Sind wir allein? Gibt es intelligentes Leben ausserhalb der Erde? Die Fragen klingen leider eher nach Esoterik als nach Wissenschaft. Es hat auch nichts genützt, dass man die Frage mit dem Namen eines der bekanntesten Physiker des 20. Jahrhunderts verknüpft hat. «Fermis Paradox» – ob sich Enrico Fermi wirklich gefragt, wo «sie» denn seien, ist zweifelhaft, aber die Formulierung ist klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo «da draussen» intelligentes Leben gibt, ist überwältigend gross, aber von Evidenz leider keine Spur. Und so ist die SETI (Search of Extra Terrestrial Intelligence), die Suche danach, etwas, was seriöse Wissenschafter meiden, weil es unseriös ist, und nach Boulevard riecht.
Dieses Vorurteil hat auch die Debatte um ‘Oumuamua, jenes rätselhaften Objekt, das 2017 auftauchte, überschattet. Seine Bahn zeigte an, dass es von ausserhalb des Sonnensystems kam, entsprechend genoss es als erster interstellarer Besucher grosse Aufmerksamkeit. Entdeckt wurde er von einem Observatorium auf Hawaii. Sein Name ist hawaiianisch und bedeutet «Kundschafter» oder «Bote aus der Vergangenheit».
Harvard-Professor Avi Loeb hat sich immer freimütig zu SETI geäussert und vertritt auch hier eine eindeutige Position: ‘Oumuamua ist so exotisch, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass es natürlichen Ursprungs ist. «Wir haben so etwas jedenfalls noch nie gesehen.»
Und wir werden es vermutlich auch so schnell nicht wieder sehen. Denn ‘Oumuamua hat unser Sonnensystem schon lange wieder verlassen. Wir haben nur noch die Beobachtungsdaten. Und die geben auf die drei relevanten Fragen verwirrende Antworten.
Visualisiert wird ‘Oumuamua mit Vorliebe als zigarrenförmiger Gesteinsbrocken. Die Bewegungsdaten wiesen darauf hin, dass es regelmässig rotierte und dabei extreme Helligkeitsunterschiede zeigte. Es musste also ein Ding sein von extremen Grössenverhältnissen. Eben eine Zigarre oder dann ein Pfannkuchen. Asteroiden in unserem Sonnsystem hätten Länge-Breite-Verhältnisse von höchstens drei, dieses hier von fünf bis zehn. Die Helligkeitsdaten deuteten zu 91 Prozent darauf hin, dass das Objekt eine Scheibe sei.
‘Oumuamua kam von aussen und flog an der Sonne vorbei wieder weg. Rätselhafterweise beschleunigte es nach dem Vorbeiflug, wobei die Beschleunigungskraft im Quadrat zur Entfernung von der Sonne kontinuierlich abnahm. Eine Ausgasung, wie bei einem Kometenschweif, war nicht zu beobachten. Woher kam diese Beschleunigung?
‘Oumuamua habe sich, so Loeb, bevor es vom Gravitationsfeld der Sonne erfasst worden sei, in einem LSR (local standard of rest) befunden. Wenn man die Geschwindigkeiten, mit denen sich die Körper im Sonnensystem bewegen, mittelt, scheinen Körper, welche sich mit dieser Geschwindigkeit bewegen, scheinbar still zu stehen. Nicht ‘Oumuamua ist ins Sonnensystem reingeflogen, sondern das Sonnensystem ist auf es geprallt.
Gesucht ist die Hypothese, welche die Daten «am besten», das heisst: am einfachsten, erklärt. Die Hypothese, dass ‘Oumuamua natürlichen Ursprungs sei, braucht viele unwahrscheinliche Zusatzannahmen. Die Alternative, dass es sich um ein «künstliches Ding» handelt, kommt ohne diese aus. Loebs Schluss: ’Oumuamua ist ein «technisch» hergestelltes Ding. Es ist – wie das Analogbeispiel einer Uhr, die man am Strand findet, – höchst unwahrscheinlich, dass es natürlich entstanden ist. Ob es «Schrott» ist, den eine ausserirdische Zivilisation zurückgelassen hat, oder noch funktioniert, ist schwer zu sagen.
Loeb hält es für ein «Lichtsegel», das von der Sonne beschleunigt worden sei. Eine Art Folie oder Spiegel, der die Photonen einer Lichtquelle reflektiert, und vom Druck, den sie erzeugen, vorwärts bewegt wird. Dass er ein paar Jahre vorher eine solche Technologie (mit einem Laser) vorgeschlagen hat, um etwas zum nächsten Exoplaneten Proxima b, der um Proxima Centauri (ungefähr 4,27 Lichtjahre von uns entfernt) zu schicken, mag seine These stützen oder ihr schaden. Das hängt ganz von den Kollegen ab.
Loeb schlägt eine Variante von Pascals Wette vor. Der Mathematiker hatte seinerzeit argumentiert, es sei ungleich vorteilhafter, die Existenz Gottes anzunehmen, weil die Vorteile – ewiges Leben – überwältigend seien und die Alternative – lebenslängliche Verdammnis – zu gefährlich sei. Loeb folgert daraus: Wir sollten akzeptieren, dass ausserirdische Intelligenz existiere, und die Suche danach als seriöse Wissenschaft anerkennen. Denn der Nutzen könnte unermesslich gross sein, wenn die These zutrifft. Und wenn sie falsch ist, haben wir nicht viel verloren.
Immerhin würden wir noch viel mehr Geld ausgeben für fragwürdige Forschung, klagt Loeb. Multiuniversen oder die vielen Dimensionen der Stringtheorie, Annahmen, für die es keine Experimente geben und damit auch keine überprüfbare Daten geben kann, werden gefördert und gehörten zum Mainstream-Programm der Forschung.
Vielleicht ist es auch eine Art Scham, welche die Wissenschaftergemeinde von der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz fernhält. Wahrscheinlich wäre unsere Intelligenz etwa in der Mitte einer Gaussschen Verteilung angesiedelt und kaum am rechten Rand. Die Furcht, dass eine andere Intelligenz die unsere übertreffen und uns als ziemlich dumm hinstellen könnte, ist real. Der Gedankengang mag abwegig erscheinen. Aber so ganz ohne Evidenz scheint er nicht zu sein, wenn man sich die Geschichte unserer ach so intelligenten Spezies betrachtet.
Die Entdeckung einer ausserirdischen Intelligenz oder wenigstens die Akzeptanz ihrer Möglichkeit hätten einen heilsamen Einfluss auf uns, hofft Loeb. Er sagt es nicht so deutlich, aber man dürfte hoffen, dass die Menschheit dann einsieht, wie kindisch ihre Streitereien und wie blind die Anwendungen ihrer Technik manchmal gewesen waren und womöglich noch sind.
Honolulu wäre übrigens auch nicht "auf", sondern nur "in" Hawaii, da es auf Oahu liegt.
Ich weiss, es ist ein Tüpflischiisse. Aber: Ich denke mir dann manchmal, dass wir logischerweise Mühe im Umgang mit dem weiten Weltall haben, wenn wir nicht einmal die Lokalitäten auf der Erde richtig benennen können.