Trump und die Freikirchen nutzen die Ermordung von Charlie Kirk aus
Bis vor wenigen Tagen kannte kaum jemand den amerikanischen Polit-Influencer Charlie Kirk. Auch die Mehrheit der Amerikaner hatte seinen Namen noch nie gehört. Doch heute ist er weltbekannt. Nicht, weil er etwas Aussergewöhnliches geleistet hat, sondern weil er ermordet wurde.
Ein Mord ist in den USA kein besonderes Ereignis. 2021 wurden 21‘600 Personen umgebracht, also rund sechs pro Tag. Deshalb stellt sich die Frage, weshalb der tragische Tod von Kirk ein Ereignis wurde, das weltweite Wellen wirft.
Der Hauptgrund: Donald Trump, die Maga-Bewegung und die christlichen Freikirchen machten den Mord des 31-jährigen Führers der politischen Kampforganisation «Turning Point USA» zu einem Grossereignis und nutzen ihn für politische und religiöse Propagandazwecke.
Wahlkämpfer für Trump
Mit der filmreifen Selbstdarstellung von Trump bei der Trauerfeier im Football-Stadion Glendale in Arizona inszenierte er sich bei den christlichen Fundis einmal mehr als gottgesandter Heilsbringer. Kirk war die ideale Figur, um Trump eine mediale Plattform zu bieten. Als rechtsradikaler Aktivist, der mit seiner Bewegung junge Amerikaner politisierte, war er ein wichtiger Wahlkämpfer für Trump. Wahrscheinlich hat Kirk bei den letzten Wahlen den Unterschied ausgemacht.
Ausserdem war Kirk ein glühender Freikirchler, der einen grossen Einfluss auf die frommen Amerikaner hatte. Ohne diese – sie machen rund 25 Prozent der Einwohner aus – wäre Trump heute nicht Präsident.
Kurz: Kirk war der ideale Influencer für den Präsidenten, die Maga-Bewegung und die superfrommen Christen. Sie stilisieren ihn nun erfolgreich zum Märtyrer hoch und nutzen seinen Tod für politische Propagandazwecke, stehen doch die Midterm-Wahlen an. Deshalb pilgerten auch der Vizepräsident, mehrere Minister und viele hochrangige Republikaner zur Trauerfeier.
Bezeichnend ist auch, dass Trump den Tod von Kirk und die Verhaftung des mutmasslichen Mörders als Erster verkündete. Symbolträchtig ist weiter, dass Vizepräsident J. D. Vance die Leiche von Kirk mit dem Regierungsflugzeug Air Force Two, eine Boeing 757, heimfliegen liess. Gleichzeitig nutzten die Freikirchen und rechtskatholischen Gemeinschaften den Mord zu Missionszwecken.
Um es klar zu machen: Nichts rechtfertigt einen Mord. Doch der Klamauk, den Trump, die Maga-Bewegung und die freikirchlichen Gemeinschaften nun veranstalten, ist eine fragwürdige und teilweise pietätlose religiöse und politische Instrumentalisierung.
Die unheilvolle Verquickung von Politik und Religion dokumentierte auch die Witwe von Kirk. Sie rief bei der Trauerfeier den Leuten zu: : «Wenn du nicht zu einer Kirche gehörst, trete einer bei. Unsere Schlacht ist nicht nur politisch. Vor allem ist sie spirituell.»
Bleibt die Frage, ob Kirk ein Märtyrer ist.
Märtyrer werden in der Regel wegen ihres Glaubens systematisch verfolgt oder umgebracht. Man kann den Begriff auch für politisch Verfolgte anwenden. Doch Kirk konnte seine öffentlichen Politaktionen weitgehend ungehindert durchführen. Da er von einem durchgeknallten Einzeltäter ermordet wurde, taugt Kirk nicht als politischer Märtyrer.
Für religiöse Zwecke missbraucht
Somit wird Kirk für ideologische und religiöse Zwecke missbraucht. Der «Tages-Anzeiger» nannte die Maga-Bewegung eine Art christliche politische Sekte.
Viele stilisieren Kirk auch zu einer Art Heiland hoch, indem sie ihn mit Jesus vergleichen. Christus sei mit 33 Jahren gestorben, Kirk mit 31, weil er sich Gott ergeben habe, sagte der US-Aussenminister Marco Rubio.
Noch abstruser sind die Forderungen vieler Gläubigen, Kirk als Heiligen zu verehren. Er war kein barmherziger Samariter, sondern ein radikaler Ideologe, der Hetze betrieb. Ein paar Beispiele.
Er nannte Joe Biden einen korrupten Tyrannen, der mit der Todesstrafe für seine Verbrechen gegen Amerika bestraft werden sollte. Abtreibungen sind für ihn «schlimmer als der Holocaust».
Für Waffenrecht und Todesstrafe
Er kämpfte für das Waffenrecht, auch wenn es Tote bei Schulmassakern gebe. Solche Todesfälle müssten in Kauf genommen werden. Es ist die Ironie des Schicksals, dass er nun durch eine Kugel getötet wurde.
Das Steinigen von Homosexuellen sei Gottes perfektes Gesetz in sexuellen Angelegenheiten, erklärte Kirk weiter. Er war denn auch für die Todesstrafe. Wie kann man jemanden als Märtyrer oder Heiligen sehen, der solch monströse Ansichten vertrat?
Die Freikirchen nutzen Kirks Tod als Missionsinstrument. Luke Barnett, Pastor einer grossen Kirche in Phoenix, sagte laut «Tages-Anzeiger» in einem Gottesdienst: «Wir befinden uns in einem spirituellen Krieg.» Dann tönte plötzlich Kirks Stimme aus den Lautsprechern.
Der Ermordete tröstete die Gläubigen mit der Aussage, es gehe ihm gut, weil seine Seele in Jesus geborgen sei. Er habe die Risiken gekannt und würde wieder gleich handeln. Schliesslich wörtlich: «Nehmt euer Kreuz auf euch und kehrt in den Kampf zurück. Tut es mit Freude.»
Kirks imitierte Stimme
Es war zwar Kirks Stimme, aber es waren nicht seine Worte aus dem Himmel. Sein Auftritt wurde mit Hilfe Künstlicher Intelligenz gefälscht. Eine Geschmacklosigkeit sondergleichen.
In den sozialen Medien tauchten schon kurz nach Kirks Tod KI-generierte Bilder und Videos von Kirk auf. Sie zeigten ihn im Himmel mit anderen ermordeten wie John F. Kennedy und Martin Luther King Jr. oder wie die Heiligen Paulus und Petrus. Besonders beliebt sind gefälschte Bilder, auf denen Jesus Kirk umarmt.
Trump und seine Fans, die sich vor dem Präsidenten in den Staub werfen, ziehen aus dem Tod von Kirk politisches und religiöses Kapital. Mit der Verluderung von Politik und Religion wird die amerikanische Demokratie im Kern ausgehöhlt. Dazu gehört auch, dass sich die USA mit dem Kampfruf «America first» aus der Weltgemeinschaft zurückzieht.
Narzissten wie Putin freut's, können sie doch in der Ukraine ein Massaker anrichten und den Gazastreifen mit dem Segen von «Heilsbringer» Trump zerbomben.
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