Alabama liegt im tiefen Süden der USA. Die ehemalige Sklaverei-Hochburg ist einer der konservativsten US-Bundesstaaten und damit eine Bastion der Republikaner. Seit 1992 hat kein Demokrat mehr einen Sitz im US-Senat in Washington erobert. Das könnte sich bei einer Nachwahl am Dienstag ändern, die auch ein wichtiger Test für US-Präsident Donald Trump ist.
Jeff Sessions, der Alabama bislang im Senat vertreten hat, wurde von Donald Trump zum Justizminister ernannt. Für seinen Sitz musste deshalb eine ausserordentliche Wahl angesetzt werden. Sie findet am Dienstag statt. Als «Übergangslösung» ernannte der republikanische Gouverneur von Alabama seinen bisherigen Justizminister Luther Strange zum Senator. Er wollte auch bei der Nachwahl antreten und sich so vom Stimmvolk bestätigen lassen.
Trotz Unterstützung der Parteiführung und von Präsident Trump verlor Strange jedoch Ende September in der Vorwahl der Republikaner deutlich gegen den ultrakonservativen Ex-Richter Roy Moore. Sein Gegner ist der Demokrat Doug Jones, ein früherer Staatsanwalt. Er machte sich einen Namen mit der Verurteilung von Mitgliedern des Ku Klux Klan, der 1963 einen Bombenanschlag auf eine Kirche in Birmingham verübt hatten, bei dem vier schwarze Mädchen ums Leben kam.
Der 70-jährige Jurist ist ein stramm rechter Evangelikaler. Er war zweimal Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs von Alabama und wurde beide Male seines Amtes enthoben. Das erste Mal, weil er sich weigerte, einen Granitblock mit den zehn Geboten aus dem Gerichtsgebäude entfernen zu lassen, womit er gegen die verfassungsmässige Trennung von Religion und Staat verstiess.
Die zweite Absetzung fand vor zwei Jahren statt. Moore hatte die Richter in seinem Bundesstaat angewiesen, keine homosexuellen Paare zu trauen, obwohl der Supreme Court in Washington die Homo-Ehe im ganzen Land legalisiert hatte. Roy Moore bezeichnet Homosexualität als «Verbrechen gegen die Natur». Er verachtet den Islam und lehnt die Evolutionslehre ab.
Unter Druck geriet Moore im Wahlkampf durch die Anschuldigungen mehrerer Frauen, er habe sie im Teenager-Alter sexuell belästigt. Leigh Corfman, sein jüngstes Opfer, soll erst 14 Jahre alt gewesen sein. Roy Moore habe sie 1979 als 32-Jähriger dazu gebracht, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, sagte die Frau dem Sender NBC. Danach habe er sie am ganzen Körper berührt. Moore bestreitet die Vorwürfe vehement. Seine Gegner bezeichnen ihn als «pädophil» und als «Kinderschänder».
Ursprünglich unterstützte der Präsident wie erwähnt den Parteikandidaten Luther Strange, während sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon auf Roy Moore setzte. Donald Trump zögerte lange, sich hinter ihn zu stellen, nicht zuletzt wegen des Sexskandals. Der Präsident sei wegen der Vorwürfe «sehr besorgt», teilte das Weisse Haus mit.
Democrats refusal to give even one vote for massive Tax Cuts is why we need Republican Roy Moore to win in Alabama. We need his vote on stopping crime, illegal immigration, Border Wall, Military, Pro Life, V.A., Judges 2nd Amendment and more. No to Jones, a Pelosi/Schumer Puppet!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 4. Dezember 2017
Vor einer Woche rief Trump auf Twitter jedoch zur Wahl des umstrittenen Republikaners auf. Hauptgrund sind die knappen Mehrheitsverhältnisse im Senat. Bei einer Niederlage von Roy Moore würden die Republikaner nur noch über 51 der 100 Sitze verfügen. Trump hätte es dann noch schwerer, seine Vorhaben durch den Kongress zu bringen.
Die meisten Erhebungen gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus, was bereits ein Erfolg für die Demokraten ist. Donald Trump lag bei der Präsidentschaftswahl 2016 in Alabama fast 28 Prozentpunkte vor Hillary Clinton. Auch jetzt scheint der Republikaner Roy Moore immer noch einen leichten Vorsprung zu haben, trotz der Vorwürfe wegen «Kinderschändung».
Beobachter erklären dies mit den speziellen Verhältnissen im christlich-konservativen Südstaat. Viele wollen die Anschuldigungen gegen Moore einfach nicht glauben. Andere wollen ihn als «kleineres Übel» trotzdem wählen. Lieber ein strammer, wenn auch «beschädigter» Republikaner in Washington als ein Demokrat, der wie Doug Jones das Recht auf Abtreibung befürwortet.
Nach dem sensationellen Wahlsieg von Donald Trump lag die Partei am Boden. Nun wittern die Demokraten ihre Chance auf den grossen Coup, nachdem sie bereits Anfang November bei wichtigen Wahlen gesiegt hatten. Mit einer gross angelegten Last-Minute-Kampagne versuchen sie, insbesondere die schwarzen Wählerinnen und Wähler für Doug Jones zu mobilisieren.
Unerwartete Unterstützung erhielten sie am Sonntag von Richard Shelby, dem zweiten Senator des Bundesstaats. «Ich konnte Moore nicht wählen. Der Staat Alabama verdient Besseres», sagte der Republikaner ausgerechnet auf Trumps Hass-Sender CNN. Shelbys Votum wurde von Doug Jones' Wahlkampfteam für automatisierte Telefonanrufe an republikanische Haushalte verwendet.
Doch selbst bei einer Niederlage ihres Kandidaten könnten die Demokraten profitieren. Falls Roy Moore in den Senat einzieht, dürfte er für Zwietracht bei den Republikanern sorgen. Bereits kursieren Szenarien, wonach er wegen ethischem Fehlverhalten seines Amtes enthoben werden soll. Was den Republikanern den Zorn ihrer evangelikalen Wählerschaft bescheren könnte.
Ein Wahlsieg von Moore könnte zudem den Plänen von Steve Bannon Auftrieb geben. Der ultranationalistische Breitbart-Chef will bei den Kongresswahlen im nächsten Herbst jene republikanischen Senatoren herausfordern, die nach seiner Meinung zu wenig Trump-treu sind. Und das sind praktisch alle mit Ausnahme des ultrarechten Texaners Ted Cruz.
Ein innerrepublikanischer «Bürgerkrieg» wäre ein Geschenk des Himmels für die Opposition. Denn eigentlich müssen die Demokraten im November 2018 mehr Senatssitze verteidigen als die Republikaner, einige davon in Pro-Trump-Bundesstaaten. Die Kontroverse um den «Kinderschänder» Roy Moore könnte ihnen so oder so helfen, die Kontrolle über den Kongress zu erobern.