Vor gut 250 Millionen Jahren war auf der Erde die Hölle los. Erdbeben und Eruptionen erschütterten damals den Superkontinent Pangäa, der sämtliche Landmassen der Erde vereinte, in schneller Folge. Die gewaltigen Vulkanausbrüche lösten an der Perm-Trias-Grenze einen katastrophalen Klimawandel aus, dem ungefähr drei Viertel der Landtier-Arten und 95 Prozent aller marinen Lebensformen zum Opfer fielen. Dieses grösste Massensterben – jedenfalls seitdem es nicht nur einzellige Lebewesen gibt – wird «Great Dying» genannt; es machte den Weg frei für die Dominanz der Dinosaurier.
Dem eigentlichen Massensterben, das sich mindestens über mehrere zehntausend Jahre hinzog, ging ein dramatischer Überlebenskampf von Tier-Arten voraus, wie eine neue, im Fachblatt «Current Biology» erschienene Studie anhand von Fossilienfunden zeigt. Diese Spezies mussten sich an eine sich schnell verändernde Umwelt anpassen. Eine Art, deren Schicksal diese instabile Lage veranschaulicht, war ein Spitzenprädator namens Inostrancevia. Spitzenprädatoren sind fleischfressende Tiere, die an der Spitze der Nahrungspyramide stehen und zumindest als ausgewachsene Individuen selber keine Fressfeinde haben.
Inostrancevia, das erste Säbelzahn-Raubtier der Erde, gehörte zu den Gorgonopsia, einer Gattung fleischfressender Tiere, die einen sehr frühen Seitenzweig auf der Stammlinie der Säugetiere bilden. Alle Spezies der Gorgonopsia sind während des Massenaussterbens verschwunden. Der Carnivore mit den furchterregenden Säbelzähnen war mit einer Länge von bis zu 4,3 Metern etwa so gross wie ein Tiger und möglicherweise behaart. Zu seiner Beute gehörten wahrscheinlich Pareiasaurier, aber er dürfte wohl auch Aas nicht verschmäht haben. In seinem massigen Kopf verbarg sich ein Gehirn, das vermutlich grösser war als bei den zeitgenössischen Reptilien.
Bis vor kurzem hatte man nur in Russland Fossilien dieses Säbelzahntiers gefunden. Doch neue Fossilienfunde im Karoo-Becken in Südafrika legen nahe, dass Inostrancevia um die 10'000 Kilometer auf dem Superkontinent nach Süden gewandert war, wo es den Platz der dortigen Spitzenprädatoren einnehmen konnte. «Wir waren sehr überrascht, auf die Fossilien dieser prähistorischen Raubtiere zu stossen», sagt Pia Viglietti, Hauptautorin der Studie und Paläontologin vom Field Museum in Chicago, in einer Pressemitteilung des Museums. Wie Inostrancevia diese lange Strecke zurücklegen konnte und wie lange das Säbelzahntier dafür brauchte, ist unklar.
Nova espécie de gorgonópsio para começar a semana! Saudemos a Inostrancevia africana, descoberta na África do Sul... 1+ pic.twitter.com/a2t3dvB7H9
— Prof. Juan Cisneros ⚒️ 🐉 (@PaleoCisneros) May 22, 2023
Interessant sind die Fossilien aus Südafrika aber nicht nur wegen ihrer Entfernung zu den vorherigen Fundorten. «Als wir die Daten der Spitzenraubtiere in der Region mit denen der ‹Eindringlinge› verglichen, entdeckten wir etwas Bemerkenswertes», sagt Viglietti. «Alle wichtigen Top-Raubtiere aus dem späten Perm, die in Südafrika gefunden wurden, starben lange vor dem ‹Great Dying› aus. Es gab also einen freien Platz im lokalen Ökosystem vor etwa 250 Millionen Jahren, der für eine relativ kurze Zeit von den Inostrancevia besetzt wurde.»
Die Tatsache, dass Inostrancevia in Südafrika ankam und kurz darauf ebenfalls ausstarb, zeigt, dass die Spitzenprädatoren gewissermassen die Rolle eines Kanarienvogels in der Kohlenmine spielten – ihr Aussterben war ein Vorbote der kommenden ökologischen Katastrophe. «Diese Daten ermöglichen uns ein besseres Verständnis des katastrophalsten Massenaussterbens in der Erdgeschichte», erklärt die südafrikanische Forscherin Jennifer Botha.
Ihr Kollege Christian Kammerer fügt hinzu: «Es gab vier verschiedene Raubtiere, die innerhalb von zwei Millionen Jahren – kurz vor dem Massenaussterben, welches das Perm von der Trias trennt – die Rolle des Spitzenräubers innehatten. Das ist beispiellos in der Geschichte des Lebens an Land. Es zeigt, wie extrem diese Krise war. Selbst die grundlegendsten Rollen in den Ökosystemen waren extrem instabil.»
Diese Anfälligkeit der Spitzenprädatoren zeigt sich heute erneut. «Die heutigen Spitzenprädatoren sind ebenfalls sehr wahrscheinlich vom Aussterben bedroht. Sie sind die ersten, die durch menschliche Aktivitäten wie die Jagd oder die Zerstörung ihres Lebensraums beeinträchtigt werden. Man denke an die Wölfe in Europa oder die Tiger in Asien. Das sind Arten, die sich langsam vermehren und ein grosses Jagdgebiet benötigen. Sie sind inzwischen weitgehend verschwunden», erklärt Kammerer. «Das Aussterben der grossen Raubtiere in den letzten Jahrhunderten ähnelt dem Schicksal der prähistorischen Spitzenraubtiere, da sie ähnlich anfällig waren. Auch sie waren die ersten Opfer, wenn sich ein Massenaussterben anbahnte.»
Auch Viglietti sieht eine Parallele zur Jetzt-Zeit: «Es ist immer gut, die Auswirkungen von Massenaussterben auf Ökosysteme zu untersuchen, zumal der Zusammenbruch der Artenvielfalt am Ende des Perms ziemlich parallel zu den heutigen Verhältnissen verläuft. Wir haben kaum anderes Vergleichsmaterial. Das ‹Great Dying› ist das beste Beispiel dafür, was uns erwartet, wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen. Der einzige Unterschied ist, dass wir jetzt wissen, was zu tun ist und wie wir sie lösen können.» (dhr)
Wenn die aussterben oder zumindestens immer massiver reduziert sind, haben wir ein grosses Problem.
Deshalb ist auch oekologischer Biolandbau ein Muss für die Zukunft unserer Erde.