Lieber Herr Berset
Es heisst ja, dass Magistraten ein eher angenehmes Leben haben. Zwar ist der Kalender übervoll, aber hauptsächlich belegt mit Repräsentationsaufgaben, während die eigentliche Arbeit andere machen.
Und dann gibt es diese Phasen, in denen das hohe Gehalt verdient werden muss. Diese Krisenlagen, in denen man als Dossierverantwortlicher unverschuldet unter hohem Druck unpopuläre Entscheidungen treffen und bei Fehlentscheidungen im schlimmsten Fall die Karriere beenden muss.
Nun haben Sie zusammen mit Ihren Bundesratskolleginnen und -kollegen entschieden, im Corona-Dossier einschneidende Massnahmen zu treffen: rigide Grenzkontrollen, Schulen und Unis geschlossen, Nachtleben, Gastronomie und Kultur de facto lahmgelegt, Skigebiete und andere Sportzentren auch.
Das ist zwar ein Hammer, ein massiver Eingriff in die Freiheit und das wirtschaftliche, soziale und private Leben im Land. Aber es ist nicht so konsequent, wie andere Länder mittlerweile gegen die Ausbreitung der Epidemie vorgehen müssen.
Wenn man die obgenannten Einrichtungen nicht zwangsschliesst und Veranstaltungen bis 100 Personen weiterhin erlaubt, dann überlässt man es in letzter Konsequenz den Kantonen und der Bevölkerung, dass soziale Kontakte so weit eingeschränkt werden, dass die Ausbreitung des Virus gestoppt werden kann.
Und das ist – wie man am Beispiel von China gesehen hat – mehr oder weniger komplett.
Nun hoffen Sie, dass Sie dieser Message genügend Nachdruck verschafft haben. Und ich hoffe es auch.
Denn noch haben zu viele nicht verstanden, was auf uns zukommt, wenn wir uns nicht so weit wie möglich von Menschenansammlungen fernhalten. Und das trotz der absolut alarmierenden hiesigen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus mit einer Verdoppelung der Fallzahlen alle zwei Tage.
>> Coronavirus: Alle aktuellen Meldungen im Liveticker
Was mich hoffen lässt? Unmöglich ist es nicht, dass Ihre Corona-Massnahmenverschärfung von der Bevölkerung konsequent zu Ende praktiziert wird. Jedenfalls wahrscheinlicher als auch schon.
Hätten Sie vor zwei Wochen verordnet, dass ab sofort landesweit Selbstquarantäne für alle gilt, hätte das nichts gebracht ausser einem nicht zu beendenden Vollzugsnotstand und einer völlig unübersichtlichen Lage.
Nun sieht die Situation ein wenig anders aus. Neben abstrakten Tabellen, Grafiken und Berichten aus dem fernen China gibt es nun täglich Corona-Anschauungs-Unterricht aus unserem Urlaubsland und Sehnsuchtsort Italien. Die Situation dort ist so beängstigend wie eines westlichen Industrielandes unwürdig. Aber vergleichbar mit unserer.
Es sind zwar noch nicht so viele, wie es sein sollten, aber ich hoffe, es sind ab heute genug Leute, die begriffen haben: Wir sind Italien. Einfach ein paar Tage hintendrein.
Ob Sie und der Bundesrat noch schärfer und einen oder zwei Tage früher hätten reagieren können und müssen, darüber wird erst hinterher Klarheit herrschen. Ich hoffe es nicht.
Damit Sie so bald wie möglich wieder Ihr gewohntes Magistratenleben mit Apéros und Einweihungen und Reden führen können.
Hochachtungsvoll
Ihr Maurice Thiriet
War dies schon das eine legendäre Freitagabendbier zuviel, und dies schon vor Redaktionsschluss?
Dass Berset ja nichts alleine Entscheidet, und zuerst auch alle sechs anderen Zwerge ihren Senf dazugeben wollen, sollte ja auch in Tsüri klar sein.
Es heisst ja, dass Chefredaktoren ein eher angenehmes Leben haben. Zwar ist der Kalender übervoll, aber hauptsächlich belegt mit Repräsentationsaufgaben, während die eigentliche Arbeit andere machen.
Zweifel säen und mit Halbwissen die zu kritisieren, die an der Lösung des Problems arbeiten, ist nun für niemanden hilfreich, ausser wenn man Panik schüren möchte und auf Klick- und Sensationsjournalismus setzt, was ich ja nicht hoffe.
Damit Sie so bald wie möglich wieder Ihr gewohntes Journalistenleben mit Apéros und Sitzungen und Reden führen können.
Hochachtungsvoll
SB
Danke Herr Bundesrat Berset. Sie machen einen guten Job. 👍🏻