Ins Leben gerufen wurde Tinder im Jahr 2012, inzwischen ist die App zu einer der beliebtesten Dating-Plattformen mutiert. Hannes Maurer* ist 26 Jahre alt, er nutzt Tinder seit gut einem Jahr – und das ziemlich erfolgreich.
Im Interview erzählt er, wie er die Frauen von sich überzeugt – und gesteht, dass auch der geübteste Casanova ab und zu ein paar Körbe kassieren muss. Um seine Strategien zu veranschaulichen, hat er uns ausserdem ein paar beispielhafte Chats aus seinem ganz persönlichen Fundus mitgebracht.
Offiziell hat Tinder das Ziel, seinen Nutzern das Kennenlernen von Menschen in der näheren Umgebung zu erleichtern. Reden wir Tacheles: Unterm Strich ist es eine Plattform für schnellen Sex.
Hannes Maurer: Nein, überhaupt nicht. Ich habe verschiedene Kumpels, die über Tinder ihre Freundin kennengelernt haben und jetzt in einer glücklichen Beziehung leben.
... aber?
Die Bedürfnisse sind ganz verschieden: Von Sex über Freundschaft bis zu Beziehungen ist alles dabei. Allerdings gibt es schon eine Menge Frauen, die Tinder klar als «Vergnügungs-App» verstehen. Wenn man sich clever verhält, ist Tinder die reinste Bumsbörse.
Du weisst, was Frauen wollen?
Schön wär's! Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die Kunst besteht darin, herauszufinden, was die Frauen wollen, ohne zu direkt zu sein. Am besten verbindet man das mit ein wenig Humor, so klappt das jeweils ganz gut.
Wie oft funktioniert das so simpel?
Öfter als du vielleicht denkst, weil eine Sache häufig unterschätzt wird: Die meisten Frauen haben genau so gerne Sex wie Männer und kommen durch Tinder halbwegs anonym zum unkomplizierten Vergnügen. Es ist sozusagen eine Win-win-Situation.
Und wenn die Frau nicht will?
Dann soll es eben nicht sein, ist ja kein Problem. Das kann man einfach während des Chattens klären. Wenn eine Userin andere, längerfristige Interessen hat, lüge ich ihr auch nichts vor. Ich bin zwar ein Filou, verhalte mich aber immer fair. Zudem hat es genügend andere Frauen.
Was heisst «genügend andere Frauen»? Wie viele «Matches» hast du in etwa?
Derzeit sind es ungefähr 400. Jedoch bin ich nur mit einem Bruchteil am Chatten – sonst wird die Sache zu aufwändig und vor allem zu kompliziert. Meistens warte ich sowieso ab, bis die Frau zuerst schreibt.
Wieso das?
Wenn sie zuerst schreibt, zeugt das von besonders grossem Interesse. Da warte ich lieber zwei bis drei Tage und gebe ihr die Chance, den Anfang zu machen, das funktioniert übrigens hervorragend. Zudem wirkt es etwas verzweifelt, wenn man direkt nach dem «Match» schreibt.
Mit welchem Erfolg? Wie viele Frauen hast du bereits über Tinder getroffen?
Von ungefähr 100 aktiven Chats waren es wohl zwischen 20 und 30. Ich führe keine genaue Statistik.
Mit denen du dann direkt im Bett gelandet bist?
Nein, überhaupt nicht. Mit einigen hatte ich auch nur gute Gespräche, ohne dass es irgendwie gefunkt hat. Dann ist das ja auch in Ordnung.
Ich will eine Zahl. Mit wie vielen Frauen warst du nach einem Jahr Tinder in der Kiste?
Die Zahl dürfte knapp zweistellig sein.
Wie geht es dann weiter, mit dir und den Frauen, nachdem du mit ihnen geschlafen hast?
Das ist ganz unterschiedlich. Einige sehe ich nie wieder, oft entwickeln sich auch Affären, bei denen dann aber meist nach einem Monat das Feuer raus ist.
Weil du nicht mehr willst?
Manchmal. Oder auch, weil sie keine Lust mehr hat. Das ganze «Rumtindern» ist ziemlich schnelllebig. Es entsteht immer wieder eine Lust nach etwas Neuem, Unbekanntem.
Nochmals zurück zu deinem Erfolgsgeheimnis. Finden dich Frauen überdurchschnittlich attraktiv?
Obwohl Tinder grundsätzlich auf Oberflächlichkeit basiert, denke ich, dass es gar nicht unbedingt von der Attraktivität, sondern vielmehr von der Art und Weise, wie man sich präsentiert, abhängt. Wer als Mann ein Oben-ohne-Foto von sich zeigt, ist bei den meisten Frauen sowieso schon unten durch. Ein bisschen Klasse sollte man schon haben.
Woher weisst du das?
Ich frage meine Dates danach, weshalb sie mich «gematcht» und dann auch getroffen haben. Das interessiert mich.
Die Antwort ist eigentlich immer die gleiche: Die Fotos hätten sympathisch gewirkt, die Chats seien unkonventionell und ich von Beginn weg ehrlich. Das ist eigentlich schon der ganze Zauber.
Unkonventionelle Chats, was heisst das?
Lustig, kreativ, frech. Was auch immer, aber 0815-Konversationen sind das Schlimmste. Man sollte in einer App wie Tinder alles sein, nur nicht langweilig.
Das heisst, du spielst den Pausenclown?
Es ist ein schmaler Grat zwischen witzig und platt. Diesen gilt es zu finden. Komplimente funktionieren auch immer gut. Sie sollten jedoch ehrlich daherkommen und ebenfalls nicht zu platt wirken.
Weshalb sparst du dir deine ganzen Taktiken nicht und schreibst direkt, dass du nur auf der Suche nach Sex bist?
Wer gleich drauflosstürzt und nach Sex fragt, hat kaum Erfolg, da braucht es schon ein bisschen mehr. Allerdings hilft es auf jeden Fall, das Gespräch in diese Richtung zu steuern – noch vor dem Treffen. Man muss das Ganze nur etwas geschickt verpacken.
Bekommst du nie Körbe?
So unglaublich viele, dass ich mit dem Zählen aufgehört habe. Aber das ist ja nicht weiter schlimm. Ich wurde auch schon einige Male kurzfristig versetzt, aber das ist halt ein bisschen so auf einer Flirt-App. Ich denke, damit muss man einfach leben.
Was hast du dank Tinder über Frauen gelernt?
Ich habe vor allem dank den Frauen viel über Tinder gelernt. Nämlich, wie sie es nutzen, und das verschafft mir einen riesigen Vorteil. Normalerweise ist es als Mann ja eher schwer, Frauen kennenzulernen. Mit «Tinder-Matches» sind jedoch zwei wichtige Fragen schon beantwortet. Erstens sind die Frauen auf der Suche, zweitens finden sie dich interessant. Tinder ist ein bisschen wie Cheaten auf der Spielkonsole. Man kommt zwar zum Ziel, es fehlt aber etwas die Herausforderung. Es ist manchmal fast schon zu einfach.
Warum suchst du dann nicht einfach wieder im echten Leben?
Ich habe nie gesagt, dass ich das nicht auch mache. Ausserdem finde ich «suchen» das falsche Wort, das klingt so hoffnungslos.
Wie alt sind die Frauen, die du über Tinder triffst?
Das variiert extrem. Ich hab' auch keine Restriktionen eingestellt.
Von 19–37-Jährigen war alles dabei, wobei der Durchschnitt wohl knapp über 30 liegt. Etwas reifere Frauen wissen viel genauer, was sie wollen und machen das auch deutlich klar.
Nutzt du Tinder auch im Ausland?
Das Ausland ist sowas wie das Tinder-Schlaraffenland. Da funktioniert es hervorragend.
Kannst du dir das erklären?
Die Frauen im Ausland sind – ich sag' jetzt mal «unverbindlichen Treffen» gegenüber meist etwas lockerer eingestellt. Zudem ist sofort klar, worauf es mit einem Touristen, der nur wenige Tage in der Stadt ist, hinausläuft.
Auf Sex.
In meinen letzten fünf Auslandsaufenthalten war das so, ja. Die «Erfolgsquote» ist im Vergleich zur Schweiz noch deutlich höher.
Danke für das Interview!
Gerne. Willst du noch zu mir kommen? Hab' da so eine Briefmarkensammlung ...
* Name geändert