In der fiktiven Welt des Survival-Horrors leben Architekten in Saus und Braus. Was hier die Erbauer für komplexe und in sich verschachtelte Gebäude errichten dürfen, muss sehr viel Geld verschlingen. Ein grosser Haufen Schweigegeld wird wohl noch zusätzlich auf den Stapel geschüttet, um die Geheimnisse von Grössenwahnsinnigen zu wahren. Wie dem auch sei, im Survival-Horror trifft man schon seit Jahrzehnten immer wieder auf abgefahrene Gebäudekomplexe, die einen verschachtelten Mikrokosmos sondergleichen offenbaren.
Auch in «Tormented Souls» wird ein Herrenhaus zum heimlichen Star und zieht uns in eine Welt hinein, die wir erst wieder verlassen können, wenn wir sie bis zum hinterletzten Winkel erforscht haben. Das Herrenhaus ist in diesem Fall aber eher eine Mixtur aus Sanatorium und wissenschaftlicher Einrichtung, die unsere Protagonistin Caroline Walker auf magische Weise anzieht.
Als die junge Dame eines Tages aus heiterem Himmel ein Foto zugeschickt bekommt, auf dem Zwillings-Mädchen eine mysteriöse Botschaft platziert haben, wird sie auf eine Horror-Reise geschickt, bei der bald das Überleben im Vordergrund steht. Kaum ist Caroline im Sanatorium angekommen, um die Mädchen zu suchen, wird sie auch schon hinterrücks niedergeschlagen, landet nackt in einer Badewanne mit komischer Flüssigkeit darin, hat einem Schlauch im Mund und stellt auch noch fest, dass ihr das rechte Auge entfernt wurde. Verwirrt und unter Schmerzen leidend krabbelt sie aus der Wanne, um sich zu orientieren.
Nur mit einem Feuerzeug ausgerüstet, um damit die dunkle Umgebung auszuleuchten, begibt sich die hilflose Dame auf den Weg, das Gebäude zu erkunden. Dabei dauert es nicht lange und schon machen die ersten Schreckgestalten auf sich aufmerksam. Verstümmelte Kreaturen in Rollstühlen und andere Mensch-Metall-Monster stellen sich uns in den Weg.
Sollte man zu Beginn noch das Weite suchen, weil Caroline sich nicht aktiv wehren kann, warten im späteren Spielverlauf Waffen, um für ein ordentliches Blutbad zu sorgen. Nebst der obligaten Hieb- und Stichwaffe Brecheisen gibt es bald eine Nagelpistole, eine eigens konstruierte Schrotflinte und später noch einen Elektrostab, um auf den Putz zu hauen. Sinkt die Energie, gibt es die vertrauten Verbandskästen und diverse Morphium-Spritzen, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen.
Wie es sich für das Genre gehört, warten allerlei abstruse Rätsel auf die Heldin. Auch hier haben sich die Macher bei der Konkurrenz bedient und präsentieren Klassiker wie Schieberätsel, Schlüsselsuche und das Kombinieren von Gegenständen, die anfangs keinerlei Sinn machen. Der Spielstand wird in Save-Räumen gespeichert, wo wie bei «Resident Evil» eine vertraute Klavier-Musik ertönt und für Beruhigung sorgt. Speichern darf man aber nur mit rar gesäten Tonbändern an entsprechenden Abspielgeräten.
Was es nicht ins Spiel geschafft hat, sind, Truhen, begrenzte Taschen oder dergleichen, um seine Utensilien, Gegenstände etc. zu horten. Caroline kann also jede Menge Zeugs unter ihrer knappen Bekleidung verstecken. Und wer übrigens ganz hart drauf ist, darf sich auch an der nervenfressenden Panzer-Steuerung wie anno dazumal versuchen.
Wer noch tiefer in die Geschichte eintauchen und diverse narrative Lücken schliessen möchte, findet in den zahlreichen Tagebüchern und sonstigen Notizen jede Menge Background-Stoff. Gerade diese vielen Dokumente zeigen, dass die Macher nicht einfach nur eine oberflächliche Story präsentieren wollten, sondern ein kleines aber feines Universum mit interessanten Figuren auf die Beine stellten.
«Tormented Souls» zitiert jederzeit die Horror-Reihe «Resident Evil» und «Silent Hill». Manchmal sogar sprichwörtlich mit Textzeilen, die auch in den Klassikern vorkommen, manchmal eher auf versteckte Art und Weise mit einer grossen Portion Subtilität versehen. Die Message der Macherinnen und Macher ist klar: Sie lieben die Oldschool-Klassiker und zollen ihnen so häufig wie möglich Tribut. Egal ob Architektur, Sounddesign oder Schaubild der Gegner, überall sickert der Retro-Charme der grossen Vorbilder durch.
Ein weiteres auffälliges Merkmal, das uns an früher erinnert, sind die festen Kameraperspektiven, die nochmals verdeutlichen, wie der Horror damals funktionierte. Das sorgt auf der einen Seite für beklemmende Stimmung, kann aber auch in den Kämpfen für viel Frust sorgen, da viele Gegner in brenzligen Situationen aus dem toten Winkel auftauchen können. Da braucht es dann ein schnelles Reaktionsvermögen und stahlharte Nerven.
Für Frust kann auch das ewige Suchen nach bestimmten Gegenständen in einem entgegengesetzten Winkel innerhalb des Gebäudekomplexes sorgen. Zwar gibt es hie und da ein paar Abkürzungen, aber oft wird in «Tormented Souls» auch sehr viel gelaufen, auch wenn eine Karte mit nützlichen Hinweisen darauf weiterhilft. Trotzdem: dieses Herumwuseln und alles absuchen, so lieben wir das doch irgendwie. Und wenn wir kurz vor dem Kollaps stehen und ohne Munition in letzter Sekunde den Weg in einen Save-Raum gefunden haben, werden ganz viele Glückshormone ausgeschüttet und der vorherige Stress wird komplett vergessen.
Optisch zeigt sich dieses Horrorspiel von seiner gruseligsten Seite: Die Innenräume überzeugen mit spärlicher Beleuchtung und noch so jeder kleine Raum besitzt eine beklemmende Stimmung. Wir treffen auf verschmutzte sanitäre Einrichtungen, heruntergekommene Krankenstationen und Wohnzimmer von Superreichen, die mit den klassischen Gemälden und ausgestopften Tieren an den Wänden angeben.
Und je weiter wir vordringen, desto tiefer steigen wir hinab in eine Unterwelt in der Stahlrohre, versiffte Kellergewölbe und hässliche Wissenschaftseinrichtungen uns eine Gänsehaut verschaffen. Dabei werden wir stets von einer düsteren Soundkulisse begleitet, die mit fremdartigen Industrial-Klängen stresst und uns wiederum mit sanfter Klaviermusik in bestimmten Abschnitten beruhigen will.
Inhaltlich versucht «Tormented Souls» zwar eigenständig zu sein, kann zwischen den Zeilen aber nicht verkneifen, dass auch hier von den Königinnen «Resident Evil» und «Silent Hill» geklaut wurde. Ohne hier zu viel zu verraten, der Genre-Fan sieht die Wendungen schon von Weitem kommen und riecht den morbiden Braten schon nach den ersten Spielstunden. Das macht die Atmosphäre aber überhaupt nicht kaputt, denn der Weg ist hier ganz klar das Ziel und der Horrorhaus-Kult will so oder so gelüftet werden.
Fazit: Ich konnte während etwa 10 Stunden kaum meine Finger von «Tormented Souls» lassen. Als Survival-Horror-Fan verbrachte ich eine wahnsinnig gute Zeit in diesem verwinkelten Herrenhaus, das mir sehr schnell ans Herz gewachsen ist und mich trotz seiner Vertrautheit immer wieder mit kuriosen, eigenständigen Gruselmomenten überraschen konnte.
Zwar hat man sich inhaltlich als auch optisch bei den Kollegen «Resident Evil» und «Silent Hill» bedient und die Geschichte wird zu schnell durchschaubar, aber ich habe jede einzelne Minute genossen. Ja, die teilweise sehr schwierigen Rätsel und die festen Kamerawinkel brachten mich oft an den Rand der Verzweiflung, aber immer wieder wurde eine grosse Portion Glücksgefühle ausgeschüttet, wenn eine weitere Hürde erfolgreich gemeistert werden konnte.
Das Trio PQube, Dual Effect und Abstract Digital Works hat mit «Tormented Souls» eindrücklich gezeigt, dass es auch ohne die grossen Firmen Capcom und Konami geht, ein famoses Horror-Videospiel mit ganz viel Liebe zu kreieren. Bitte mehr davon!
«Tormented Souls» ist erhältlich für Playstation 5 und PC. Versionen für Xbox Series X/S, Xbox One, Playstation 4 und Nintendo Switch folgen zu einem späteren Zeitpunkt. Freigegeben ab 18 Jahren.