Man kennt das Klischee: Beamte sind «faule Säcke», die «Dienst nach Vorschrift» schieben und Neuerungen skeptisch bis feindselig begegnen. Die Realität ist weniger simpel. Viele Staatsangestellte sind offen für neue Technologien und ihre Anwendung. Häufig fehlen jedoch der Zugang und das Knowhow. In der Schweiz herrscht diesbezüglich eine Lücke.
Das wirkt erstaunlich, denn in den globalen Innovationsrankings ist die Schweiz regelmässig top. Bei der Nutzung neuer Technologien in der Verwaltung aber hinkt sie hinterher. Andere Länder haben Innovationsstellen gegründet, die teilweise in die nationalen Regierungen integriert sind. Beispiele sind das MindLab in Dänemark, das österreichische GovLab und das Behavioural Insights Team, das von der britischen Regierung gegründet wurde.
In der Schweiz gab es bislang nichts Gleichwertiges. Nun wird diese Lücke mit einer neuen Einrichtung geschlossen, dem Staatslabor. Es wird am Montag in Bern offiziell lanciert. «Wir verstehen uns als Knowhow-Plattform», sagt Mitgründer Maximilian Stern. Man wolle die öffentliche Verwaltung beim Zugang zu innovativen Lösungen unterstützen, wie sie von Firmen und NGOs bereits angewendet werden. Das Staatslabor stelle ein entsprechendes Netzwerk zur Verfügung.
Angesprochen werden alle Ebenen, also Gemeinden, Kantone und Bundesverwaltung. Die Resonanz sei sehr positiv, sagt Stern. «Viele Verwaltungsleute sind sehr offen, sie denken innovativ. Ihnen fehlte bislang jedoch eine Testumgebung.» An der Lancierung am Montag wird mit Vizekanzler Jörg de Bernardi einer der höchsten «Verwaltungsbeamten» des Landes teilnehmen – ein Indiz für den Goodwill, den die «Laboranten» bei den staatlichen Stellen geniessen.
Als Beispiele für Projekte, die das Labor unterstützen könnte, nennt Stern die Verwendung der Blockchain oder von künstlicher Intelligenz. Man könne auch Tests auf Gemeindeebene durchführen, etwa mit einer neuen Sozialpolitik. Oder Ideen entwickeln für eine bessere politische Einbindung jener 25 Prozent der Bevölkerung, die nicht über das Stimm- und Wahlrecht verfügen.
Organisiert ist das Staatslabor als gemeinnütziger Verein mit einer Geschäftsführerin. Der Sitz befindet sich am neuen Impact Hub in Bern, der auch zu den Innovationspartnern des Staatslabors gehört, neben dem Förderfonds Engagement Migros sowie dem Centre for Public Impact, einer Stiftung, die von der Boston Consulting Group gegründet wurde.
Das Staatslabor dürfte einem Bedürfnis entsprechen. In der Vergangenheit hat die Schweiz oft abgewartet, ob sich eine Idee durchsetzt. Beispiele sind das Frauenstimmrecht oder die AHV. In der schnelllebigen und komplexen Welt von heute ist diese Strategie nicht sonderlich ratsam. Eine offene Frage bleibt vorerst, ob die innovativen Projekte jene Hürden überwinden können, die hierzulande neuen Ideen oft im Wege stehen: der Föderalismus und das liebe Geld.