Krisenzeiten sind für Glaubensgemeinschaften in der Regel ein Glücksfall. Wenn Menschen Existenzängste haben und sich um die Zukunft fürchten, suchen sie Trost und Halt im Glauben. Dann wachsen religiöse Sehnsüchte und Gefühle heran, die viele in normalen Zeiten als überflüssig empfinden.
Treffen eine weltliche Krise und religiöse Feiertage zeitlich aufeinander, rücken die kriselnden Kirchen in doppelter Weise in den Fokus der Öffentlichkeit. Die religiösen Festtage bescheren uns Feiertage und in schwierigen Zeiten wächst das Interesse an übersinnlichen und metaphysischen Fragen.
Doch mit Corona an Ostern ist alles ein bisschen komplizierter. Das fiese Virus legt nicht nur das öffentliche Leben lahm, sondern auch die Kirchen. Statt volle Bänke an den Ostergottesdiensten, verschlossene Türen. Das gemeinsame Ritual, das vielen Verängstigten hätte Trost spenden können, fällt ins Wasser.
Ängstliche und Verunsicherte hätten auch aus der Geschichte Hoffnung schöpfen können, dass Gott seinen Sohn für uns sündige Menschen geopfert hat. Und sie hätten im gemeinsamen Gebet gehofft, dass es der Allmächtige schon richten und uns einen Ausweg aus der Pandemie weisen werde. Wie einst bei Moses, als sich bei der Flucht seines Volkes aus Ägypten das Rote Meer teilte.
Die christlichen Kirchen haben zwar auf die Krise rasch und kreativ reagiert. Sie haben im Rekordtempo das geistige und geistliche Leben ins Internet transferiert. Und stolz vermelden sie, dass ihre Angebote im Netz sehr rege benutzt werden.
Das ist zwar schön für die Geistlichen, die endlich wieder einmal ein Erfolgserlebnis verbuchen können, doch es stellt vielen Gläubigen kein gutes Zeugnis aus. Der Glaube scheint für sie lediglich eine Rückversicherung zu sein.
In sozial und wirtschaftlich guten Zeiten verstauen sie ihren Gott in der Mottenkiste und holen ihn nur hervor, wenn das Leben auf der Kippe steht oder es ein Fest zu feiern gibt. Ansonsten genügen sie sich selbst und geniessen das Leben auf Teufel komm raus.
Ein solcher Schlechtwetter-Glaube ist kaum im Sinn von Jesus und seinem Vater. Sie verstehen den Glauben als bedingungslos und verbindlich. Glaube als Ritual, das man je nach Gemütslage und Bedürfnis konsumiert, ist nicht im Gusto des Erfinders.
So jedenfalls sehen es dogmatische Pastoren, die das Coronavirus als Strafe Gottes mit apokalyptischem Ausmass interpretieren. Oder als Mahnmal, das die Menschen zur Umkehr bewegen soll: weg vom hedonistischen Leben, in dem sich der Mensch zu Gott aufschwingt und hin zu einem strengen Glauben.
Doch scheint Gott die Rechnung ohne seine Kinder gemacht zu haben: Es ist zu vermuten, dass er nach der Überwindung der Corona-Pandemie bei vielen Menschen wieder in Vergessenheit geraten wird. Bis zum Ausbruch der nächsten Krise.
Es ist nicht sonderlich schwer, bei Stamm das Haar in der Suppe zu finden. Diesmal ist es dieser Satz, denn wenn man ihm nachgeht, kommt man ins Grübeln.
Glaube heisst nicht notwendig, ständig oder wiederholt in einer Hütte zusammenzuhocken, und Glauben heisst auch, sich am Leben zu erfreuen oder vernünftigen Ratschlägen zu folgen usw. . Glauben heisst auch nicht, dass man sich freiwillig in den Knast begibt und nur noch zu gehorchen hat. Vielmehr geht es um ein Aufhorchen.
Und das sagt ein Nichtgläubiger.
Frohe Ostern