Chinas Manhattan-Projekt – diese Maschine will China bald bauen können
Einem Reuters-Bericht zufolge soll es China gelungen sein, einen Prototyp einer EUV-Lithografie-Maschine zu bauen. Dies wäre ein riesiger Durchbruch für die chinesische Chipindustrie mit Auswirkungen auf die gesamte Welt.
Solche Maschinen sind nötig, um Mikrochips der neusten Generation herzustellen. Weltweit gibt es aktuell und in absehbarer Zeit aber nur eine Firma, die in der Lage ist, diese hochkomplexen Maschinen zu bauen: die niederländische Firma ASML.
Seit Jahren versuchen die USA mit Einbezug des Westens zu verhindern, dass solche Maschinen oder die Technologie dahinter in chinesische Hände gelangen. Es ist kein Zufall, dass sich die USA so lange klar für die Autonomie von Taiwan einsetzten. Mit TSMC hat dort der grösste und modernste Chiphersteller der Welt seinen Sitz. Auch dort sind die EUV-Lithografie-Maschinen von ASML unverzichtbar.
Die Fähigkeit, Chips der neusten Generation zu bauen, ist nicht nur von wirtschaftlichem Interesse und im Zuge des globalen KI-Hypes sehr profitabel, sondern auch militärisch entscheidend. Wer Zugriff auf die neusten Chips hat, kann auch die modernsten Waffensysteme bauen.
Chinas Manhattan-Projekt
Für die Entwicklung der EUV-Lithografie brauchte ASML mehrere Jahrzehnte. Niemand hat infrage gestellt, dass auch China in der Lage wäre, selber solche Maschinen zu entwickeln, es wurde aber immer von einem ähnlichen, wenn nicht längeren Zeithorizont ausgegangen. Noch im April sagte der ASML-CEO Christophe Fouquet, China werde noch viele, viele Jahre brauchen, um gleichzuziehen.
Die Meldung, dass China angeblich bereits jetzt einen Prototyp besitzt, kommt also sehr überraschend. Die chinesische Maschine soll zwar noch nicht in der Lage sein, funktionierende Chips herzustellen, soll aber bereits das nötige EUV-Licht produzieren.
Der Prototyp ist das Resultat einer sechsjährigen Initiative der chinesischen Regierung mit dem erklärten Ziel, in der Halbleiterproduktion unabhängig zu werden. So rekrutierte China mehrere ehemalige ASML-Mitarbeiter und stellte diesen angeblich sogar neue Dokumente aus. Komplett unter Verschluss sollen sie die letzten Jahre am Prototyp gebaut haben. Der Vergleich zum Manhattan-Projekt klingt überspitzt, tatsächlich ist es aber aus wissenschaftlicher und technischer Sicht noch viel schwieriger, eine solche moderne Lithografie-Maschine zu bauen als eine Atomwaffe. Und wie bereits erwähnt sind auch die militärischen Auswirkungen davon nicht zu unterschätzen. Zudem sind moderne Computerchips eines der wenigen Dinge, bei denen China nach wie vor mehrheitlich vom Westen abhängig ist.
Trotz Exportverboten sind aber immer wieder Lithografie-Maschinen von ASML bei chinesischen Auktionen aufgetaucht. Wie Reuters berichtet, ist auch ein Team von über 100 Ingenieuren nur damit beschäftigt, Teile von EUV- und älteren DUV-Maschinen zu zerlegen und deren Bauweise zu rekonstruieren.
Der chinesische Prototyp sei noch um einiges grösser als die ASML-Maschine und besonders die hochgenauen Spiegel, welche ASML von der deutschen Firma Zeiss bezieht, sind anscheinend schwer nachzubauen. Ob und wie schnell China wirklich eine voll funktionsfähige Maschine bauen kann, wird sich zeigen.
Die chinesische Regierung plant aber, bereits 2028 im Besitz einer eigens gefertigten EUV-Lithografie-Maschine zu sein.
Was genau macht eine EUV-Maschine?
EUV-Lithografie-Maschinen sind in der Lage, unvorstellbar winzige Strukturen auf ein Medium zu projizieren. Bei der Herstellung modernster Computerchips sind sie unabdingbar. Der Herstellungsprozess geschieht dabei in Phasen. Angefangen mit einer runden, rund 1 mm dicken Platte aus reinem Silizium, dem sogenannten Wafer. Dieser bildet das Substrat für die Herstellung mehrerer Chips.
Die dreidimensionale Struktur des Chips wird dann Schicht um Schicht auf dem Wafer aufgebaut. Ein moderner Chip hat bis zu 80 vertikale Schichten. Für jede Schicht wird dafür zuerst eine Oxidschicht auf dem Wafer deponiert. Diese wird dann mit einer lichtempfindlichen Chemikalie beschichtet, auf welche dann durch die EUV-Maschine das Muster einer Schicht des Chips projiziert wird. Wo die Chemikalie belichtet wurde, wird sie löslich und kann in einem nächsten Schritt weggewaschen werden. Es bildet sich also eine Art Maske auf der Oberfläche.
Mittels dieser Maske werden dann die ungeschützten Stellen selektiv weggeätzt. Die Hohlräume werden schliesslich mit Kupfer gefüllt. So wird der Chip Schicht um Schicht aufgebaut, wobei vor allem die kleinen Strukturen in den untersten Schichten, wie die Transistoren und die winzigen Verbindungen dazwischen, mit EUV-Lithografie-Maschinen belichtet werden, während Schichten weiter oben weniger hoch aufgelöst sein müssen.
Was macht sie so unglaublich kompliziert?
Die Maschine
Eine moderne EUV-Lithografie-Maschine wiegt rund 150 Tonnen und kostet etwa 380 Millionen US-Dollar. Sie kommt nur in sogenannten Reinräumen zum Einsatz. Dort darf die Luft maximal ein Partikel >0,5 μm pro m³ enthalten. Somit filtern die Luftfilter auch fast alle Bakterien und Viren aus der Luft, was den Raum sauberer macht als jeden OP-Saal.
Die Maschinen sind so komplex und vielteilig, dass es wohl keinen Menschen gibt, der sie komplett versteht. Vielmehr arbeiten Spezialisten jahrelang an kleinsten Komponenten, die den extremen Anforderungen der Maschine gerecht werden müssen.
Die Lichtquelle
Für den Lithografie-Prozess wird in diesem Fall spezielles Licht benötigt. Nämlich Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometer, auch bekannt als «extrem ultraviolette Strahlung». Dieses Licht kommt nicht natürlicherweise vor und muss mit einem aufwändigen Prozess erzeugt werden.
Dazu hat die Maschine einen Vorrat von hochreinem Zinn in flüssiger Form. Dieses wird in winzigen Tropfen, dünner als ein menschliches Haar, mit 100 m/s in eine Vakuumkammer geschossen. Die Laufbahn des Tropfens wird dann mit mehreren Hochgeschwindigkeitskameras verfolgt und berechnet, sodass er genau im richtigen Moment von einem Laserpuls getroffen werden kann. Diese Berechnungen an sich sind bereits komplexer als jene der ersten Mondlandung.
Dieser Vorpuls verformt den Tropfen zu einer pfannkuchenförmigen Form. Diese wird dann von einem viel stärkeren Laserpuls beschossen. Er erhitzt das Zinn auf 220'000 Grad Celsius, 40 Mal heisser als die Oberfläche der Sonne. So wird das Zinn umgehend zu Plasma. Dieses Plasma strahlt wiederum Licht in der benötigten Wellenlänge von 13 Nanometer ab.
Als ob dieser Prozess an sich nicht schon beeindruckend genug wäre, passiert dies auch noch 50'000 Mal pro Sekunde, um einen kontinuierlichen Lichtstrom zu erzeugen.

Die Lichtquelle ist aber auch die grösste Limitierung des EUV-Prozesses. Nur ca. 5 % der Input-Energie kommt in diesem Prozess auch wirklich beim Wafer an. Auf der Suche nach einer stärkeren Quelle für EUV-Strahlung wurde zumindest in der Theorie auch bereits der Einsatz eines eigenen Teilchenbeschleunigers diskutiert.
Die Spiegel
EUV-Strahlung wird von so ziemlich allen Materialien absorbiert, sogar von der Luft. Darum muss auch der gesamte Lichtpfad in einem starken Vakuum stattfinden. Aufgrund der Absorption kann die EUV-Strahlung auch nicht wie bei anderen Verfahren mit Linsen gelenkt werden, sondern ausschliesslich mit speziellen Spiegeln. Diese kann nur die deutsche Firma Zeiss herstellen. Ihre Oberfläche muss so perfekt plan sein, dass die Abweichung nicht grösser sein darf als ein einziges Wasserstoffatom. Zum Vergleich: Wäre der Spiegel so gross wie die Erde, wäre die grösste zulässige Abweichung etwa so hoch wie eine Kreditkarte. Der Spiegel im neuen James-Webb-Teleskop ist etwa 20 Mal ungenauer.

Im Inneren einer EUV-Maschine befinden sich sechs solche Spiegel sowie zwei weiter spezialisierte Facettenspiegel, die den Lichtstrahl in genaue Muster lenken können.
Die Bewegung

Während des Belichtungsvorgangs bewegen sich sowohl die reflektierende Maske, welche das Licht in das eigentliche Chipmuster formt, als auch der Wafer selbst. Dies mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 m/s und einer Beschleunigung bis 15 g, komplett synchron und mit Präzision im Nanometerbereich, ohne die geringste Vibration zu erzeugen. Ich weiss nicht, ob es hier wirklich noch einen sinnvollen Vergleich gibt, es ist schlicht fast unvorstellbar exakt.
Selbst wenn China eine komplette funktionierende Maschine zur Verfügung hätte, wäre es also immer noch eine ziemliche Leistung, sie komplett nachzubauen.
