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Kugelstosser läuft an der WM über 100 m persönliche Bestzeit mit 15,66 s

DAEGU, SOUTH KOREA - AUGUST 27: Sogelau Tuvalu of American Samoa competes in the men's 100 metres preliminary round during day one of the 13th IAAF World Athletics Championships at the Daegu Stad ...
Sogelau Tuvalu rennt den Sprint seines Lebens.Bild: Getty Images AsiaPac
Unvergessen

Alles ausser ein Blitz – Kugelstosser läuft die 100 m an der WM in 15,66 s

27. August 2011: Auf Bahn 7 läuft mit Sogelau Tuvalu ein Athlet, der doppelt so viel Körpergewicht mitschleppt wie seine Konkurrenten. Ausserdem trägt der 17-Jährige keine richtigen Spikes an den Schuhen. Doch der Samoaner trotzt allen Widrigkeiten und erobert die Herzen aller Zuschauer.
27.08.2025, 00:0127.08.2025, 12:44

Die 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2011 finden im südkoreanischen Daegu statt. Im Final über 100 Meter gewinnt Yohan Blake in 9,92 Sekunden vor Walter Dix und Kim Collins. Der Titelverteidiger Usain Bolt wird wegen eines Fehlstarts disqualifiziert.

Doch der absolute Publikumsliebling der WM ist schon drei Tage früher auf der Tartanbahn zu sehen: Sogelau Tuvalu aus Amerikanisch-Samoa. Dabei wollte Tuvalu eigentlich beim Kugelstossen teilnehmen. Was auch vernünftig ist, bei 130 Kilogramm Körpergewicht.

«50'000:1»
Die Wettquote auf einen Sieg Tuvalus bei verschiedenen Wettanbieterndailymail.com

Sprint anstatt Kraft

Doch der 17-Jährige aus Amerikanisch-Samoa übersteht die Qualifikation für seine Paradedisziplin nicht. So entscheidet er nach Rücksprache mit dem Verband, sein Glück bei den Qualifikationsläufen über 100 Meter zu versuchen.

Amerikanisch-Samoa, eine Inselgruppe im Südpazifik, die Heimat von Tuvalu.

Eine besondere Regelung – in Samoa gibt es bei Ausscheidungskämpfen kein Zeitlimit – macht es dem leicht übergewichtigen Sportler möglich, in der Königsdisziplin teilzunehmen. Zum Glück für den Schüler gibt es in seiner Heimat keine wirklich schnellen Kandidaten, so kommt Tuvalu zum Handkuss.

Der Start lässt schon erahnen, dass Tuvalu in einer anderen Liga läuft.
Der Start lässt schon erahnen, dass Tuvalu in einer anderen Liga läuft.Screenshot: YouTube/nissarto

Bestleistung trotz sechs Sekunden Rückstand

Schon kurz nach dem Startschuss liegt der 17-Jährige im Hintertreffen. Ob es daran liegt, dass Tuvalu nicht auf richtige Sprintschuhe zurückgreifen kann?

Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von knapp 23 km/h und einer geschätzten Spitzengeschwindigkeit etwa 28 km/h – spurtet Tuvalu der Ziellinie entgegen. Die Konkurrenz reisst dabei eine Lücke von fast der halben Renndistanz zu Tuvalu auf, was den Teenager aber nicht daran hindert, eine persönliche Bestleistung von 15,66 Sekunden aufzustellen. Heat-Gewinner Mohammad Hadi ist fast sechs Sekunden schneller.

Ein französischer Kommentator meint zu Beginn, dass der Sprinter verletzt ist.Video: YouTube/Nissarto
«Danke Gott, dass das Rennen vorbei ist.»
Sogelau Tuvalu

Nichtsdestotrotz freut sich ein glücklicher Tuvalu über seinen Auftritt: «Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Ich habe an mich geglaubt». Insgesamt einen ganzen Monat lang habe er sich jeden Tag vier Stunden auf das Rennen vorbereitet, gibt er im Interview zu Protokoll.

Ein schnaufender Tuvalu findet, dass das Rennen ziemlich Spass gemacht habe.
Ein schnaufender Tuvalu findet, dass das Rennen ziemlich Spass gemacht habe.Screenshot: Youtube/c4athletics

Tuvalu ist nicht der erste Sprinter aus Amerikanisch-Samoa, der an einer WM für Aufsehen sorgt. 2001 rennt der 133 Kilogramm schwere Trevor «die Schildkröte» Misipeka die 100-Meter in 14,28 Sekunden.

Fünf Hundertstel schneller ist 2009 die 22-jährige Landsfrau Savannah Sanitoa, die sogar noch eine Gegnerin schlägt. Tioiti Katutu aus Kiribati, einem Inselstaat im Pazifik, braucht 14,38 Sekunden.

BERLIN - AUGUST 16: Savannah Sanitoa of American Samoa competes in the women's 100 Metres Heats during day two of the 12th IAAF World Athletics Championships at the Olympic Stadium on August 16,  ...
Savannah Sanitoa benötigt 14,23 Sekunden und bleibt somit deutlich über ihrer PB von 14,07.Bild: Getty Images Europe

Langsamste 100-Meter-Sprinterin der Welt

Die schlechteste Zeit der Geschichte hat Sogelau Tuvalu aber nicht abgeliefert. Dieser unrühmliche Titel gehört einer Frau aus Somalia: Nasra Abukar Ali. Sie vertrat ihr Land an den Welt-Universitätsspielen in China, brauchte dort aber mehr als 20 Sekunden, um ihren Vorlauf zu beenden. Abukar Ali war im Gegensatz zu ihren Konkurrentinnen sichtlich untrainiert.

Das Video der langsamsten Sprinterin der Welt machte im Internet die Runde – und hatte Konsequenzen. Weil Gerüchte aufkamen, dass Abukar Ali eine Verwandte der Präsidentin des nationalen Leichtathletikverbands sei, wurde diese nach einer entsprechenden Forderung des somalischen Sportministers Mohamed Barre Mohamud suspendiert.

Unvergessen
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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
27.08.2020 08:57registriert Oktober 2019
Ein wahres Sportlerherz, zudem ist die Zeit für einen 130kg Brocken durchaus respektabel.
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Die Lauchin
27.08.2020 07:25registriert Oktober 2015
15,66 ist für einen WM-Teilnehmer natürlich aussergewöhnlich langsam. Für alle anderen, die sich möglicherweise amüsieren: 15,66 auf 100 Meter muss man erst mal unterbieten! Soooo langsam ist durchaus nicht.
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Triple A
27.08.2020 09:06registriert November 2018
Ein Kugelblitz!
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