Die Sendung «Sportpanorama» des Schweizer Fernsehens dauert 60 Minuten, normalerweise. Am vergangenen Sonntagabend war schon nach 38 Minuten Schluss. Von einem «bösen Erwachen» sprach Moderator Sascha Ruefer. «Sämtliche Gerätschaften sind abgestürzt». Es funktionierten «keine Zuspieler, keine Beiträge, überhaupt nichts.»
Am Sonntagnachmittag war die Weltmeisterschaft der Formel 1 spektakulär entschieden worden, mit einem Überholmanöver auf der allerletzten Runde. SRF konnte in seinem Sportmagazin aber keine eigenen Beiträge dazu ausstrahlen und begnügte sich damit, den Schluss des Autorennens noch einmal zu zeigen. «Und wir hatten so viel vorgehabt», klagte Ruefer. Ein Totalausfall der Technik: Beim Schweizer Fernsehen wird das zur blamablen Gewohnheit.
Schon die «Tagesschau» um 18 Uhr war im sogenannten Havarie-Modus ausgestrahlt worden – die Sendung musste auf Beiträge der Mittagsausgabe zurückgreifen. «Leider gab es gestern während rund 45 Minuten ein technisches Problem an einer zentralen Komponente des Schnittsystems», sagt Andreas Lattmann, Leiter Planung und Projekte bei der SRF-Abteilung Produktion und Technologie.
Das Schnittsystem Hive von Sony gilt als schwierig in der Anwendung und als pannenanfällig. Schon mehrfach führte es dazu, dass Sendungen nicht rechtzeitig ausgestrahlt werden konnten oder vorzeitig beendet werden mussten. Für die betroffenen Mitarbeiter ist das belastend. Wer unter Zeitdruck Fernsehbeiträge zusammenschneidet, ist darauf angewiesen, dass die Technik zuverlässig ihren Dienst tut.
Beim neuen Schnittsystem ist das nicht der Fall – was das Image des Schweizer Fernsehens zunehmend trübt.
Das Problem führt nun zu einem Konflikt innerhalb der SRG. Denn die Sender in der Westschweiz und im Tessin sollten die gleiche Technologie wie SRF anwenden. Es wäre unsinnig und kostentreibend, wenn die einzelnen Unternehmenseinheiten der SRG mit unterschiedlichen technischen Systemen arbeiten würden.
Der Sender RTS in Genf leistet aber Widerstand. Solange das neue Schnittsystem nicht stabiler betrieben werden könne, ersetze man die bisherige Anwendung lieber nicht – befanden die Zuständigen des Westschweizer Fernsehens.
Mit dieser Position setzt sich RTS teilweise durch. Das System Hive ist bei SRF am Leutschenbach im Einsatz und seit November auch bei RSI im Tessin. In Genf hingegen wurde die Anpassung vor einer Woche nur in der Sportabteilung vollzogen. Der Newsbereich soll erst ab Frühling 2022 mit dem neuen System arbeiten. Genf kämpfte erfolgreich für die Verschiebung.
SRG-Sprecherin Sibylle Tornay erklärt, dass ab Frühling des kommenden Jahres das strategische Ziel erreicht sei, dasselbe moderne System in der ganzen SRG für News und Sport zu verwenden. Das bringe grosse Vorteile für die Betriebskosten und den gegenseitigen Austausch.
Am Leutschenbach nötigt die Haltung der Westschweizer Kolleginnen und Kollegen einigen Mitarbeitern Respekt ab. Ein Angestellter sagt:
Das System Hive sei nicht grundsätzlich unbrauchbar. Aber das Schweizer Fernsehen habe es zu früh eingeführt. Jedes Update führe zu grossen Schwierigkeiten.
Kritische Anmerkungen sind im Personal über den Umstand zu hören, dass der Leiter Produktion und Technologie in seiner beruflichen Laufbahn nie auf dem Gebiet arbeitete, für das er nun zuständig ist. Christoph Gebel war Programmleiter von Radio DRS 1, er war Unterhaltungschef bei SRF – in technische Belange brauchte er sich dabei nicht zu vertiefen. Das kompensiere er damit, dass er stets loyal zu SRF-Direktorin Nathalie Wappler stehe.
Nicht nur das Schnittsystem sorgt für Ärger beim Schweizer Fernsehen. Auch der Bezug des News- und Sportcenters verzögert sich um mehrere Jahre, was die Kosten in die Höhe treibt.
Sascha Ruefer brach am Sonntag das «Sportpanorama» vorzeitig ab. «Weiterhin viel Vergnügen bei unseren spannenden Programmen», sagte er. Die Stimme und die Augen des Moderators verrieten Ironie. (aargauerzeitung.ch)