Im Sommer 1940 gelangten 12‘500 Soldaten der zweiten Polnischen Schützendivision zusammen mit 20‘000 französischen Soldaten als Internierte in die Schweiz. Sie waren im Kampf mit der Deutschen Wehrmacht nahe der Schweizer Grenze in eine aussichtslose Lage geraten. Beim Grenzübergang in die Schweiz wurden sie entwaffnet und interniert. Danach wurden die Soldaten auf die ganze Schweiz verteilt.
Um die einheimische Wirtschaft nicht mit günstigen Arbeitskräften zu konkurrenzieren, beschränkte die Schweizer Landesregierung die Arbeitseinsätze der Soldaten auf die Landwirtschaft, den Bau und den Unterhalt von Wegen und Strassen. Die französischen Soldaten durften bereits Anfang 1941 wieder heim, die polnischen Soldaten blieben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz.
Im Kanton Graubünden gab es an verschiedenen Orten grössere Lager, so unter anderem in Chur, in Rodels und in Cazis. Während der Arbeitseinsätze blieben die Soldaten meist in Lagern vor Ort, so auch im Safiental.
Dokumentiert sind in der ganzen Schweiz 54 Wege, die mit Hilfe von Internierten verbessert oder neu gebaut wurden: 15 davon befinden sich im Kanton Graubünden. Nicht weniger als 6 sind im Safiental, das damals eines der abgelegensten Täler der Schweiz war. Der Eingang zum Tal wurde durch einen prähistorischen Bergsturz von Flims verschüttet, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Tal deshalb nur über verschiedene Alpenpässe im hinteren Teil des Tales zugänglich.
Warum wurde in diesen Jahren gerade im Safiental so viel gebaut? Historiker sehen zwei Gründe: Die günstigen Arbeitskräfte boten die Möglichkeit, die Verkehrslage des seit jeher schlecht erschlossenen Tals zu verbessern, auch im Hinblick auf die militärische Lage: Die Grenze zu Italien war nicht weit. Ausserdem waren Kontakte mit der Bevölkerung nicht erwünscht, das war in diesem dünn besiedelten Tal ein weiteres Plus.
Nicht alle Wege wurden neu gebaut: Der seit Jahrhunderten viel begangene Weg Stäga von Safien zum Glaspass erhielt einen neuen Anstrich. Diese Arbeiten wurden 1940 von französischen Internierten durchgeführt. Sie waren vom 20. Juli bis 9. November 1940 in Safien Platz und Thalkirch interniert. Der bekannteste der sogenannten Polenwege im Safiental führt über den 2411 Meter hohen Tomülpass, der das hintere Safiental mit dem Valsertal verbindet.
Dieser Pass hatte immer nur regionale Bedeutung, da die beiden Walsertäler Safien und Vals jahrhundertelang wirtschaftlich vor allem nach Süden orientiert waren. Viehmärkte in Thusis, aber auch im Tessin waren für die Bauern hier wichtig. Einen eigentlichen Saumweg über den Tomülpass gab es nur auf der Valser Seite. In den Kriegsjahren 1942/43 bauten internierte polnische Soldaten den Weg von Turrahus über die Alp Falätscha zur Passhöhe. Vor dem Krieg fehlte den Gemeinden das Geld, nun bekamen sie den Weg quasi geschenkt.
Der Weg zwischen den Alpgebäuden der Alp Falätscha und der Alp Tomül wird seit 2018 restauriert, da nur im Sommer gearbeitet werden kann, dürfte die Fertigstellung noch ein bis zwei Jahre dauern. Der Weg sei ein wichtiges Beispiel für den Wegebau der Schweizer Armee, schreibt der Historiker Cornel Doswald.
Zwar versuchten die Behörden damals, die Kontakte mit der Safientaler Bevölkerung auf ein Minimum zu beschränken. Das gelang nicht gut. Die polnischen Soldaten waren beliebt und wurden von der Bevölkerung gastfreundlich aufgenommen; Liebesbeziehungen waren keine Seltenheit – in der ganzen Schweiz gab es nach dem Krieg rund 500 Nachkommen aus solchen Verbindungen. Völlig isoliert waren dagegen die Soldaten, die ab 1941 auf der Grossalp im hinteren Safiental eingesetzt wurden.
Sie kamen im Sommer 1941 nach einem langen Fussmarsch von Bonaduz hier an. Zu ihrer Überraschung wurden sie auf der Grossalp von einem Schneesturm empfangen. Sie protestierten gegen die Unterbringung in einem Stall ohne sanitäre Einrichtungen und wandten sich in einem Brief, der im Bundesarchiv aufbewahrt wird, an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK in Genf. Der zuständige Lagerkommandant bezeichnete den Brief später als «unverschämt, wehleidig und unmilitärisch». An der Situation der Polen änderte sich wenig: Nur Offiziere und Unteroffiziere erhielten bessere Unterkünfte.
Neben dem Weg bauten die Internierten auf der Grossalp auch die Zufahrtsstrasse zur Talstation einer Seilbahn, die für die Versorgung der Armee auf den Safierberg gebaut wurde. Die Bergstation ist heute noch sichtbar.
Eine Reihe von Gedenksteinen und Gedenktafeln im Safiental erinnern an den Einsatz der polnischen Soldaten, so am Tomülpass, am Güner Lückli oder auf dem Weg zur Grossalp. Einige der Inschriften wurden 1995 durch eine bronzene Gedenktafel ergänzt, die von der Arbeitsgruppe ehemaliger Internierter organisiert wurde.
An den Arbeiten beteiligten sich auch Studenten der Hochschullager Freiburg und Winterthur. In einem Aufenthaltsraum der polnischen Studenten in Winterthur befand sich damals sogar ein grossformatiges Wandbild, das die Situation im hinteren Safiental zeigte. Das Wandbild ist fotografisch dokumentiert, wurde aber beim Umbau des Gebäudes zerstört.
Generation könnte das nützlch sein, um zu erfahren,was Krieg und Armut beteutet!
Herzlichen Dank.
Übrigens: eine dieser bronzenen Tafeln gibt es auch oberhalb von Reichenau. Die haben wir natürlich auch gelesen.