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Mehr Wertschätzung, bitte!

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bild: shutterstock / watson
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Mehr Wertschätzung, bitte!

Wer etwas leistet am Arbeitsplatz, will gesehen werden. Das ist ein menschliches Urbedürfnis. Bleibt die Wertschätzung aus, sind Mitarbeitende gefrustet – und erleiden im schlimmsten Fall ein Burnout. Doch Vorsicht, mit Lob alleine ist es nicht getan. Lobhudeleien können sogar kontraproduktiv sein.
13.09.2022, 11:3213.09.2022, 14:31
Sidonia Küpfer
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Contentpartnerschaft mit CSS
Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit der CSS Versicherung.

Im Rahmen dieses Blogs werden verschiedene Aspekte der neuen Studie zum Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung beleuchtet. Die Resultate werden in insgesamt acht Beiträgen in diesem Format behandelt.

Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Andreas (32) hatte die Präsentation für seine Vorgesetzte termingerecht beendet – dank zahlreicher Extraefforts, Recherchen bis tief in die Nacht hinein und einer Hausgrafikerin, die sich vom hohen Zeitdruck ebenfalls nicht abschrecken liess. Dafür erhielt er ein knappes «Danke» und den nächsten Auftrag, der schon viel früher hätte erteilt werden müssen und Andreas erneut an die Grenzen der Belastbarkeit brachte. Weil seine Chefin chaotisch, unorganisiert und über Gebühr fordernd ist. Sie nimmt es für selbstverständlich, dass ihr Mitarbeiter liefert, was sie verlangt. Als Andreas seinen ganzen Mut zusammennimmt und ihr seine unbefriedigende Situation darlegt, macht sie grosse Augen: Wo denn das Problem liege. Er werde ja schliesslich dafür bezahlt.

Et voilà: Schon befinden wir uns mittendrin in einem der grössten Missverständnisse, das sich zwischen Mitarbeitenden und ihren Vorgesetzten immer wieder abspielt. Die eine Seite denkt: Geld ist doch Motivator und Entschädigung genug. Die andere Seite findet: Ich will als Mensch wahrgenommen und respektiert werden, nicht als Arbeitsmaschine.

Auf direktem Weg ins Burnout

Diese Diskrepanz hat einen hohen Preis. Nichts ist für die Angestellten so belastend wie ausbleibende Wertschätzung. Das zeigt die aktuelle Gesundheitsstudie der CSS: Ganze 55 Prozent gaben an, dass fehlende Wertschätzung für sie der grösste Stress- und Überlastungsfaktor ist, gefolgt vom schlechten Verhältnis zu Vorgesetzten (52 Prozent). «Wertschätzung ist der Nährstoff, der dazu beiträgt, die Belastungen, die jede Art von Arbeit mit sich bringt, aushaltbar zu machen». So lautet das treffende Fazit des Forschungsinstitutes Sotomo, das die Umfrage im Auftrag der CSS durchgeführt hat. Werden ausschliesslich jene Antworten von Befragten berücksichtigt, die tatsächlich einmal ein Burnout erlitten hatten, wird das Bild noch deutlicher: Ganze zwei Drittel gaben als Hauptgrund an, nicht genügend Wertschätzung erhalten zu haben.

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bild: css

Dieser Zusammenhang ist nur auf den ersten Blick überraschend: Wie viel wir zu leisten bereit sind und wie viel Stress wir ohne negative Folgen bewältigen können, ist nicht einfach eine Frage der eigenen Leistungsfähigkeit und Resilienz – sondern davon, wie wir am Arbeitsplatz behandelt werden. Ob fair oder ungerecht. Ob unsere Leistungen erkannt werden, oder ob andere sich mit unseren Federn schmücken. Eigentlich ein alter Hut.

Neurowissenschaftlerinnen, aber auch Arbeits- und Organisationspsychologen weisen schon seit Jahrzehnten auf diese Zusammenhänge hin. So wie der mittlerweile emeritierte Professor Norbert Semmer von der Universität Bern: Firmen machten einen grossen Fehler, wenn sie dem Thema Wertschätzung nicht die nötige Beachtung schenken und stattdessen auf mehr Schein als Sein setzen. Ein Widerspruch, der in der Arbeitswelt zur Normalität geworden sei: «In der Broschüre wird gross verkündet, dass der Mitarbeiter das wichtigste Kapital ist, aber im Alltagsgeschäft ist er ein reiner Kostenfaktor, obwohl sich der korrekte Umgang mit ihm auf die Länge gesehen wirtschaftlich auszahlt.»

Ein urmenschliches Bedürfnis

Auch der Neurowissenschaftler und Arzt Joachim Bauer, der sich unter anderem mit den krankmachenden Faktoren der Arbeit beschäftigt, betont die hohe Bedeutung von Wertschätzung. Das liegt sogar in der Natur des Menschen: «Der Wunsch nach direkter oder indirekter Anerkennung ist ein zentrales, neurobiologisch begründetes Motiv für die Bereitschaft, zu arbeiten», bringt er es auf den Punkt. Geld könne eben nur begrenzt leisten, was soziale Anerkennung, Wertschätzung und ein gutes Arbeitsklima vermögen: das Motivationssystem des Menschen und die Ausschüttung seiner Motivationsbotenstoffe in Fahrt zu bringen. Bleibt dies aus, lassen Engagement und Motivation nach – und die Arbeitslast wird zur gesundheitlichen Belastung.

Im Prinzip geht es um den Wunsch, wahrgenommen und gesehen zu werden. Um eine Resonanzerfahrung, die gesundheitserhaltende Botenstoffe ausschüttet. Aber dieses menschliche Urbedürfnis, das sich auch neurobiologisch erklären lässt, kommt ausgerechnet dort, wo wir am meisten Zeit verbringen, zu kurz: am Arbeitsplatz. Mit fatalen Konsequenzen bis hin zum Burnout.

Wertschätzung ist nicht gleich Lob

Doch wodurch zeichnet sich Wertschätzung eigentlich aus? Ist es das Lob, das Menschen glücklich macht? Das wäre ein Trugschluss. Denn Lob ist immer an etwas Spezifisches geknüpft, sei es eine gute Tat oder gute Arbeit. Und Lob entfaltet auch nur dann seine Wirkung, wenn es ehrlich gemeint, nicht beliebig austauschbar ist und nicht inflationär verteilt wird. Die Grenzen zur Manipulation sind schmal.

Regina Michalik, Psychologin und Expertin für Machtkonflikte, empfiehlt sogar, sich vor Lob in Acht zu nehmen. «Natürlich ist Loben ein wichtiges Führungsinstrument und ein essenzieller Bestandteil einer Anerkennungskultur. Doch man muss sich bewusst sein, dass Loben auch ein Machtmittel sein kann. Es gibt Leute, die werden buchstäblich von ihrem Arbeitsplatz weggelobt. Sie merken dann erst im Nachhinein, dass die neue Stelle innerhalb des Betriebes viel weniger attraktiv ist.» Die Moral von der Geschichte: Sich bloss nicht von falschem Lob verführen lassen!

Am klarsten lässt sich der Unterschied zu Lob, das schnell ausgesprochen, aber auch schnell wieder vergessen ist, wohl so erklären: Wertschätzung ist keine Handlung, sondern eine Haltung. Es gehe im Prinzip darum, dem, was jemand tue, eine Bedeutung zuzumessen, so Joachim Bauer. Ein konkretes Beispiel: Ein Mitarbeiter sagt seinem Vorgesetzten, dass er an einem Punkt nicht weiterkommt. Der Vorgesetzte erkundigt sich einige Tage später, wie es läuft. Damit signalisiert er, dass er seinen Mitarbeiter ernst nimmt und beachtet. Das trifft auch zu, wenn Mitarbeitende regelmässig um Rat gefragt und einbezogen werden, wenn sie genügend Freiheiten und Entscheidungsspielraum haben – und wenn sie schlicht und ergreifend fair behandelt werden. Wertschätzung ist am Ende also immer auch eine Frage der Unternehmens- und Führungskultur. Und dazu gehört eben auch konstruktive Kritik, die Mitarbeitende weiterbringt. Nur schon deshalb ist Wertschätzung nicht mit Lob zu verwechseln.

In unserem nächsten Beitrag erfährst du, was Mitarbeitende besonders zu schätzen wissen, was sie antreibt – und was sie demotiviert und krank macht.

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