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iPhone-Preise: Apple ist massiv unter Druck

Der iPhone-Hersteller steht laut Gerüchteküche unter Druck.
Der iPhone-Hersteller steht laut Gerüchteküche unter Druck.screenshot: apple
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Apple hats mit den neuen iPhones verkackt? Ein Drama in sechs Akten

Hiobsbotschaften rund um den iPhone-Hersteller haben mal wieder Hochkonjunktur. Ob der ganzen Aufregung ist es Zeit, die Fakten zu sortieren.
27.11.2018, 06:3029.11.2018, 07:32
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Update: Laut einem hochrangigen Apple-Manager war das iPhone XR das populärste seit dem Verkaufsstart. Das günstigste der drei neuen Modelle soll sich am besten verkauft haben. Besser als das iPhone XS und XS Max.

Das Drama in 6 Akten

Jeden Herbst, wenn Apple eine neue iPhone-Generation lanciert, findet das gleiche Theater statt: Es schlägt die Stunde der Drama-Queens. Genau genommen handelt es sich um ein Drama in sechs Akten, wobei man – je nach Perspektive – von Trauerspiel oder Komödie sprechen kann ...

  1. Öffentlicher Aufschrei: Die iPhone-Preise werden als astronomisch, bzw. viel zu hoch kritisiert. 
  2. Negative Gerüchte häufen sich: Unter Bezug auf anonyme und/oder dubiose Quellen wird berichtet, dass sich die neuen iPhones schlecht verkaufen würden.
  3. Apples Aktienkurs sinkt. Aus welchen Gründen auch immer.
  4. Nun schlägt die Stunde der Besserwisser: Selbsternannte Apple-Kenner erklären, was alles falsch läuft, beziehungsweise was das Unternehmen ändern müsse.
  5. Apple gibt die neusten Geschäftszahlen bekannt.
  6. Schweigen im Walde.

* Disclaimer: Der watson-Redaktor hat sich dieses Jahr in den Chor der Kritiker eingereiht und Apples Preise für das iPhone XS und XS Max als nicht gerechtfertigt bezeichnet.

Aber ist das Unternehmen in Schwierigkeiten?

Die Stunde der Besserwisser hat geschlagen

Ich habe das «Rezept», das viele Klicks verspricht, im vergangenen Februar beschrieben. Da ging es um das iPhone X, das sich angeblich schlecht verkaufte:

Man nehme unbestätigte Gerüchte, missverstehe Prognosen bzw. Vermutungen von Analysten, würze sie mit einer Portion Schadenfreude und zimmere daraus ein «Apple is doomed!»-Szenario.

Später zeigte sich, dass Analysten und Hater falsch gelegen waren. Das iPhone X war das bestverkaufte Modell.

Und damit zurück in die Gegenwart. Und wir stellen fest, dass wir bereits wieder im 4. Akt des Dramas sind.

Nun nehmen Autoren, die persönliche Ressentiments gegenüber Apple-Produkten hegen, den sinkenden Aktienkurs zum Anlass, um ihrem Frust freien Lauf zu lassen.

Ein eindrückliches abschreckendes Beispiel lieferte kürzlich der deutsche Blogger Sascha Lobo, Kolumnist beim watson-Medienpartner Spiegel Online. Der geschätzte Kollege liegt in so vielen Punkten falsch, dass es für einen eigenen Artikel reichen würde. Aber das wäre zu viel der Ehre. Darum in der gebotenen Kürze: 

  • Dass Lobo ausgerechnet den Albtraum aller Datenschützer lobend hervorhebt, Amazons Wohnzimmerwanze Echo, sagt eigentlich alles.
  • Dass er mit der Gesichtserkennung des iPhone X nicht klarkommt und sich den Home-Button zurückwünscht, zeigt, dass er selbst zu den Handy-Neandertalern gehört.

Die automatische 3D-Gesichtserkennung ist dem Fingerabdruck-Scanner auf so vielen Ebenen überlegen, dass dies mittlerweile selbst hartgesottene Android-User einräumen. Etwa beim Huawei Mate 20 Pro, das eine freche, und zugegeben, gute Kopie von Apples Face ID bietet.

Also alles im Lot bei Apple?

Nein, nicht ganz. Und Sascha Lobo könnte mit seiner Face-ID-Kritik versehentlich den wunden Punkt getroffen haben ...

Wo sich Apple vielleicht vertan hat

Aus Japan erreicht uns am Montag die Meldung, dass es beim iPhone XR einen Preisnachlass (100 Dollar) gebe. Aber nur für Geräte, die mit Mobilfunkabo gekauft werden.

Das «Wall Street Journal» hatte letzte Woche prognostiziert, dass der Preis gesenkt werde. Japanische Mobilfunk-Provider würden Subventionen vom Hersteller erhalten, um die Nachfrage nach dem billigsten der drei neuen iPhones nach enttäuschendem Verkaufsstart anzukurbeln.

Bereits ein paar Tage vorher hatte die US-Zeitung behauptet, Apple habe die Produktion für alle drei im September vorgestellten iPhone-Modelle heruntergefahren. Analysten stimmten in den Chor der negativen Stimmen ein.

Eine offizielle Bestätigung liegt nicht vor. Doch wirft die diesjährige Preispolitik tatsächlich Fragen auf.

Die neuen iPhones XS und XS Max sind rekordverdächtig teuer. Und das iPhone XR ist für viele Leute keine bezahlbare Alternative.

Dazu würden die Meldungen passen, wonach das derzeit meistverkaufte iPhone im Apple-Land Japan das Vorjahresmodell sei, das iPhone 8, respektive iPhone 8 Plus.

Es ist nicht auszuschliessen, dass Apple wie schon beim 2013 lancierten iPhone 5C die Nachfrage nach einem etwas weniger teuren Modell aus Plastik überschätzt hat.

Mit einem Einstiegspreis von 880 Franken ist das iPhone XR alles andere als ein Budget-Smartphone. Und der «Muss ich haben»-Reflex dürfte auch beim mehreren hundert Franken teureren iPhone XS und XS Max ausbleiben. Es handelt sich ja nur um Optimierungen des letztjährigen iPhone X.

Warten viele iPhone-Fans (wie bei Twitter und Co. angedroht) mit dem Kauf eines neuen Modells, weil sie auf den nächsten Knaller im Herbst 2019 hoffen? Kann gut sein.

Dazu würde passen, dass es auch am Cyber Monday in den USA das iPhone XR zum Spezialpreis gab.

John Gruber, ein echter Apple-Kenner und Tech-Blogger, hat eine eigene Theorie formuliert, warum sich das iPhone XR wohl nicht zum ultimativen Kassenschlager entwickelt. Er erinnert an das iPhone SE, das nach der Lancierung deutlich populärer war, als von Apple erwartet. Der Grund?

«Ein Teil der überraschenden Popularität des SE ergab sich daraus, dass es kleiner war, Punkt. Und einige Leute bevorzugen wirklich kleinere Handys. Aber ein Teil könnte erklärt werden, weil die kleinere Grösse vertrauter war, und einige Leute, die tatsächlich ein grösseres iPhone 6 oder 6S bevorzugt hätten, kauften, was sie bereits kannten.»

Ziehen viele User den bekannten Home-Button der ihnen unbekannten Gesichtserkennung vor, auch wenn die neue biometrische Technik in fast allen Belangen besser ist? Dann hätte Sascha Lobo ungewollt ins Schwarze getroffen ...

Was Fans, Hater und Journalisten wissen müssen

Bleiben wir bei den Fakten:

  • Negative Schlagzeilen zum reichsten Unternehmen der Welt verkaufen sich gut. Ob wahr oder nicht.
  • Wer es schafft, den Kurs der Apple-Aktie durch Gerüchte zu manipulieren, kann sehr viel Geld verdienen.
  • Der Börsenwert eines Unternehmens wie Apple hat wenig bis gar nichts mit der tatsächlichen Wirtschaftsleistung, bzw. der Wertschöpfung, zu tun. Die Spekulanten spekulieren, und Apple tut, was es immer tut: Neue Hardware verkaufen, gekoppelt mit eigener Software und (zum Teil) kostenpflichtigen Dienstleistungen.
  • Im Januar wird Apple seine neusten Geschäftszahlen präsentieren. Dann erfahren wir offiziell, wie das wichtige Weihnachtsgeschäft gelaufen ist.
  • Erstmals wird Apple dann keine iPhone-Verkaufszahlen nennen. Der US-Konzern passt seine für die Börsianer wichtige Kommunikation an die Konkurrenz an. Die verrät nämlich seit Jahren keine genauen Zahlen.
  • Wenn die Hersteller weniger Smartphones verkaufen, respektive die User (in gesättigten Märkten) länger warten, bis sie ein neues Modell anschaffen, hat dies aus Konsumentensicht positive Folgen. Der Konkurrenzkampf wächst, die Preise geraten mittelfristig unter Druck.
  • Das Interesse an Apple-Produkten ist ungebrochen: Dies zeigte der Black Friday. Beim Online-Händler Digitec gehörten Macbooks und die Ohrstöpsel AirPods zu den «Aktionen», die am schnellsten ausverkauft waren.

An der Einschätzung des Redaktors, dass Apple mit dem iPhone das beste Gesamtpaket an Hardware und Software bietet, hat sich nichts geändert. Die Benutzerfreundlichkeit ist unerreicht hoch, und der Hersteller gewährleistet mit einer konkurrenzlosen Update-Politik, dass alte Geräte funktionstüchtig, sicher und damit wertvoll bleiben.

Mit den 2018er-Preisen hat Apple hoch gepokert – und scheint sich dessen bewusst zu sein: Für das Weihnachtsquartal stellt Finanzchef Luca Maestri ein Umsatzplus von maximal gut fünf Prozent auf 93 Milliarden Dollar in Aussicht. Er lag in der Vergangenheit höchst selten daneben.

Hat sich der iPhone-Hersteller mit den diesjährigen Preisen verzockt?

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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goschi
27.11.2018 07:36registriert Januar 2014
"Dass er mit der Gesichtserkennung des iPhone X nicht klarkommt und sich den Home-Button zurückwünscht, zeigt, dass er selbst zu den Handy-Neandertalern gehört."

Wieso diese völlig unnötige Diffamierung?
Nur weil man ein Feature, das leider alternativlos ist, nicht nutzt, ist man kein "Neandertaler" (welch unsachliche Beleidigung aller Nutzer, denen es gleich geht!)

Ich mag mein Natel nicht vors Gesicht halten, oft agiere ich knapp über der Hosentasche und gucke nur aus dem Augenwinkel darauf, um zB kurz etwas am Podcastplayer zu machen. ein Fingerabdrucksensor ist für mich daher optimal.
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DerRaucher
27.11.2018 06:54registriert Januar 2016
Ich sags mal so: Ich bin einer, der sein Handy bar bezahlt, und mich haben die explodierenden Preise nach dem iPhone 8 tatsächlich von Apple weggetrieben. Würde es kein Abomodell geben, wo man sein Handy in ein oder zwei Jahren abbezahlen kann, stünde Apple wohl tatsächlich schlechter da.
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Clife
27.11.2018 06:44registriert Juni 2018
Ich mag iPhones. Muss es ehrlich zugeben. Bei mir ist die Schmerzensgrenze aber ab 1000 Franken erreicht. Sollte jemals ein iPhone zukünftig min. den Preis haben (nicht die speziellen wie X oder XS, die ich mir ohnehin nicht leisten kann) dann werde ich gezwungen, das Modell zu wechseln. Wäre wirklich schade...
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