Schon nach der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Südkorea war Pita Taufatofua ein Medienstar. Der 34-Jährige aus Tonga schaffte es, sich zwei Jahre nach der Teilnahme als Taekwando-Kämpfer an den Olympischen Sommerspielen in Rio auch für die Winterspiele zu qualifizieren. Dass er dann im frostigen Pyeongchang an der Eröffnungsfeier wie im warmen Brasilien mit nacktem, eingeölten Oberkörper die Flagge seines Landes ins Stadion trug, machte Taufatofua endgültig zu einer globalen Figur.
Nun gilt es ernst für den Langläufer: Sein Wettkampf über 15 Kilometer in der Skating-Technik steht an (am Freitag, ab 07.00 Uhr Schweizer Zeit). Es wird ein hartes Stück Arbeit für ihn, so viel ist Pita Taufatofua klar. Denn wenn die Favoriten wie sein langläuferisches Vorbild Dario Cologna schon im Ziel sind, wird die Startnummer 110 noch lange im Einsatz sein. «Ich werde eine halbe Stunde oder 40 Minuten nach ihnen ins Ziel kommen», sagte der Olympia-Exot aus der Südsee über seine «Gegner», die er als «absolute Monster» bezeichnete.
Schnee sah Taufatofua vor zwei Jahren zum ersten Mal in seinem Leben. Entsprechend gering ist seine Langlauf-Erfahrung. Seine Technik ist, nun ja, ausbaufähig. Dafür habe er einen enormen Kampfgeist, entgegnete der Sportler: «Ob ich von der Strecke fliege, Letzter werde oder gegen einen Baum fahre – ich gebe nicht auf. Niemals.» Auch Stürze würden ihn nicht aufhalten. «In jeder einzelnen Trainingseinheit und in jedem Rennen» sei er hingefallen.
Topless Tongan flag-bearer Pita Taufatofua makes his Winter Olympic debut on Feb. 16 in cross-country skiing, and it's fair to say that he's aiming low pic.twitter.com/DKTzAM3zR9
— AFP Sport (@AFP_Sport) 14. Februar 2018
Pita Taufatofua weiss, sich in Szene zu setzen. Er verkaufe «wahrscheinlich die beste Wohlfühlgeschichte der Spiele», beschrieb es Eurosport treffend. Mit viel Charme erzählt er den Reportern, was sie hören wollen. «Ich habe einen Schneemann gebaut. Es war viel schwieriger als im Fernsehen», sagte er beispielsweise über seinen ersten Kontakt mit der kalten weissen Materie. Oder er erzählte von den ersten Versuchen auf den schmalen Langlaufski, wie er dabei einen Helm und Knieschoner trug.
Ja, dieser Pita Taufatofua ist einfach eine gute Geschichte. Auch deshalb, weil man ihm glaubt, was er sagt. Er wolle allen Menschen, die eine schwere Zeit durchmachen, Mut machen. «Wenn sie Probleme haben, Schmerzen, Depressionen, dann sollen sie sehen: Gib nicht auf. Kämpfe, kämpfe, kämpfe, dann wirst du da wieder herauskommen.»
Zu seiner Botschaft hinzu kommt die Tatsache, dass er mit Tonga ein vergessenes Stück Welt repräsentiert: ein Land irgendwo im Nirgendwo des unendlichen Pazifiks. Erst vor wenigen Tagen wurde Taufatofuas Heimat von einem schweren Wirbelsturm getroffen, zunächst bangte er um seine Familie. Gestern konnte er via Facebook mitteilen, dass es ihr gut gehe und auch, dass ihr Haus lediglich beschädigt sei. «Aber etwa 40 Prozent aller Gebäude in der Hauptstadt Nuku'alofa sind zerstört.» Er wolle schauen, wie er aus der Ferne helfen könne.
Selbst Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, habe sich bei ihm erkundigt, wie es der Familie gehe und er habe Tonga angeboten, beim Wiederaufbau zerstörter Sportstätten unter die Arme zu greifen, schrieb der Langläufer. «Nach dem Zyklon haben wir nichts mehr, nun haben wir wieder ein wenig Hoffnung. Genau darum ist Thomas Bach Präsident des IOC.» Dem Deutschen kommt positive Publicity angesichts seines fragwürdigen Verhaltens in der Affäre um das russische Staatsdoping bestimmt nicht ungelegen ...
Wenn es morgen in die Loipe geht, dann ist Pita Taufatofua ganz auf sich alleine gestellt. Seinen Zieleinlauf jedoch werden Millionen Fans auf der ganzen Welt interessiert mitverfolgen. Dass er auch wirklich ankommt und die 15 Kilometer übersteht, das steht für den Langläufer ausser Frage. «Wir sagen: ‹Stirb für Tonga!› Aber eigentlich heisst das: Gib niemals auf. Das ist die Botschaft aus Tonga für die Welt.»