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Kafi! Konsumfreude und Umweltbewusstsein, geht das?

Kann sich diese Frau ernsthaft über den CO² Ausstoss Gedanken machen und gleichzeitig an ein Auto schmiegen? Sie kann!
Kann sich diese Frau ernsthaft über den CO² Ausstoss Gedanken machen und gleichzeitig an ein Auto schmiegen? Sie kann!kafi freitag
FragFrauFreitag

Hallo Kafi. Ich möchte an die letzte Antwort von dir anschliessen, weil mich das Thema schon lange beschäftigt. 

Wie lebt man als lebensfreudiger Mensch, der es liebt, zu geniessen, zu konsumieren, zu reisen – wenn man gleichzeitig weiss, dass es für die Erde zu viel ist? Ich geniesse seit nunmehr einem halben Jahr deine erfrischenden und lebensbejahenden Antworten und bin immer wieder inspiriert davon! Danke dir und lieber Gruss an dich! Lia, 37
24.08.2016, 15:1307.02.2017, 08:35
Kafi Freitag
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Liebe Lia

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage, die genau zum richtigen Zeitpunkt in meine Mailbox geflattert ist. Die Antwort liegt in der Widersprüchlichkeit von uns Menschen. Wir alle haben grosse Gegensätze in uns und wir alle sind indifferent in unserem Handeln und Sein. Niemand von uns ist moralisch einwandfrei, aber jeder wäre es gern.

Nun haben wir zwei Möglichkeiten, mit dieser Tatsache umzugehen. Wir können unsere eigene Unzulänglichkeit diesbezüglich unter den Teppich kehren und die der anderen betonen und mit dem Finger darauf zeigen. Oder aber wir versöhnen uns mit uns und der Tatsache, dass wir nun mal auch nur Menschen sind und in dieser Funktion höchst inkompetent und inkonsequent und gestehen unseren Mitmenschen das gleiche zu. Vor ein paar Minuten hat mir eine Frau auf die Facebook Pinnwand geschrieben, dass ich nicht gleichzeitig Spendenaufrufe für Menschen auf der Flucht machen kann und ein Bild von mir poste, auf dem ich mich an ein Auto schmiege. Dass ich mich verzettle und mich nicht wundern müsste, wenn man mich angreift. Daraufhin habe ich ihr Folgendes geantwortet:

Es tut mir leid, dass ich in keins Deiner Schublädli passen will. Nein, es tut mir in Tat und Wahrheit natürlich kein bisschen leid. Ich kann Autos heiss und innig lieben und für meine Automarke fanen und gleichzeitig Menschen animieren, für Menschen auf der Flucht zu spenden. Ich kann ein Jahr lang auf Urlaub verzichten und der MSF 5000 Stutz überweisen und dann uhuere fett nach Hawaii in die Ferien fliegen. Ich kann meine Brüste ins beste Licht rücken und gleichzeitig für Feminismus kämpfen. Ich kann Pornos kritisch hinterfragen und gleichzeitig auf sie wixen. Ich kann einer Leserin raten für den Erhalt einer Beziehung zu kämpfen und mich gleichzeitig nach nur 2 Jahren scheiden lassen. Ich kann aus der Kirche austreten und gleichzeitig in einer predigen. Ich kann sehr bewusst dafür schauen, dass es mir gut geht, und gleichzeitig für andere da sein. Ich kann auf Facebook lauthals rumschreien und gleichzeitig verschwiegen eine Gruppenpraxis für Coaching führen. Ich kann auf meinem Blog meine Meinung raushauen und meine KundInnen wertfrei durch ihre Themen begleiten. Ich kann mich in schöne Kleider verlieben und mich für die neusten Beautytrends interessieren und mich gleichzeitig mit meinen Abgründen beschäftigen, die wenig glanzvoll sind. Ich bin die Summe meiner Widersprüche und dadurch für Dich und andere nicht fassbar. Und das ist auch ok so. Weil ich muss weder für Dich noch andere fassbar sein. Wir alle sind voller Widersprüche und wir alle sind moralisch unzulänglich. Wir können anfangen und mit der eigenen Unzulänglichkeit und Widersprüchlichkeit leben und die der anderen akzeptieren. Oder wir können jeden Tag andere Menschen in Schubladen sortieren, damit sie uns nicht Angst machen, weil sie unfassbar bleiben.

Das alles kann ich. Und noch viel mehr! Wenn wir anfangen, den anderen Menschen zu sagen, wie zu leben sei, dann haben wir verloren. Wenn wir anfangen, den Leuten zu sagen, dass Spenden was Scheinheiliges sei und man nur dann ein guter Mensch ist, wenn man eine flüchtende Familie bei sich Zuhause unterbringt oder wenigstens selber in ein Krisengebiet reist, dann haben wir verloren. Wenn wir aus Angst vor der Andersartigkeit der Menschen diese in Schablonen drücken, dann haben wir verloren. Wir können verschleierte Frauen am Strand zwingen, sich zu enthüllen. Die Angst werden wir aber damit nicht los.

Wenn das Reisen und Konsumieren Sie zu einem glücklicheren Menschen macht, dann reisen und konsumieren Sie. Wir alle haben die persönliche Mission, unser Leben so zufrieden und glücklich zu leben, wie es in unserer Macht steht. Wenn ich nach drei Wochen Hawaii in einen Zustand innerer Ruhe komme, sodass ich meinen Klienten und meinem Umfeld ein friedlicheres Gegenüber bin, dann profitiert nicht nur mein direktes Umfeld davon, sondern letztendlich die ganze Welt. Wenn ich nach einem Tag Ausfahrt ins Blaue mit meinem Auto geerdet und bei mir bin, dann bin ich dadurch ein besserer Mensch. Mit meiner Arbeit erreiche ich pro Monat über 350'000 Menschen direkt. Meine persönliche Stimmung wirkt auf 4,2 Millionen Menschen pro Jahr. Das ist mehr als die Hälfte der Schweiz. Wenn man sich vor Augen führt, dass jeder Mensch auf etwa 20 weitere Menschen einen Einfluss hat mit seiner Stimmung, dann sind wir bei der Bevölkerung Deutschlands. Indirekt beeinflusse ich mit meiner Energie die ganze Schweiz und jeden einzelnen Deutschen. Das klingt grössenwahnsinnig, ist es aber nicht. Im Gegenteil. Denn jeder dieser Menschen hat wiederum einen Einfluss auf weitere Menschen. Schlussendlich bin ich indirekt mit jedem einzelnen Menschen dieser Welt verbunden. Und Sie auch, liebe Lia.

Das ist eine grosse Verantwortung und ich trage sie gern. Dazu gehört, dass ich alles in meiner Macht stehende tue, um in einem guten Bezug zu mir selber zu stehen. Was wir nach aussen tragen, zieht, wie ein Stein den man ins Wasser wirft, grössere Kreise. Mein Denken und Handeln hier ist mit dem Denken und Handeln der gesamten Welt vernetzt. Wenn ich im eigenen Frust vor mich hin modere und mich in Missgunst und Neid suhle, dann ist das die Botschaft, die ich hinaustrage in die Welt, und ich werde die gleichen Emotionen als Antwort erhalten.

Sie können sich gegen Reisen entscheiden und gegen den Konsum. Das ist jedem Menschen selber überlassen, so wie jeder für sich entscheiden darf, ob er Fleisch isst oder nicht. Für mich persönlich ist der konsequente Verzicht kein gangbarer Weg, ich habe mich für einen bewussten Umgang mit den Ressourcen entschieden. Ich esse Fleisch, wenn mir wirklich danach ist. Und wenn ich Lust habe meinen Urlaub am anderen Ende der Welt zu verbringen, dann fahre ich dorthin und nicht ins Berner Oberland. Ich fahre Auto und wenn es mehr Sinn macht auch gerne Zug. Ich entscheide, worauf ich verzichte und worauf nicht. Und es ist mir egal, was andere davon halten. Am Ende des Tages und meines Lebens muss ich mir im Spiegel in die Augen schauen können. Und das gelingt mir, weil ich Liebe in die Welt trage und Liebe als Antwort geschenkt bekomme. Es gibt Menschen, die fühlen sich im Verzicht sehr viel wohler und ziehen ihre Befriedigung daraus. Andere aus Reisen oder einem schönen Auto. Grundsätzlich ist egal, was Ihre Quelle nährt. Wichtig ist, dass Sie im Kontakt mit ihr sind. Denn nur wenn Sie Zugang zu Ihrer Essenz haben, sind Sie imstande ein befriedigtes und befriedetes Leben zu führen. Und dieses führt unweigerlich zu Liebe und Frieden. Das Urteilen und Werten über andere führt derweil in die entgegengesetzte Richtung. Und wir alle wünschen uns mehr Frieden. Und Liebe. Fangen wir also damit an!

Lieben Sie so viel Sie nur können. Schaffen Sie sich ein Umfeld, dass Sie beflügelt und Sie nährt. Dann beflügeln und nähren Sie auch ihr Umfeld. Mit ihrer Lebensfreude machen Sie der Welt ein grosses Geschenk für das ich mich persönlich von Herzen bedanke.

Alles Liebe. Ihre Kafi.


P.S. Wenn Sie der Reise etwas entgegenstellen wollen, dann empfehle ich Ihnen einen Beitrag an die MyClimate. Das ist eine Nonprofit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, in Projekte zu investieren, die sich ganz direkt der CO² Minimierung widmen. Was viele als Ablasshandlung verschreien und als heuchlerisch hinstellen, ist für mich eine gute Art, mit etwas mehr Bewusstsein an die Sache heranzugehen. Dass es keine endgültige Lösung ist, ist mir natürlich klar. So wie ich den Krieg mit einer Spende an die MSF auch nicht beende. Aber wenigstens übernehme ich etwas Verantwortung und versuche mit meinem Geld etwas zu bewirken, was die Welt zu einem besseren Ort macht.

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Kafi Freitag (40!) beantwortet auf ihrem Blog Frag Frau Freitag Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.

Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (Freitag Coaching) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie lebt mit ihrem 11-jährigen Sohn in Zürich.

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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cucaita
24.08.2016 21:34registriert Juni 2015
Zufällig in ihre Mailbox geflattert? Warum werde ich das Gefühl nicht los, das ihre Anfragen grösstmehrheitlich fingiert sind damit sie einfach schreiben können wonach ihnen gerade so ist?
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Luca Brasi
24.08.2016 17:27registriert November 2015
Spannendes Thema und ich finde die Antwort der Autorin durchaus nachvollziehbar.
Ich habe mich einfach gefragt, wann die Widersprüchlichkeit problematisch ist. Was ist wenn sich ein Promi medial für Tierschutz und Menschenrechte einsetzt, aber nicht auf "schicke" Pelzmäntel verzichten will und für Geburtstagspartys von Diktatoren auftritt? Oder ein Hersteller von Schusswaffen mit dem Exportziel Nahost, der aber einer Hilfsorganisation spendet?
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kaderschaufel
25.08.2016 17:04registriert Juni 2015
Es gibt aber noch eine dritte, ziemlich offensichtliche, Möglichkeit mit der Tatsache, dass wir moralisch nicht einwandfrei sind, umzugehen, nämlich der Versuch, genau diese moralischen Widersprüche bei sich selber zu beheben und gegebenenfalls andern dabei zu helfen.
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Valentina statt Valentinstag
Ich hatte eigentlich ein Date ausgemacht. Aber dann kam es anders.

Es war ja Valentinstag. Nicht, dass ich mir etwas aus Valentinstagen mache. Aber, wir erinnern uns: Ich war mit dieser hübschen Yogafrau zum Baden verabredet, nicht so entspanntes Rumschwaddern im Spermabad, wir wissen alle, wo das ist, ich muss das hier nicht explizit erwähnen, aber wir wären ja (leider) eh nicht dorthin gegangen, sondern in den See. Knappe 6 Grad. Eisig kalt, aber vielleicht gerade deshalb ultra hot.

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