Auslandstürken in der Schweiz können seit Montag über das Referendum für ein Präsidialsystem in ihrem Land abstimmen. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft leitete derweil wegen des umstrittenen Erdogan-Plakats an einer Demonstration in Bern rechtliche Schritte ein.
An der Kundgebung am Samstag hatten mehrere tausend Menschen für Frieden, Freiheit und Demokratie in der Türkei demonstriert. Zu sehen war dabei auch ein Transparent mit einem Porträt von Staatschef Recep Tayyip Erdogan sowie einer auf ihn gerichteten Pistole. Darunter stand übersetzt: «Töte Erdogan mit seinen eigenen Waffen».
Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu nun am Montag verlauten liess, ermittelt die Istanbuler Staatsanwaltschaft wegen «Mitgliedschaft in einer Terrororganisation», «Beleidigung des Präsidenten» und «Propaganda für eine Terrororganisation».
Die türkischen Behörden könnten im Rahmen ihrer Strafuntersuchung wegen des Plakats die Schweiz um Rechtshilfe ersuchen, sagte Folco Galli, Informationschef des Bundesamtes für Justiz (BJ), am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Grundlage der Zusammenarbeit sei das Europäische Rechtshilfeübereinkommen, das beide Staaten ratifiziert hätten.
Bereits am Sonntag hatte die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland wegen des Plakats ein Verfahren wegen öffentlichen Aufrufs zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit eröffnet. Es handle sich um ein Offizialdelikt, sagte Dominik Jäggi, Sprecher der Berner Kantonspolizei, am Montag. Eine Strafanzeige wegen der Kundgebung plant auch die Stadt Bern.
Erdogan hatte sich über das Plakat empört und die Demonstration als «Versammlung von Terroristen» bezeichnet. Wegen des Vorfalls bestellte die türkische Regierung am Sonntag den Schweizer Botschafter in Ankara ins Aussenministerium ein.
Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Türkei ist vor dem Verfassungsreferendum gespannt. Die Schweizer Behörden hatten zuletzt ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Spionage gegen Mitglieder der türkischen Gemeinde eingeleitet.
Die Türken entscheiden am 16. April in einer umstrittenen Volksabstimmung über die Einführung eines Präsidialsystems. Erdogan würde durch die Verfassungsreform weitreichende Vollmachten bekommen.
In der Schweiz, Österreich, Deutschland, Belgien, Dänemark begann die Stimmabgabe der im Ausland lebenden wahlberechtigten Türken bereits am Montag. In einigen Staaten beginnt die Abstimmung in den Auslandsvertretungen später.
Hierzulande stehen in den drei diplomatischen Missionen der Türkei in der Schweiz Urnen für die Abstimmung bereit. Ihre Stimme abgeben können Türkinnen und Türken bis zum 9. April in der Botschaft in Bern sowie in den beiden Generalkonsulaten in Zürich und Genf.
Vor der türkischen Botschaft in Bern ist die Durchfahrt bis zu diesem Datum tagsüber für den Verkehr aus «Sicherheitsgründen» gesperrt, wie Polizeisprecher Jäggi sagte. Die Berner Kantonspolizei beobachte die Lage rund um die Botschaft laufend.
Auch das türkische Konsulat in Zürich wird nach Angaben von Marco Cortesi, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, permanent bewacht. Bis zum 9. April würden mehrere zehntausend Menschen aus verschiedenen Regionen und dem grenznahen Ausland erwartet.
Etwa 130'000 Personen türkischer Herkunft leben in der Schweiz, rund 95'200 sind wahlberechtigt. Fast die Hälfte der knapp drei Millionen registrierten wahlberechtigten Türken im Ausland leben in Deutschland. (nfr/sda/dpa/afp)