International
Brexit

Brexit: EU steht Theresa May bei – und wappnet sich für ein Scheitern

May verärgert EU-Kollegen – trotzdem steht ihr die EU bei

14.12.2018, 05:3014.12.2018, 08:14
Mehr «International»

Die britische Premierministerin Theresa May hat mit ihrem Auftritt bei den Brexit-Beratungen für Kritik im Kreis ihrer Kollegen gesorgt. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel beklagte nach Abschluss der Beratungen am Donnerstagabend, May habe ihre Erwartungen an die EU nicht konkret genug formuliert. «Wir müssen auch mal wissen, was genau London will», sagte Bettel. «Wir sind heute nicht viel weitergekommen.»

epa07229029 British Prime Minister Theresa May arrives at the European Council in Brussels, Belgium, 13 December 2018. During their two days summit, European leaders will focus on the 'Brexit&#03 ...
Theresa May.Bild: EPA/EPA

Bettel warnte die britische Premierministerin davor, die Geduld der EU-Partner durch eine Hinhaltetaktik überzustrapazieren. «Wir werden nicht Gipfel auf Gipfel auf Gipfel machen», sagte er. «Wir müssen jetzt wissen, was London will, und dann werden wir entscheiden.»

«Ich brauche Klarstellungen»

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte die britische Regierung auf, in den kommenden Wochen zu klären, was genau sie von Brüssel erwarte. «Unsere britischen Freunde müssen uns sagen, was sie wollen, anstatt uns zu fragen, was wir wollen», sagte er. «Ich brauche Klarstellungen.» Die Diskussion sei «mitunter nebulös und unpräzise». Es gehe nicht an, dass Grossbritannien erwarte, dass die EU «die Lösungen liefert».

epa07228648 German Federal Chancellor Angela Merkel arrives for the the European Council in Brussels, Belgium, 13 December 2018. During their two days summit, European leaders will focus on the ' ...
Angela Merkel am Mittwoch in Brüssel.Bild: EPA/AFP/POOL EPA

Noch deutlicher wurde die Kritik in EU-Kreisen formuliert. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe die Premierministerin während des Vortrags mehrfach unterbrochen und zur Präzisierung ihrer Haltung aufgefordert, hiess es. Die Stimmung sei «sehr schlecht» gewesen. Die EU-Chefs hätten der Premierministerin einige Wochen Zeit gegeben, um darzulegen, «was die Briten wollen».

Neue Zusicherungen

Trotz der Kritik hat die EU Grossbritannien neue Zusicherungen gemacht, um die Brexit-Blockade im Londoner Parlament aufzubrechen. Premierministerin Theresa May beteuerte in Brüssel ihre Zuversicht, dass der EU-Austrittsvertrag im Unterhaus noch eine Mehrheit finden werde.

In einer Erklärung beim Brüsseler Gipfel erklärten die 27 bleibenden EU-Länder am späten Donnerstagabend, dass es zu dem Abkommen zwar keine «Neuverhandlungen» geben könne. Die EU sei aber «fest entschlossen», mit London schnell Verhandlungen über eine Vereinbarung aufzunehmen, um eine in Grossbritannien umstrittene Auffanglösung für die irische Grenze zu verhindern.

Sollte der sogenannte Backstop dennoch gebraucht werden, «würde er nur befristet angewandt, bis er durch eine Folgelösung ersetzt würde, die sicherstellt, dass eine harte Grenze vermieden wird», heisst es in dem Beschluss. In diesem Fall würde die EU alle Kräfte einsetzen, um ein Folgeabkommen schnell zu verhandeln und abzuschliessen. Dasselbe würde man von Grossbritannien erwarten, «so dass der Backstop nur so lange wie irgend nötig in Kraft wäre.»

Damit versucht die EU britische Sorgen zu entkräften, dass der Backstop zur Dauerlösung würde. Strikte Brexit-Befürworter fürchten, dass Grossbritannien damit auf Dauer eng an die EU gebunden bliebe und keine eigenen Handelsverträge abschliessen könnte.

Unter anderem deshalb zeichnet sich im britischen Unterhaus keine Mehrheit für das Austrittsabkommen ab. May hatte diese Woche die Abstimmung des Parlaments über den mit der EU vereinbarten Vertrag abgesagt, weil keine Mehrheit dafür in Sicht war.

epa07229982 European Commission President Jean-Claude Juncker gives a press conference at the end of first day at the European Council in Brussels, Belgium, late 13 December 2018. During their two day ...
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.Bild: EPA/EPA

EU arbeitet an Plan B

Grossbritannien will die EU am 29. März 2019 verlassen. May appellierte an ihre EU-Kollegen, «diesen Deal über die Ziellinie zu bekommen». Dafür sei es nötig, den Eindruck zu zerstreuen, dass der Backstop eine «Falle sein könnte, aus der Grossbritannien nicht entfliehen könnte», sagte May nach Angaben von Diplomaten in der Sitzung. Niemand sollte riskieren, dass Grossbritannien «aus Versehen» ohne Vertrag aus der EU ausscheide – mit allen negativen Folgen.

Weil dies nicht ausgeschlossen ist, kündigte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker an, dass die EU-Kommission am kommenden Mittwoch die Vorbereitungen für ein No-Deal-Szenario präsentieren werde.  (sda/afp/dpa)

Das sagen die Briten zum Brexit-Chaos

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Baba ♀️
14.12.2018 07:00registriert Januar 2014
«Wir müssen auch mal wissen, was genau London will»

Ich bekomme mehr und mehr den Eindruck, dass 'London das selbst nicht so genau weiss. Versprochen wurde den Brexiteers den Fünfer, das Weggli und den Bäcker dazu, aber dass das nicht geht, weiss Theresa May nur allzu gut. Alles in allem eine mehr als verfahrene Situation und TM ist um ihren Job wirklich, wirklich nicht zu beneiden.

Beim ganzen ist mehr als störend, dass jene, die die Suppe eingebrockt haben, sich nach dem Ja einfach aus dem Staub gemacht haben. Allen voran der Brandstifter Farage.

To be continued, es bleibt interessant.
576
Melden
Zum Kommentar
avatar
Majoras Maske
14.12.2018 07:28registriert Dezember 2016
Wir Europäer leben in einer Oase der Kuscheldiplomatie. Diese zu verlassen, bedeutet auch in einem raueren Klima anzukommen. Dieser Deal, kein Brexit oder kein Deal sind die einzigen Optionen. Es wäre am britischen Parlament die am wenigste schlimme Option auszuwählen. Tut es aber nicht, weil alle ihr Machtkalkül über das Wohl des Landes stellen. Denkbar schlecht um "eigenständig" in rauerem Klima zu überleben.
236
Melden
Zum Kommentar
6
Er reinigt seit Jahren ehrenamtlich die Strände am Gardasee – jetzt wird er dafür gebüsst

Italien lädt nicht nur zum Urlaub am Meer ein. Das Land ist auch wegen des kulinarischen Angebots und der vielen Seen ein Magnet für zahlreiche Touristen aus aller Welt. Der Gardasee ist mit einer Fläche von 370 Quadratkilometern der grösste See Italiens und bietet Strände, Gastronomie sowie verschiedenste Wassersportmöglichkeiten.

Zur Story