Als die Obamas 1989 ihr erstes Date in Chicago haben, schauen sie sich am Ende eines langen Tages voller Ausstellungen, Spaziergänge, Schokoladen-Eis und dem ersten Kuss «Do the Right Thing» von Spike Lee an. Und Michelle beschliesst, dass Barack the right thing ist. «Er machte alles richtig, er war hip, total informiert, kulturinteressiert, sensibel», sagt sie später über ihren Mann an jenem Tag. Auch Spike Lees neuer Film «BlacKkKlansman» hat wieder mit Obama zu tun und erst noch viel direkter. Doch dazu später.
Die Geschichte, die der Film erzählt, ist sensationell, komplett verrückt, grossartig gespielt – und erst noch (grösstenteils) wahr: 1978 und 1979 arbeitet der enorm vorlaute und selbstbewusste Ron Stallworth (John David Washington) in Colorado Springs als verdeckter Ermittler. Ron ist schwarz. Weshalb er zuerst in die schwarze Studentenbewegung eingeschleust wird und von innen heraus einen charismatischen Bürgerrechtler beschattet. Logisch, dass er sich sofort in die schöne Studentenführerin Patrice (Laura Harrier) verliebt, gemeinsam ergehen sie sich in den Pop-Fantasien der Blaxploitation-Filme, und Ron wird durch die Liebe politisiert.
Im Job setzt er zum Stunt seines Lebens an: Er bewirbt sich beim Ku-Klux-Klan. Am Telefon täuscht er den Ortsgruppenführer mit einer rassistischen Tirade und schwört, ein weisser, nichtjüdischer Amerikaner zu sein. Sein weisser, aber jüdischer Kollege Philipp «Flip» Zimmerman (Adam Driver) wird zum weissen Ron und zum Klanmitglied. Es ist Blackface einmal umgekehrt.
Eine vielschichtige Täuschungs- und Entlarvungs-Komödie entspinnt sich, der weisse Ron entgeht nur knapp einem «Juden-Detektor»-Test, der schwarze Ron erledigt im Hintergrund derart virtuos die Kommunikationsarbeit, dass er von David Duke (Topher Grace), dem landesweiten Klan-Chef zu einem Treffen geladen wird. Duke verwendet gern die Worte «America» und «great» in einer Kombination, die wir bestens kennen.
Dann schreitet der Klan zum Anschlag auf die schwarzen Studenten, oder wie es die fanatische Frau des Ortsgruppenführers vor dem Einschlafen selig formuliert: «Wir haben so lange darauf gewartet, Nigger zu töten, jetzt passiert es endlich.» Das ist noch immer lustig, noch immer Teil einer schnellen, manchmal etwas holzschnittartig gezeichneten Komödie – natürlich sind die Schwarzen schön, cool und schlau und die Klan-Mitglieder bescheuerte, rückständige Rednecks.
Doch dann kommen die Schockmomente: Der schwarze Ron entdeckt die Zielscheiben, auf die sein weisses Alter Ego einen Tag lang mit dem Klan schiessen musste, es sind groteske Karikaturen von Schwarzen. Und der grosse Harry Belafonte spielt den Altaktivisten Jerome Turner und erzählt den Studenten im Detail, wie es war, als 1916 Jesse Washington gelyncht wurde – erst kastriert, die Finger abgehackt, dann über einem Feuer stundenlang geröstet, bis er tot war. Tausende bejubelten das. Eine amerikanische Realität.
Und so passiert noch allerlei, Stallworth und Zimmerman versetzen dem Klan einen empfindlichen Schlag, immer wieder schimmert undiskret Trump durch die Reden der Rechten. Kurz vor Schluss werden Ron und Patrice mit gezückter Waffe in einer Pose klassischer Blaxploitation-Helden in einem Zeitkanal in Richtung Zukunft gesogen. Am Ende des Kanals brennt ein Kreuz, der Klan tanzt, die bösen weissen Männer sind noch lang nicht tot. History repeating. Die coole Pop-Pose der beiden Jungen trifft auf die brachiale Archaik der Untoten – ein unheimlicher Moment.
Das würde als Schluss genügen, das wäre ein mitreissender Film mit zwei wundervollen Hauptdarstellern gewesen. Adam Driver kennen wir seit «Girls» eh als Gottesgeschenk, John David Washington ist der hochbegabte Sohn des grossen Denzel (an der Seite seines Vaters hatte er schon in Spike Less «Malcolm X» eine winzige Rolle als Schüler), Stallworth ist seine erste richtig grosse Rolle, lange war sein Job der eines Profi-Footballers.
Doch Spike Lee braucht noch ein bisschen zeitgenössisches Extradrama und zeigt Aufnahmen von Charlottesville im August 2017, als Amerikas Rechteste – darunter viele Ku-Klux-Klan-Mitglieder – marschierten und mit einem Auto in die Gegendemonstranten fuhren. Trumps grösster Fan, der echte David Duke, ist auch dabei, und Trump selbst sagt: «You had some very bad people in that group, but you also had people that were very fine people, on both sides.» Sowas Ähnliches hatten wir schon zu Beginn des Films von der Polizei in Colorado Springs gehört, die sich nicht ganz sicher war, welche Radikalen denn nun eigentlich schlimmer seien, die weissen oder nicht doch lieber die schwarzen. Eine hübsche Klammer. Aber unnötig pathetisch und auch nicht auf allen Vergleichsebenen wirklich korrekt.
Allerdings hat Spike Lee selbst eine pathetische Beziehung zu den Ereignissen von Charlottesville: Am 13. August klebt er fassungslos vor dem Fernseher, geht zur Erholung in den Garten, der ganz zufällig an den Golfplatz der Obamas anschliesst, sieht den Secret Service und mittendrin Obama, sagt: «Mr. President, wissen Sie, was in Charlottesville gerade geschieht?» Der präsidialste Golfer der Welt hat keine Ahnung. Nachdem Lee ihn informiert hat, twittert er folgendes Zitat von Nelson Mandela:
"No one is born hating another person because of the color of his skin or his background or his religion..." pic.twitter.com/InZ58zkoAm
— Barack Obama (@BarackObama) 13. August 2017
Es ist noch immer der erfolgreichste Tweet der Twitter-Geschichte. In Amerika kam «BlacKkKlansman» am ersten Jahrestag von Charlottesville in die Kinos.
«BlacKkKlansman» erhielt am Filmfestival Locarno den Publikumspreis und läuft ab 23. August im Kino.