Wir haben den neuen Micra getestet – hier ist unser Urteil
Der Micra, der 2023 vom Markt genommen wurde, kehrt zurück wie nach einer langen Reise: verändert. Dass seine Proportionen an den Renault 5 E-Tech erinnern, ist dabei kein Zufall. Beide Modelle haben die gleiche technische Basis, die Plattform AmpR Small, die aus der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz hervorgegangen ist. Die Entschlossenheit ist gross, die beim ersten Anlauf etwas langweilige Karriere neu zu starten.
Wir erinnern uns: Der Vorgänger-Micra, der 2017 auf den Markt kam und vom Clio abstammte, hatte alle Voraussetzungen, um zu gefallen. Dennoch hat er nie wirklich sein Publikum gefunden. Zu unauffällig, nicht markant genug, verliess er schliesslich im Sommer 2023 die Bühne. Zwei Jahre später bringt Nissan sein legendäres Stadtauto (die sechste Generation) wieder auf den Markt – nach wie vor in Frankreich produziert, diesmal jedoch im Elektrotempel des Renault-Konzerns: dem Werk in Douai, wo auch der berühmte R5 entstand.
«Same same, but different»
Doch der neue Micra schlägt einen anderen Ton an: Er begnügt sich nicht mehr damit, nachzuahmen. Der japanische Autohersteller hat sein europäisches Designstudio mit Sitz in London mit der Gestaltung des neuen Micra beauftragt.
Das Ergebnis ist ein Stadtauto, das aussieht, als wäre es einem Manga entsprungen, der mit Worcestershire-Sauce aufgepeppt wurde – bin ich der Einzige, der zudem an den Mini erinnert wird? Eine ausdrucksstarke Frontpartie, weit geöffnete Scheinwerfer, muskulöse Volumen ... und ein unklassifizierbarer Charme, der zwischen Popkultur und japanischer Kultiviertheit angesiedelt ist.
Nur wenige Elemente verraten die gemeinsame DNA mit dem R5: Dach, Fenster, Rückspiegel und Türgriffe. Ansonsten ist es ein komplettes Makeover, das Spass macht und gleichzeitig konsequent ist, wodurch er gute fünf Zentimeter an Länge und eine schöne Portion Persönlichkeit gewinnt.
Copy and Paste
Der Micra übernimmt das Interieur seines französischen Cousins. Armaturenbrett, Doppelbildschirm, integrierte Google-Schnittstelle einschliesslich GPS mit Reichweitenplaner, wohlgeformte Sitze, gepolsterter Dachhimmel – es ist alles da.
Nur die Auskleidung, die Polsterung und die Grafiken, die den japanischen Touch signalisieren, ändern sich. Die schmeichelhafte Verarbeitung, die natürliche Sitzposition und die logische Anordnung der Bedienelemente machen den Innenraum zu einem Ort, an dem man sich sofort wohlfühlt. Der Platz im Fond ist wie beim Franzosen knapp bemessen: nicht ideal für lange Beine, aber ausreichend für den Einsatz in der Stadt. Dasselbe gilt für den Kofferraum, der zwischen 326 und 1106 Liter fasst – Letzteres bei umgeklappter Sitzbank.
Keine Überraschung
Technisch steht der Micra dem R5 in nichts nach: Er verfügt über die gleichen 120- und 150-PS-Elektromotoren, die mit 40- bzw. 52-kWh-Batterien kombiniert sind. Dies ermöglicht eine tatsächliche Reichweite von ca. 340 km (416 km angekündigt), wobei eine Schnellladung mit 100 kW in ca. 30 Minuten oder eine Vollladung an einer 11-kW-Wallbox in weniger als fünf Stunden möglich ist.
Der Fahrkomfort ist gleich: präzise Lenkung, agiles Fahrverhalten, progressive Bremsen und gut dosierbare Beschleunigung. Der von Nissan geliebte «One Pedal»-Modus – eine Neuheit auf dieser Plattform, die Renault gerade beim R5 eingeführt hat – fügt einen willkommenen Hauch von Fahrkomfort in der Stadt hinzu.
Der Micra behält also die mechanische Strenge und Lebendigkeit seines französischen Cousins bei, hebt sich von ihm aber durch seine Persönlichkeit ab. Wo der R5 auf Nostalgie setzt, erlaubt sich der Micra mehr Fantasie. Ein bisschen Ironie in den Augen, ein Hauch von Exotik und diese pikante Mischung aus Modernität und Schalk, die ihm so gut steht.
Die Schweizer Preise werden höchstwahrscheinlich Ende der Woche im Rahmen der Auto Zürich bekannt gegeben und dürften sich in etwa auf dem Niveau des R5 E-Tech bewegen (ab 32 500 Franken in der mittleren Ausstattungsvariante mit 150 PS).
