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Die SBB streicht jeden dritten Schalter

THEMENBILD --- SBB Strecke zwischen Sursee und Luzern, im Bild der Bahnhof Nottwil, aufgenommen am 17.April 2013. Die SBB engagiert sich in der Suizidpraevention. Im Fokus stehen dabei die Kommunikati ...
An kleinen Bahnhöfen wie Nottwil LU gibt es Billette nur noch via Automat oder App. Der Verkauf in der Post wird 2018 eingestellt.Bild: KEYSTONE

SBB streicht jeden dritten Schalter – Drei Kantone sind besonders betroffen

Die SBB treiben den Abbau bedienter Verkaufsstellen voran, weil der Verkauf dort fast keine Rolle mehr spielt. Bei Gewerkschaften und Bahn-Aktivisten stösst dies auf Widerstand.
18.09.2016, 00:2119.09.2016, 13:15
<a href="http://www.schweizamsonntag.ch/suche/autor/Yannick+Nock">Yannick Nock</a>, <a href="http://www.schweizamsonntag.ch/suche/autor/Andreas++Maurer">Andreas Maurer</a>,&nbsp;<a href="http://www.schweizamsonntag.ch/suche/autor/Patrik+M%FCller" class="">Patrik Müller</a>&nbsp;/ schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

An kleinen Bahnhöfen wie Muttenz BL, Uetikon ZH oder Neuenhof AG gibt es ab dem 1. Januar 2018 nur noch Billette aus der Maschine. Betroffen sind 52 Bahnhöfe, an denen die SBB den Ticketverkauf ausgelagert haben. Post, Migrolino und Avec haben den Kunden bislang Billette angeboten. Nun streichen die SBB auch diese Ersatzlösungen. Der «Schweiz am Sonntag» liegt die Liste der betroffenen Bahnhöfe vor. Sie zeigt, dass der Abbau vor allem in den Kantonen Zürich, Thurgau und St.Gallen stattfindet.

Das Ende der 52 Partner-Verkaufsstellen ist der vorläufige Höhepunkt einer grösseren Entwicklung. Die Ticketschalter verschwinden aus den Schweizer Bahnhöfen, langsam, aber stetig. 2005 verkaufte das SBB-Personal noch Billette an 262 Haltestellen. Heute sind bediente Schalter nur noch an 176 von 794 Bahnhöfen vorhanden. Damit schlossen die SBB in nur zehn Jahren jede dritte Verkaufsstelle. Nur noch an jedem fünften Bahnhof können Billette bei Personal gekauft werden.

Hier gibt es ab 2018 nur noch Billette vom Automaten:
AG
Aarburg-Oftringen
Neuenhof
Sins
BE
La Neuveville
St-Imier
BL
Gelterkinden
Muttenz
GL
Näfels-Molis
LU
Nottwil
Reiden
Rothenburg Dorf
SG
Altstätten
Bad Ragaz
Flawil
Goldach
Jona
Rorschach Hafen
Schänis
Schmerikon
SH
Neuhausen
TG
Altnau
Bischofszell Stadt
Bürglen
Diessenhofen
Ermatingen
Eschlikon
Islikon
Kreuzlingen Hafen
Münsterlingen-Scherzingen
Sirnach
Steckborn
Sulgen
TI
Airolo
Giubiasco
ZH
Au
Bassersdorf
Birmensdorf
Elgg
Hedingen
Mettmenstetten
Niederhasli
Niederwenigen
Oberglatt
Oberrieden Dorf
Ossingen
Räterschen
Seuzach
Uetikon
Wiesendangen
Wila
Wipkingen
quelle: schweiz am sonntag

Spielt praktisch keine Rolle mehr

Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr, geht davon aus, dass der Trend anhält. Einerseits weil der öffentliche Verkehr unter Kostendruck stehe, andererseits weil der bediente Billettverkauf praktisch keine Rolle mehr spiele.

Allein im vergangenen Jahr haben die SBB via Internet und App 40 Prozent mehr Tickets als im Vorjahr verkauft. Das sind über 18 Millionen Billette. Damit befindet sich der Online-Verkauf erstmals auf dem Niveau der bedienten Schalter, die 19,8 Millionen Tickets absetzten. Spitzenreiter sind die Automaten mit 48 Millionen Billetten.

SBB-Sprecher Daniele Pallecchi rechtfertigt den Abbau: «Der Bund verlangt, dass wir haushälterisch mit unseren Mitteln umgehen.» Bei den Billettkäufen sei ein massiver technologischer und gesellschaftlicher Wandel im Gange. «Wenn vier von fünf Billetten nicht am Schalter gekauft werden, ist es logisch, dass wir die Absatzzahlen unserer Verkaufsstellen regelmässig überprüfen», sagt er. Die Sicherheit an den Bahnhöfen bleibe aber gewährleistet.

Angst vor dem «Geisterbahnhof»

Dennoch regt sich nun Widerstand gegen das Schaltersterben. «Wir haben entschieden, eine Petition zu machen gegen die Schalterschliessungen bei den SBB», sagt Matthias Müller vom Verkehrsclub Schweiz (VCS). Innerhalb nicht einmal ganz einer Woche hätten die Petition 2500 Personen unterzeichnet.  

«Die Entwicklung ist beunruhigend», sagt auch Peter Moor, Sprecher der Gewerkschaft des Verkehrspersonals. Die SBB würden die Bahnhöfe viel zu stark «enthumanisieren». Andere sprechen von Geisterbahnhöfen. «Menschen werden durch Maschinen ersetzt», sagt Moor, «dabei schätzen die Passagiere den persönlichen Kontakt.»

Auch die Gewerkschaft rechnet damit, dass in den kommenden Jahren noch viele bediente Schalter geschlossen werden. Der Abbau zeichne sich bereits durch kürzere Öffnungszeiten ab, wie sie diese Woche für das Reisezentrum Glarus verkündet wurden. Auf diese Weise würde erst der Umsatz reduziert und dann der Schalter früher oder später geschlossen, sagt Moor. «Es ist immer das gleiche Muster.»

Auch grössere Bahnhöfe könnten bald vom Abbau betroffen sein. In der kommenden Woche wollen die SBB weitere Details zum Sparprogramm «Rail Fit» verkünden. Bis 2020 sollen 550 Millionen Franken eingespart und mindestens 900 Stellen abgebaut werden. Für 2030 und darüber hinaus sieht der Konzern zudem eine Kostenreduktion von 1,75 Milliarden Franken vor. Davon dürften auch Schalter betroffen sein. «Wir werden uns gegen überrissene Pläne wehren», kündigt Moor an. «Wenn alle anderen Mittel nichts nützen, sind wir auch bereit, zu streiken.»

Kritik an Busse bei Versehen

Kurt Schreiber, Präsident des Vereins Pro Bahn, ist schon einen Schritt weiter. Er bereitet eine Resolution vor. Schreiber verlangt von den SBB Kompensationen für die Schalterschliessungen. Vor allem ältere Menschen hätten Mühe, via App oder Automat ihr Billett zu lösen. Dabei würden ihnen häufiger Fehler passieren als bei der Bestellung am Schalter. So würden sie zwar den richtigen Zielort, aber die falsche Strecke wählen. Trotz gültigem Billett müssen sie dann einen Zuschlag von hundert Franken zahlen.

Schreiber fordert, dass diese «Busse» abgeschafft wird. «Auch die Post schliesst viele Schalter. Doch wenn ich den Einzahlungsschein falsch ausfülle, muss ich auch nicht einen Zuschlag von hundert Franken zahlen.»

(trs)

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37 Kommentare
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Hierundjetzt
18.09.2016 00:28registriert Mai 2015
Das mit den komplizierten Automaten verdanken wir aber dem Kassensturz. Die SBB wollte nur eine Strecke am Automaten anbieten.

Der Kassensturz beschwerte sich, da der Kunde so keine ausreichende Wahlmöglichkeit habe.

Tja, jetzt haben wir den Salat :(
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Brummbaer76
18.09.2016 03:43registriert Januar 2015
Naja wenn ich einen Einzahlungsschein falsch ausfülle, zahle ich zwar der Post keine Busse. Wenn ich Pech habe geht das Geld ans falsche Ort und ich darf die Kosten für die Umtriebe Zahlen.
Nicht jeder Vergleich ist ein guter Vergleich.
So wird der Protest nicht ernst genommen.
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Tschoumen
18.09.2016 00:58registriert April 2014
Vor nicht allzulanger Zeit wollte ich sehr kurzfristig von Basel nach Venedig reisen. Jedoch war der Schalter in Basel bereits geschlossen und ich musste die Reise sausen lassen... Ab wann kann ich internationale Tickets am Automat oder im Internet kaufen???
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