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Du willst nur das Beste? Voilà:
«Komm, mach doch mit! Es macht Spass!»
Die Rede ist von Tinder, der App, die ich von meinem jüngeren Freundeskreis zwar kenne, selber aber nicht benutze. Nun wird mir nahegelegt, ich solle doch auch mal.
Ist Tinder nicht so ein Ding für die Kleinen? Ich bin 45. Wegen Midlife-Crisis und so ... ist das nicht ein wenig peinlich, da mitmischen zu wollen?
«Vergiss es, Mann. Jeder und jede – wirklich alle, alle – sind auf Tinder.»
Ob letztere Aussage stimmen mag, bedarf wohl genauerer Untersuchung – aber ja, drei Bekannte sind mir in den vier Wochen auf Tinder schon begegnet. Aber erst mal von vorne:
Ich melde mich also bei Tinder an. Nett, dass Tinder gleich das Facebook-Profilbild nimmt. Gut, dass ich gegenwärtig kein sauglattes Partybild als Teaser habe. «Bin neu auf diesem Tinder-Ding. Und eher skeptisch», steht nun da.
Und schon bin ich Profile von Tinder-Damen am Sichten: «Nope», «nope», «like», «nope», «like» – oh, Fehler! Ich wollte nach links swipen! Und jetzt habe ich noch jemanden aus Versehen nach oben gewedelt – «superlike»! Hilfeee!
Prompt prasseln erste Matches rein. Die erste von einer drallen Dame in einem Dirndl, die ich aus Versehen geliked habe. «Weshalb denn so skeptisch?», fragt sie auch gleich. «Erzähl' doch ein bisschen von dir?», ergänzt mit diversen «😉😜😆😇». Ich antworte – wahrheitsgemäss –, dass ich nunmal nicht sicher bin, ob diese App tatsächlich so grossartig ist, wie alle immer tun. Meine Vermutung lautet nämlich – und dies unterschlage ich der Dame für den Moment –, dass Tinder für jemand meines Alters keineswegs die Bums-App sein wird, wie von den Medien herbeibeschworen. Mein privater Verdacht ist eher, dass notgeile alte Journalisten dies gerne so hätten und deswegen die App hoch schreiben.
Allzu viel länger dauert die Konversation mit der Dirndl-Dame auch nicht, denn schon prasseln weitere Matches rein, womit man schon bei der ersten Tinder-Erkenntnis wäre:
Ach, wie nett: Ich komme auf überraschend viele Matches. Und dies obwohl ich (gefühlt) bei gar nicht so vielen Damen nach rechts wische. Bei den meisten bemühe ich mich dann auch artig um Kontaktaufnahme (dies selbstverständlich nur zu Recherchezwecken, versteht sich). Und nun die erste Enttäuschung: Antworten gibt's wenige.
Tja, auch Tinder lässt sich wohl zu den Vanity-Apps wie Instagram und Co. einreihen: Möglichst viele Matches einheimsen, das tut dem Ego gut. Wirklich interessiert, Menschen kennenzulernen? Böh.
Kommt es dann zur Kontaktaufnahme, stellt sich sehr schnell heraus, ob es zum Date kommt oder nicht. Da war zum Beispiel Dame A, die gut und gerne über Gott und die Welt diskutiert, mich offenbar ziemlich sympathisch und interessant findet, aber letztendlich nicht an einem Date interessiert war. Dame B, hingegen, parliert locker ein wenig hin und her, um alsbald eines dieser Tinder-Gifs zu platzieren, ...
... gleich gefolgt von: «Okay, machen wir morgen ab auf einen Kaffee?»
Worauf ich gleich die nächste Lektion lerne:
Will eine Dame abmachen, muss man alles sofort stehen und liegen lassen, sonst wird man mit sofortigem Desinteresse bestraft. Da geht mir also «morgen» terminlich beim besten Willen nicht, weshalb ich Dame B zirka 25 alternative Termine präsentiere. Keine Chance. Die Dame interpretiert dies als mangelndes Interesse. Aus, fertig, vorbei.
Ohnehin gefallen sich Tinderinnen oftmals als wunderprächtige Fabelwesen, die unter grösstem Aufwand und Sorgfalt sanft einzufangen sind. «Ich will jemand, der mich wie die Prinzessin behandelt, die ich in Wahrheit bin», steht da mitunter. Oder: «Pflegeleicht zu sein wäre mir ohnehin zu langweilig.» Oder der alte Klassiker: «If you can't handle me at my worst, you don't deserve me at my best.» Ja ja, schon gut.
Ob es eine Korrelation zu folgender Feststellung gibt, müsste man noch genauer untersuchen:
Wenn wir schon dabei sind, kommen wir doch gleich zu der Tinderinnen-Typisierung! Nebst den Duckfaces gibt es nämlich noch folgende Untergattungen:
Oder noch besser: Benutze nur verwackelte Selfies oder Gruppenfotos! Wir wollen ja die Spannung aufrecht erhalten!
Aber Obacht – die eine oder andere kann sich als Fake herausstellen:
Alternative Destinationen: Der Sandstrand von Ko Samui oder Ayers Rock in Australien.
«Hallo, ich mag zwar Key Account Managerin in einem Verlag sein, aber mein wahres Ich ist niemals glücklicher, als wenn es die «Grenzen seiner Leistungsfähigkeit» erkunden kann. Also eigentlich, in meinem tiefsten Innern, bin ich Xena, Warrior Princess!»
So was von.
Ich mag die. Ein Trink-Profilbild bedeutet: «Ich nehme das Ganze hier nicht so ernst, bin nur zum Spass hier» – durchaus sympathisch. Und in der Tat: Trinker-Tinderinnen antworten eher öfter auf Chats.
Ach ja, apropos Spass:
Auf Tinder tun alle so, als gehe es um alles, nur nicht ums eine. «No ONS!» steht bei jedem zweiten Profil (ich musste es nachschlagen: Es steht für «one night stand»). Oder: «Bist du nur auf Sex aus, dann kannst du getrost nach links swipen!»
Nur eine verschwindend kleine Minderheit ist so ehrlich, gleich im Profil zu deklarieren: «Ich erwarte nicht, meinen Traummann hier kennenzulernen, Spass darf aber trotzdem sein!» Ich vermute, entweder macht sich ein gehöriger Anteil der Damen falsche Hoffnungen (Lebenspartner auf Tinder finden ... im Ernst?), oder sonst schämen sie sich, ehrlich zu sein.
Anfänglich dachte ich, dass es an meinem Suchprofil (Frauen, 35–50) liegt, worauf die Suchkriterien ins untere Alterssegment (28 – irgendwie wollte ich nicht weiter nach unten) ausdehnte. Doch das Bild ähnelte sich.
Ein weiterer Grund für die Ausweitung der Suchkriterien ins Gefilde der Unter-30-Jährigen war, dass sich ziemlich schnell einmal folgendes Bild ergab:
Und da gibt es Leute, die wollen die Zuwanderung stoppen! Unverständlich.
Item: Beruflich verschlug es mich für zwei Wochen ins sonnige Kalifornien. Gespannt war ich, wie sich die Tinderei dort von der Schweiz unterscheidet.
Ein Unterschied war sehr schnell mal evident:
Zumindest bei Damen in meiner Altersgruppe scheint das Schönheitsideal etwas ... anders zu sein. Ist ja auch verständlich – schliesslich prägten «Baywatch» und Co. unsere Generation.
Aber auch in anderen Belangen unterscheiden sich die Amerikanerinnen von den Schweizerinnen: Bei fast jedem Match kommt es zum Chat. Dabei verhalten sich die Frauen in der Regel ziemlich pragmatisch: «Ach so, du bist nur zwei Wochen hier? Sorry, aber dann bin ich leider nicht interessiert. Nichts für ungut!» Oder umgekehrt: «Komm, wir machen doch ab, bevor du wieder abhaust! Hier ist meine Nummer.»
Vier Dates. Das finde ich jetzt ganz in Ordnung.
Und nun chillt erst mal, liebe Mittvierziger – eine Paarungs-Pandora ist Tinder nicht. Vielleicht trifft dies für «die Jungen» zu (das behaupten sie ja gerne), wer aber, wie ich, ein altersgemäss beschäftigtes Leben hat, für den ist Tinder im besten Fall eine willkommene Abwechslung («Die ist nun ausgesprochen nett – danke, Tinder!») und im schlechtesten Fall ein Stressfaktor («Nein, ich möchte jetzt nicht über deine Katze chatten, werte Dame!»).
Und nun lösche ich die App.
Nein, ich behalte sie.
Nein, ich lösch sie.
Oder doch behalten?
(Fortsetzung folgt ...?)
* Name geändert: Der Autor wollte anonym bleiben.