Nun wissen wir es: die zwei Verlängerungsniederlagen haben dem SCB die Sprache nicht verschlagen. Die unheimliche Ruhe der Berner nach dem 2:3 n.V. in Zug war die Ruhe vor dem Sturm. There is always a calm before the storm.
Diese zweite SCB-Niederlage hintereinander, die Zug am Donnerstag in die Serie zurückbrachte, hätte das Selbstvertrauen des Meisters ja tatsächlich erschüttern können. Zweifel waren also berechtigt. Das Spiel vom Samstag wurde deshalb das bisher wichtigste. Mit dieser fünften Partie hatte das Finale den Kumulationspunkt erreicht. Eine weitere, eine dritte Niederlage, hätte den SCB an den Rande des Scheiterns gebracht.
Aber die Berner haben reagiert. Heftig reagiert. Diese fünfte Partie ist zur bisher einseitigsten Angelegenheit geworden. Entschieden schon nach 10 Minuten und 6 Sekunden mit dem 3:0. Am Ende gewinnt der Meister 6:1. Mit 47:16 Torschüsse. Beim Startsieg (5:0) waren es bloss 42:35 Torschüsse gewesen.
Wäre der Chronist faul, so würde er einfach die Storys zur ersten Finalpartie (5:0) kopieren, mit ein paar Handgriffen dem samstäglichen Resultat anpassen und wiederverwenden. Mit der heutigen Technik kein Problem.
Da der Chronist aber ein fleissiger ist, bemüht er sich, den ostersamstäglichen Ereignissen mit neuen Worten gerecht zu werden. Denn es gibt nun eine ganz neue Ausgangslage.
Nach dem Sieg im ersten Spiel war noch alles offen. Doch jetzt ist es vorbei. Der SCB wird den Titel gewinnen. Die Frage ist nur noch: mit oder ohne Zusatz-Drama? Das Zusatz-Drama wäre ein Sieg der Zuger am Ostermontag zum 3:3 Ausgleich. Ein Sieg, der das Finale um drei Tage bis am Donnerstagabend verlängern würde. Noch einmal drei Tage Spannung. Tatsächlich kann in einem 7. Spiel alles passieren. Ausser in diesem Falle. Der SCB würde dann eben in der 7. Partie alles klarmachen. Mit mindestens vier Toren Differenz. Die Meisterschaft 2017 ist entschieden.
Das sagt so natürlich niemand. Davor hüten sich die SCB-Vertreter wie der Teufel vor dem geweihten Wasser. SCB-Trainer Kari Jalonen verweigert klugerweise auf entsprechende Fragen jeden Kommentar zum EV Zug. Er beschränkt sich darauf, seiner Zufriedenheit über die heftige SCB-Reaktion in knappe Worte zu fassen. Es gebe verschiedene Arten, ein Spiel vorzubereiten. «Wir haben die richtige gewählt.» Er geht auch davon aus, dass Eric Blum am Montag wieder spielen kann. Der Nationalverteidiger war im zweiten Drittels (29. Minute) mit einer Verletzung ausgefallen.
Die Aussagen der Verlierer sind auf den ersten Blick die gleichen wie nach dem 0:5 im Startspiel. Wer genau zuhörte, vernahm zwar dieselben Worte. Aber bei allen, bei den Spielern und bei Trainer Harold Kreis, schwang nun eine leise Resignation mit. Als würden sie alle ahnen, dass diesem SCB doch nicht beizukommen ist. Aber eben: So sagt es natürlich niemand.
So oder so gibt es ein Kompliment für die Zuger. Sie haben mit den grandiosen Leistungen, mit der Rückkehr in diese Serie und dem Ausgleich zum 2:2 den SC Bern wieder zu richtigem Hockey provoziert.
Nur im ersten Spiel hatte der Meister den EV Zug ernst genommen und richtiges Hockey zelebriert. Aber nach der Leichtigkeit dieses ersten Sieges war der Titelverteidiger überheblich, eingebildet, selbstherrlich und hochnäsig geworden. Die Zuger haben diesen Hochmut bestraft – aber den Titanen durch zwei Siege wieder aufgeweckt.
Der SCB geruhte im fünften Spiel wieder richtiges Hockey zu spielen. Wir haben am Samstag zum ersten Mal seit dem Startspiel wieder den wahren SCB gesehen. Gegen den wahren SCB ist Zug machtlos.
Der Meister ist mit einem «Furor Bernensis» über seinen Gegner gekommen. Erneut mahnte die Wucht an ein Naturereignis. An einen Sturm. Ein Unwetter. An Aufruhr der Elemente. An einen Zyklon, Taifun, Tornado, Hurrikan, Orkan, Blizzard oder Tornado. Eine unheimliche Kombination aus Härte, Tempo und Leidenschaft. Eine Einzelkritik beim Verlierer ist überflüssig. Wie im ersten Spiel hat Zug einen kollektiven Zusammenbruch, einen Systemausfall erlitten.
Selbst dann, wenn Marcus Vinnerborg dem SCB nicht mit einer ungerechtfertigten Strafe gegen Lino Martschini den Weg zum 1:0 geebnet hätte, wäre für die Zuger nichts zu machen gewesen. Der arrogante schwedische Headschiedsrichter, der sich erneut mit kleinlicher Pfeiferei produzierte, erweist den Schweizer Schiedsrichter einen Bärendienst. Er sorgt dafür, dass die Refs ausgerechnet im Finale wiederholt in Kritik geraten.
Der Unmut der Schiedsrichter über ihre Chefs Brent Reiber und Beat Kaufmann ist inzwischen gross. Beunruhigend gross. Nur wagt (noch?) keiner aufzustehen. Unter Garantie der Anonymität sagt einer der wichtigsten Schiedsrichter: «Es ist unverständlich, warum Danny Kurmann und Stefan Eichmann im Finale nicht mehr eingesetzt werden (die beiden hätten das Startspiel hervorragend geleitet – die Red.). Die Aufgebote werden immer mehr nur noch nach persönlichen Befindlichkeiten gemacht. Das Leistungsprinzip gilt nicht mehr.» Belohnt werde Opportunismus, geschnitten werde, wer eine eigene Meinung habe.
Bahnt sich da ein Eklat an? Wir haben nicht ein Schiedsrichter-Problem. Aber seit längerer Zeit schon ein Schiedsrichter-Führungsproblem. Aus napoleonischen Zeiten stammt der Spruch: «Löwen, geführt von Eseln». Es ging um die Tapferkeit der österreichischen Soldaten und die Unfähigkeit ihrer Offiziere. In Falle unserer Schiedsrichter müssen wir wohl sagen: Zebras, geführt von Eseln.
Aber wir sind kurz vom Thema abgekommen. Der SCB kann am Montag Meister werden. Eine erneute «Spiel-Blockade» ist nicht auszuschliessen und daher ist es möglich, dass es zu einem Zusatz-Drama, zu einem 7. Spiel in Bern kommt. Zug hat nichts mehr zu verlieren und kann spielen, als gebe es kein Morgen. Dafür haben die Nordamerikaner einen passenden Ausdruck: The Last Hurrah. Und auch an diese alte Sportweisheit sei der guten Ordnung halber nochmals erinnert: «It’s not over until the fat lady sings».
Aber die dicke Frau hat das Notenblatt zur Hand genommen und ihr Begleitorchester die Instrumente gestimmt. Sie ist bereit zu singen.
Der SCB wird Meister 2017. Die Frage ist nur, ob schon am Montag oder erst am Donnerstag. Mit dem französischen Philosophen Jean-Paul Sartre müssen wir den tapferen Zugern sagen: Les jeux sont faits («das Spiel ist aus»).