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Tausende Touristen sind schon drüber gestolpert, haben sich über sie genervt. Oder sie einfach nicht beachtet. Armen Einheimischen hingegen dienen sie zum Schutz vor Sonne oder Regen. Die Rede ist von gebrauchten Zementsäcken, die in Ländern wie Kambodscha auf Wegen und Strassen herumliegen, die Felder verschmutzen.
Auch Nicolas Huxley war vor vier Jahren Tourist in Kambodscha. Im Gegensatz zu anderen hatte er nicht nur Augen für die einmaligen Tempel dieses Landes, sofort fielen ihm die Zementsäcke auf. Für ihn waren sie schon damals nicht einfach Abfall. Er nahm die Säcke in die Hand, war überrascht, wie robust sie sind, entdeckte die verschiedenen Embleme auf ihnen, die Farben. Huxley sensibilisierte sein Auge, entdeckte, wie vielseitig die Einheimischen die Zementsäcke verwendeten: Sie deckten damit Holz ab oder transportierten Früchte vom Markt in ihre Hütten.
Huxley reiste weiter. Mit den Zementsäcken im Hinterkopf, mit der Idee, aus ihnen etwas herzustellen, das in der entwickelten Welt gefragt sein könnte.
Heute macht Huxley nichts anderes mehr als für seine Vision zu arbeiten. Für sein Modelabel, das er Elephbo getauft hat. 800 Designer-Taschen, Portemonnaies und Kulturbeutel hat er mittlerweile hergestellt und über die Crowdfundig-Plattform Kickstarter 34'000 Franken dafür generiert. Damit möchte er nicht nur Profit erzielen, unter anderem will er das Bewusstsein der Kambodschaner für Müll schärfen.
Er nahm sich während seinem Asien-Aufenthalt also nicht einfach nur vor, etwas zu verändern; er setzte seine Gedanken um. Von Hongkong aus, wo er damals ein Auslandsemester absolvierte, machte er sich immer wieder auf nach Siem Reap, das ganz in der Nähe der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat liegt. «Zugegebenermassen war das rückblickend schon fast naiv», sagt Huxley im Gespräch mit watson. Er ging auf Märkte, auf Baustellen, versuchte mit möglichst vielen Einheimischen zu reden. Wegen der Sprachbarriere war das alles andere als einfach. Sein Ziel: Menschen zu finden, die die Zementsäcke einsammelten, reinigten und zuschnitten. Dabei stiess er auf Tuktuk-Fahrer Komnit Nil. Dieser half ihm beim Übersetzen, stellte wichtig Kontakte her. Gemeinsam fanden sie Mitarbeiter, sammelten Säcke von Müllhalden, bauten ein Häuschen mit zehn Nähmaschinen und stellen erste Prototypen von Taschen aus Zementsäcken her.
Schritt für Schritt professionalisierte Huxley die Abläufe. Zuerst entschied er sich, die Taschen mit Leder aus Italien zu veredeln. «Eine Kombination aus gebrauchtem Material und teurem Leder, das gab es bisher nicht», sagt Huxley. Die verarbeiteten Zementsäcke aus Kambodscha liess er in die Schweiz schiffen, hier fand die Verarbeitung mit dem italienischen Leder zum Endprodukt statt. Rasch merkte Huxley, dass dies hier zu teuer ist. Ein neuer Plan musste her.
Durch eine Freundin stiess er auf einen Betrieb in Bosnien. Einen Familienbetrieb. Wie in Kambodscha war ihm auch hier der direkte Kontakt wichtig. Nichts soll anonym sein, nichts zu gross. Auch hier liess er Prototypen des weiterentwickelten Produktes herstellen, auch dafür reiste Huxley mehrere Male ins Land. Es funktionierte. Heute setzt der Jungunternehmer auf die kleine Produktionsstätte im Osten.
Die Geschichte seines Start-ups liest sich schön: Etwas zur Lösung des Abfallproblems in Kambodscha beitragen, ein bisschen das taumelnde Italien unterstützen, Arbeitsplätze in Bosnien schaffen und die Marke Schweiz in die Welt hinaustragen. Aber ist es nicht ein bisschen arrogant zu meinen, Bewohner eines der ärmsten Länder der Welt hätten keine anderen Sorgen als ihren Müll richtig zu entsorgen? Egal, wie arm ein Land sei, er finde es besser, aus Abfall etwas herzustellen, statt diesen einfach zu verbrennen, verteidigt Huxley seine Idee. In Zukunft wolle er noch mehr für den besseren Umgang mit Abfall tun, sich dafür einsetzen, dass das Thema in Schulen vor Ort behandelt werde. Und: «Durch Schulungen in der Textilverarbeitung, die wir anbieten, durch das Nähen lernen, möchte ich den Kambodschanern zeigen, wie sie selbständig Geld verdienen können.»
Zweiter Kritikpunkt: Ist Elephbo nicht einfach eine Kopie der Freitag-Taschen, bei denen durch die Wiederverwertung von Lastwagenplanen ebenfalls ein Upcycling stattfindet? «Der Vergleich kommt immer wieder», räumt Huxley ein. Elephbo lege den Fokus aber mehr auf den sozialen Einfluss in Entwicklungsländern als Freitag. «Es profitieren bewusst nicht nur Mitarbeiter in der Schweiz, wir zahlen in Kambodscha, wie auch Bosnien überdurchschnittliche Löhne.» Zudem trage Elephbo durch das seriöse Abfall-Management-Projekt in Siem Reap ernsthaft etwas zur Verbesserung der Umwelt bei. Man mache dies nicht einfach aus Image-Gründen. Zehn Prozent des Umsatzes gehen zurück nach Kambodscha.
Vielleicht wird dies schon bald in anderen Ländern geschehen. Dank der Aufmerksamkeit über die globale Plattform Kickstarter sind Huxley Anfragen ins Haus geflattert aus Nigeria, den Philippinen und Bangladesch. «Wir prüfen die neuen Länder und entscheiden später», sagt Huxley dazu. In Kambodscha muss auf jeden Fall niemand mehr alte Zementsäcke sammeln. Vor kurzem konnte Huxley Kooperationen mit mehreren Baufirmen vor Ort abschliessen. Angestellte wie Taxifahrer Nil können sich dadurch anderen Aufgaben widmen. Nil ist nun für die Qualitätskontrolle zuständig.