die Ergebnisse einer neuen chinesischen Studie, die besagen, dass Kinder im Alter von 0-14 Jahren weniger anfällig für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind als Erwachsene.

Das Risiko einer Infektion bei Kinder betrage demnach nur ein Drittel des Risikos von Erwachsenen. Die Studie erschien in der renommierten Fachzeitschrift «Science».

(dfr/sda/dpa)

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176 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Varanasi
30.04.2020 12:23registriert August 2017
Ob die Kinder genauso ansteckend sind, das sollte jetzt dringend geklärt werden.
Sicher ist ja, dass sie kaum erkranken bzw. keine Symptome zeigen.
Laut Drosten hat das den Vorteil, dass sie wenig oder gar nicht husten und damit nicht so viel Virus gestreut wird. Ebenso sind ihre Lungen kleiner.

Es braucht hierzu bitte mehr wissenschaftliche Untersuchungen, damit einigermassen Klarheit herrscht.
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Brobdingnagisch
30.04.2020 12:27registriert September 2019
Ich zitiere hier aus einem Rundmail der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie:

Alle bisherigen Studien und Beobachtungen unterstützen die Annahme, dass durch Kinder (...) die Epidemie nicht unterhalten wird. Aktuelle Studiendaten gibt es zB aus Holland und Australien. In Schweden sind die Fallzahlen bei unter 20-Jährigen gleich wie in anderen Ländern, obwohl die Schulen nie geschlossen wurden. (...) Längeres Zuwarten oder die selektive Öffnung von studienbegleiteten «Pilotschulen» ist nicht zielführend, weil die Erkrankungszahlen so gering sind.
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Hubhub
30.04.2020 12:33registriert April 2019
Hier der link zur Studie.
https://t.co/xunzyHEi47

Interessant, dass in der jüngsten Gruppe nur rund 2% positiv getestet wurden, was möglicherweise zu Koch's Aussage passt, dass den Kindern wohl meist die passenden Rezeptoren zur Einnistung des Virus fehlen. Oder aber wie Drosten meint, dass die Studie verzerrt sein könnte durch die Schliessung der Kindergärten und Schulen. Er schreibt selbst, zum aktuellen Zeitpunkt könne keine sichere Aussage über die Ansteckungsgefahr durch Kinder gemacht werden!
Die Studie besagt nur: Kind infiziert+Symptome -> hypothetisch ansteckend.
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