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Anruf beim «Nelson Pub» in Zürich, ich werde auf Englisch begrüsst. Ich verlange jemanden vom Management – und das ist am Apparat. Ob der Mann kurz Zeit habe, frage ich. «Für Kunden habe ich immer Zeit», so die Antwort. Es ginge um den Artikel vom «Blick», laut dem ein schwules Paar ohne Grund aus der Bar geworfen wurde, beginne ich. Der Barbetreiber lässt durchblicken, er habe schon genug darüber reden müssen.
Als ich ihm sage, dass ich das weitere Gespräch aufnehmen will, kommt sozusagen Bewegung in die Sache. Jemand anderes kümmere sich um die Presse-Anfragen, es sei gerade auch sehr viel los. Ich gebe ihm meine Nummer. Nun heisst es, vielleicht würde ich auch erst morgen zurückgerufen. Und dann wünscht man mir einen schönen Abend.
Deutlich kommunikativer ist da das betroffene Paar. «Wir haben Freunde getroffen und kamen so kurz nach ein Uhr in den Pub», erinnert sich Kory Kalnasy. Der Amerikaner ist seit zweieinhalb Monaten in Zürich und besuchte die Bar mit seinem dänischen Freund Martin Andersen. «Wir haben ein bisschen was getrunken, getanzt und Spass gehabt. Irgendwann kam mein Freund zu mir und hat mich geküsst.» Das war gegen 3.30 Uhr.
Es seien harmlose Küsschen gewesen, versichert der 23-Jährige. «Aber dann griff mich jemand am Arm. Dann sah ich diesen Türsteher, ein zweiter Türsteher schnappte sich Martin. Wir fragten, was los sei und wollten den Grund wissen, warum sie uns rausschmissen. Der Typ sagte: ‹Ihr wisst ganz genau warum.›» Kalnasy hatte verstanden: «Der Grund ist, dass ihr homophob seid!» Der Türsteher blieb bei seiner Antwort: «Ihr kennt den Grund.»
Weil Kalnasy sich darüber aufregte, zogen ihn seine Freunde beiseite und die Gruppe verschwand. Der «Nelson Pub» hat inzwischen auf seiner Homepage eine Stellungnahme veröffentlicht. Der Türsteher schilderte demnach den Vorfall ganz anders: «Die beiden seien sich sich in einer Ecke des Lokals auf physische Weise nähergekommen, die wir auch bei heterosexuellen Paaren nicht akzeptieren», heisst es da.
Sind sich die beiden wirklich wie beschrieben «in einer Ecke» physisch nähergekommen? «Nein, wir haben auch nicht unsere Hüften aneinandergerieben, sondern getanzt – so wie alle anderen Paare auch. Im Gegenteil: Einige heterosexuelle Paare waren sehr viel intimer als wir.» Zudem habe sich das Paar auch nicht permanent «in einer Ecke» verlustiert.
Die Diskriminierung Homosexueller sei leider an der Tagesordnung, sinniert Kalnasy. Er habe persönlich aber sowas noch gar nicht erlebt – auch nicht in der Schweiz, wo er – mit eben einer Ausnahme – immer höchst freundlich behandelt werde. Und hier bekommen sie unerwartet Rückendeckung: Die Jusos haben heute um 18 Uhr zu einem «Kiss In» vor dem Pub aufgerufen.
Von der Aktion erfahren Andersen und Kalnasy erst durch watson. «Ist nicht wahr!», ruft der Amerikaner erfreut aus. «Es ist gut zu hören, dass die Community für die Sache einsteht. Es sollte bei allen Dingen so sein, bei denen Leute ungerecht behandelt werden.»
Ein schwules Duo setzt sich für seine Rechte ein: Was würde Kalnasy Leuten sagen, die das Paar auf homosexuelle Lifestyle-Hedonisten reduzieren? «Schaut hinter die Oberfläche! Die Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen. Am Ende sollte man einander einfach respektieren, das kann doch nicht so schwer sein.»
Er ergänzt noch: «Ich kann doch recht genaue Angaben zu allem machen. Warum sollte ich lügen? Fragen Sie doch, ob es Überwachungskameras gibt.»
Da hatte ich vor und reiche die Frage am Folgetag an den Kommunikationsverantwortlichen des «Nelson Pubs» weiter, der sich doch noch wie versprochen meldet. Die würde es, wenn überhaupt, nur für den Eingangsbereich geben, lautet seine Antwort. Weiter verweist er auf die Online-Stellungnahme: Es bleibt also dabei, dass die Türsteher unangebrachtes Verhalten ausgemacht haben wollen – und Aussage steht gegen Aussage.
Andrea Simonett, der die Arbeitsgruppe Gleichstellung der Juso Kanton Zürich leitet, sieht in dem Vorfall «eine tragische Bestätigung, dass es im öffentlichen Raum für nicht heterosexuelle Menschen noch immer Probleme und Gefahren gibt, die sie in ihrer Freiheit einschränken.» Dass der harmlose Akt eines Kusses, eine derartige Reaktion der Sicherheitsleute des Nelson Pubs hervorruft, findet Andrea Simonett «traurig und unakzeptabel.»
«Gegen dieses Verhalten wollen wir nun protestieren», begründet das Juso-Mitglied das öffentliche «Kiss In». Bei dieser Aktion handelt es sich um eine Form des friedlichen Protests, bei dem Queers jedweder Coleur auf offener Strasse Küsse austauschen und damit den öffentlichen Tabubruch des gelichgeschlechtlichen Kusses zelebrieren.
«Alle Menschen sollen ihre sexuelle und romantische Orientierung so zeigen können, so wie es für sie stimmt. Nicht Angst, sondern allgemeine Rücksicht soll das Verhalten aller bestimmen», fasst Simonett zusammen und fügt an: «Da die Diskriminierung aufgrund eines Kusses statt fand, verwenden wir dieses Symbol für unseren Protest.»