Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Lieber Marco
Wissen Sie, was mich in der Schweiz und an den Schweizern am meisten nervt? Dieses Hobbypolize-Spielen. Das erlebe ich sonst nirgends in dieser ausgeprägten aufgeilenden Art wie hier. Nirgends, wüki. Wir sind ein Volk von Menschen, die 1. immer wissen, was richtig ist und wie man es besser macht, und die es 2. ungefragt jedem mitteilen. Ein Velo auf dem Trottoir? Geht gar nicht!!! Sofort ausrufen, auch wenn's 3 Meter weit weg im Schritttempo fährt. Auf der Rolltreppe links stehen statt rechts: Elende huere Sauerei! Auch dann, wenn ich es eigentlich gar nicht eilig habe und nicht würde hochgehen wollen, stünde da nicht einer, der es mir verunmöglicht. Ich könnte Ihnen noch tausige solcher Beispiele aufzählen, aber irgendwie habe ich grad besseres zu tun und ich denke Sie verstehen, was ich meine.
Ob es sich hier um eine vergleichbare Situation handelt, ist schwer zu sagen. Es ist anstössig und unappetitlich, wenn man dabei zusehen muss, wie einer auf die Treppe uriniert. Aber seien wir mal ehrlich, Sie und ich: Wass genau würde es bringen, wenn Sie den guten Mann angesprochen hätten? Wäre ein gepflegtes Gespräch daraus entstanden, bei dem man sich über Pro und Contra von öffentlichem Pissen unterhalten hätte? Vermutlich eher nicht. Sie hätten ihm wohl im Vorbeigehen «Sauhund» angeworfen und wären dann weiter gegangen. Denn schliesslich weiss auch der Betreffende, dass man das im Prinzip nicht tut. Er war mit ziemlicher Sicherheit verladen oder breit oder verladen UND breit. Und so war es ihm egal, was im Prinzip gilt. Und Ihre Wortmeldung hätte nur dazu gedient, genau dieses Prinzip zu verdeutlichen. Das Prinzip, das wir Schweizer so gern verteidigen, nicht wahr? Dass man prinzipiell nicht auf dem Trottoir Radfahren darf und im Prinzip rechts auf der Rolltreppe steht ...
Aber wem genau dient dieses Prinzipiengewixe? Warum geilt sich der anständige Schweizer so daran auf, wenn er jemandem erklären kann, was erlaubt ist und vor allem: WAS NICHT? Was wird da genau befriedigt? Ich kann es leider nicht sagen, weil ich dafür ganz offensichtlich zu unschweizerisch bin. Ich brauche keinem Junkie auf Entzug (oder high) erklären, wie er sich sittsam zu benehmen hat, und wenn ich es nicht eilig habe, stehe ich gern hinter einem Blockierer auf der Rolltreppe.
Darum muss ich hier leider passen. Aber ich bin sicher, dass Sie in der Kommentarspalte eine griffige Antwort für diesen Fall bekommen. Der Ring ist also frei.
Herzlich, Ihre Kafi