Heulen und Zähneklappern bei den Fans, Schadenfreude bei den «Hatern».
Negative Reaktionen, so weit das Auge reicht.
Dabei wäre es so einfach gewesen ...
Das Momentum gehört Microsoft: Am Tag vor der Apple-Keynote zündet der alte Rivale ein Feuerwerk an neuer Hardware und Software. Es ist der perfekte Zeitpunkt: Fans und Journalisten lechzen nach Überraschungen und vielversprechenden Konzepten.
Das weiss Microsoft geschickt anzusprechen ...
Beeindruckt vom Surface Studio zeigen sich auch treue Apple-Anhänger, die seit Jahren auf neue Macs warten.
Als Tim Cook und Co. am darauffolgenden Tag eine wenig inspirierende Vorstellung bieten und – wie befürchtet – keine Desktop-Macs vorstellen, ist die Enttäuschung riesig.
Es hagelt Kritik. Apple gerät ins Kreuzfeuer.
Dass sich nun viele Apple-Profis Windows zuwenden, wie dies unser Microsoft-Mann im Digital-Ressort kommentiert, ist mehr Wunschdenken als realistische Prognose.
Microsoft überzeugt zwar unter Satya Nadella mit gut verarbeiteten Hybrid-Geräten. Doch gab es rund um die Surface-Hardware zum Teil heftigen Software-Ärger.
Und was die Vorurteile der Mac-Nutzer bestätigte: Windows 10 hat alles andere als einen sauberen Start hingelegt.
Auch wenn nun unzufriedene «Macianer» lauthals drohen, sie würden einen Plattformwechsel ins Auge fassen, dürfte der Leidensdruck bei den wenigsten gross genug sein.
Apple hätte nur über den eigenen Schatten springen müssen, um eine Kontroverse in Shitstorm-Stärke zu vermeiden. Dieser Blogger argumentiert, dass es ganz einfach gewesen wäre:
Ein paar Hinweise hätten gereicht, um der Nutzerschaft zu signalisieren, dass man sie nicht vergessen hat.
«Hätte, wenn, aber ...»
Spätestens im Frühjahr 2017 MUSS Apple neue iMacs lancieren. Vermutlich gibt's dann auch einen Nachfolger für den «Kübel». Und vielleicht auch einen neuen Mac Mini?
Nicht zu vergessen: 2017 ist ein besonderes Jahr für Apple.
Wer nicht mehr warten kann, kauft das Macbook Pro.
Auch wenn angesichts der lauten Kritiker ein anderer Eindruck entstanden sein mag: Apple hat nicht plötzlich verlernt, qualitativ hochwertige Personal Computer zu bauen. Im Gegenteil.
Stichwort Grafikleistung: Apple verbaut eine neue Grafik-Karte von AMD (Radeon Pro 400 Serie), die es sonst noch nirgends gibt und die besonders energieeffizient ist.
Sie eignet sich gemäss Hersteller speziell für Kreative – Fotografen, Grafiker, Musiker. Gamer sollten die Konfiguration mit der Radeon Pro 460 (110 Franken Aufpreis) wählen.
Fakt ist: Das Macbook Pro mit 15-Zoll-Display vermag auch hohen professionellen Ansprüchen zu genügen. In der kostspieligsten Ausstattung (ab 3370 Franken) taugt das neue Apple-Notebook absolut als Desktop-Ersatz. Und: Microsoft bietet kein vergleichbares Surface Book an.
Bei den Anschlüssen zeige sich Apples Dilemma, hält der bereits oben erwähnte Blogger in seinem Kommentar fest:
Dank der vier USB-C-Anschlüsse (Thunderbolt 3) kann man beispielsweise zwei 5K-Monitore (Ultra-HD) plus Peripherie anhängen. Für alte Peripherie-Geräte gibt's Adapter.
Ist das unschön? Ja.
Der Weltuntergang? Nope!
Und die Vorteile der neuen Thunderbolt-Anschlüsse sprechen eine deutliche Sprache, wie giga.de zusammenfasst:
Das neue Macbook trägt ein «Pro» im Namen. Doch ausgerechnet bei dem für professionelle Video-Anwendungen wichtigen Arbeitsspeicher (RAM) gibt's keinen Spielraum: Das Maximum, 16 Gigabyte (GB), ist fix vorgegeben.
Apples Marketing-Chef Phil Schiller begründete den Entscheid gegenüber einem enttäuschten Kunden: Mit den verfügbaren Prozessoren und einer RAM-Verdoppelung auf 32 GB hätte die Akkuleistung (von bis zu 10 Stunden) nicht mehr gewährleistet werden können. Und so habe man darauf verzichtet.
Voraussichtlich im Herbst 2017 gibt's wohl das erste Prozessor-Upgrade. Dann biete Apple wohl auch die Option, den Arbeitsspeicher auf 32 GB aufzustocken, prognostiziert der gewöhnlich sehr gut informierte Analyst Ming-Chi Kuo. Und auf den Zeitpunkt hin würden auch die Preise sinken.
Vorausgesetzt, Intel liefert die nächste Chip-Generation («Cannonlake») rechtzeitig und in ausreichender Stückzahl.
Ob sich die neue Touch-Leiste des Macbook Pro, die zwischen Tastatur und Display liegt, bewährt, wird sich zeigen.
Creatives: “We need faster processors, better video cards, improved battery life, and 32GB of memory.”
— not Jony Ive (@JonyIveParody) 29. Oktober 2016
Apple: “Here’s a Touch Bar.” pic.twitter.com/vfm7OfaaRS
Die Kalifornier haben sich bewusst gegen Hybrid-Geräte entschieden, wie sie Microsoft anbietet. Offenbar erachtet man in Cupertino den Nutzen von berührungsempfindlichen Bildschirmen bei Notebooks als zu klein, als dass sich die Realisierung derzeit lohnen würde.
Das muss nicht heissen, dass es so bleibt. Entsprechende Patentanträge sind schon vor Jahren aufgetaucht. Und wie bei den grossen Smartphone-Displays, denen sich Apple lange verweigerte, kann es plötzlich schnell gehen.
Apple versteht es jedenfalls geschickt, von Dritten erfundene Konzepte und Techniken zu übernehmen, um die eigenen Produkte noch benutzerfreundlicher zu machen.
Aktuelles Beispiel ist der erstmals in ein Macbook verbaute Fingerabdruck-Scanner. Apple nennt die biometrische Sicherheitstechnik TouchID. Ich schliesse mich dem Urteil eines «Wired»-Kollegen an, der schreibt, es handle sich dabei um das wichtigste neue Feature. Stichworte sind: «Tschüss Passwort!» sowie sicheres und bequemes Online-Shopping.
Natürlich bietet auch die Konkurrenz Fingerabdruck-Scanner. Doch bei Apple gibt es ein raffiniertes Datensafe-Konzept, das unabhängige Experten in höchsten Tönen loben.
Im Macbook Pro steckt ein Co-Prozessor (T1), der ursprünglich für die Apple Watch entwickelt wurde und wertvolle Nutzerdaten (Fingerabdruck, Passwörter, Kreditkarte etc.) in einem sicheren Bereich («Secure Enclave») verschlüsselt speichert.
Das Geniale: Der private Schlüssel, der unbedingt geheim bleiben muss, wird sicher auf dem Gerät abgelegt. Kein fremder Dienst, keine Anwendung kann darauf zugreifen.
Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass man die Webcam nicht mehr aus Furcht vor Hackern abdecken muss. Der T1-Chip regelt den Zugriff auf die Kamera. Angreifer bleiben aussen vor, selbst wenn sie ins Betriebssystem eindringen können.
Interesting 👍🏻
— Daniel Schurter (@schurt3r) 29. Oktober 2016
Apple’s new Intel driven MacBook Pros have a secondary ARM processor that runs Touch ID and security https://t.co/ap4SCCzsbp
Die Verdienste von Apples Chefdesigner sind gross. Der von der englischen Königin zum Sir geadelte Jonathan Ive, den alle nur Jony nennen, ist die graue Eminenz bei Apple. Er war engster Vertrauter, ja Seelenverwandter von Steve Jobs. Gemeinsam haben sie Ikonen des Computer-Designs geschaffen.
Leider ist bei den neueren Geräten der Design-Grundsatz «Form follows Function» in den Hintergrund gerückt. Stattdessen dominiert «Dünn, dünner» nicht mehr nur beim iPhone, sondern auch immer stärker beim Mac.
Ich habe schon früher kommentiert, dass Apple den Schlankheitswahn hinter sich lassen sollte. Die Konsumenten würden es danken. Insbesondere dann, wenn in zukünftigen Geräten wieder grössere Akkus verbaut sind.
Sie können nur nicht mehr so mit Innovationen und Überraschungen glänzen wie sie das zu Jobs Zeiten konnten. Und das ist Fakt! Das ist Microsoft dieses Jahr besser gelungen. Aber das ist kein Weltuntergang. Gewinne fahren beide fleissig ein.