Mein Vergangenheits-Ich und meine Wenigkeit sind eigentlich ziemlich beste Freunde. Wohlwollend nicken wir uns regelmässig zu und tauschen Grüsse aus. Doch seit letzter Woche haben wir ein Problem. Mein Vergangenheits-Ich ist ziemlich sauer auf mich und zeigt mir nur noch den Stinkefinger...
Der Grund dafür ist das neue «Tony Hawk’s Pro Skater 1+2», das bei mir nun stundenlang konsumiert wird – und zwar zum ersten Mal. Denn als es damals für die erste Playstation und andere Konsolen erschien, war mein Interesse für dieses Trend-Game ziemlich gering, ja so gut wie gar nicht vorhanden. Irgendwie gab es damals einfach viel spannendere Dinge, als auf einem Holzbrett mit Rädern durch verlassene Hallen zu düsen und dabei regelmässig auf die Schnauze zu fallen. Nein, diese Skateboards waren damals nichts für mich.
Tja, und nun realisiere ich hier in der Gegenwart, dass ich da wohl eine ganze Menge wohlige Videospielmomente versäumt habe und verstehe nun innig, warum andere damals ganze Nächte vor dem Bildschirm verbracht haben und mein Vergangenheits-Ich mich komplett ignoriert. Kurz: Das «Tony Hawk»-Ding fesselt ungemein, motiviert tagelang und lässt die Stunden einfach so verpuffen.
Auch wenn man ohne Vorkenntnisse zu Beginn immer wieder aufs Gesicht fällt und es vor allem bei meinen nicht mehr ganz so frischen Reflexen lange dauert, bis die einzelnen Moves und Tricks verinnerlicht werden, steht man immer wieder auf, schüttelt den Staub von den Schultern und dreht nochmals eine Runde, bis alle nötigen Aufgaben innerhalb des Levels absolviert wurden und die nächste Hürde wartet.
Dabei ist es mir ein Rätsel, wie die Steuerung so bissig gut und schnell ins Blut übergeht und wie intensiv das Erfolgserlebnis ist, wenn es nach unzähligen Versuchen gelingt, einen akrobatischen Trick endlich zu meistern. Das Belohnungssystem im Gehirn wird hier intensiv gekitzelt und der Highscore wird gejagt, als ob wir in einer Spielhalle wären.
Die Sache ist klar: Hätte sich mein Vergangenheits-Ich mit diesem Spiel vor zwanzig Jahren auch nur kurz beschäftigt, es hätte damit wundervolle Videospiel-Stunden verbracht und wohl auch ein echtes Skateboard gekauft, um damit im realen Leben regelmässig den Asphalt zu küssen.
Nebst dieser reibungslosen Bedienung und den Erfolgsmomenten, wo die Faust gefolgt vom ganzen Körper nach oben schnellt, gibt es aber noch einen anderen wichtigen Faktor, der für diesen Sog verantwortlich ist: der Soundtrack.
Erst heute wird mir bewusst was damals bereits für grandiose und vor allem zeitlose Musikstücke von Naughty by Nature, Bad Religion, Rage Against the Machine oder Papa Roach (um nur ein paar zu nennen) drin steckten. Wenn ich heute das Remake spiele, wird mir ein Kultsong nach dem anderen serviert, den ich genüsslich aufsauge und in Erinnerungen schwelge.
Zwar werden hier und da ein paar neue Tracks reingeschmuggelt, aber auch diese passen zum Rest des Ensembles. Da wird die eigene Musik-Vergangenheit heftig getriggert und der wuchtige Impact geht nahtlos in jede einzelne Hautzelle über.
Das «Tony Hawk»-Remake fühlt sich in jeder Minute einfach nur gut an. Egal ob ich mich von Stage zu Stage rolle, mich frei bewege oder mich den vielen kosmetischen Inhalten widme, jederzeit flackert da dieses Gefühl in mir auf, damals viele tolle Spielstunden verpasst zu haben, die ich nun nachholen darf. Obendrauf gibt es diesen verdammt guten Soundtrack, der sich wohlig mit ganz vielen Glücksmomenten paart.
Mein Vergangenheits-Ich ist übrigens immer noch betupft und ignoriert mich. Dafür ist das Zukunfts-Ich jetzt hoch erfreut. Denn in zwanzig Jahren wird es zurückblicken und sich an die tollen Spielstunden mit «Tony Hawk’s Pro Skater 1+2» erinnern. Immerhin.
«Tony Hawk’s Pro Skater 1+2» ist erhältlich für Playstation 4 und Xbox One. Freigegeben ab 12 Jahren.