Einäugige Demonstranten, ermordete Tiere und ein Riesenbaby in einer engen Einzimmerwohnung. Auf dem Notizzettel sammeln sich immer mehr kuriose Objekte und Momente. Und die Liste an obskuren Begebenheiten wird länger. Willkommen in der Welt von «Sludge Life».
Ich bin Ghost. Ein Tagger, der in einer kleinen Openworld via Egoperspektive dahinschlendert und hie und da seine Graffitikunst an den Wänden eines Industriegebietes hinterlässt, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Was genau sein eigentliches Ziel ist, ich weiss es nach vielen Spielstunden in dieser optisch minimalistischen Spielwelt immer noch nicht.
Im Menü gibt es eine Aufgabenliste. Da steht zum Beispiel nebst dem Auftrag diverse Taggs zu setzen, auf einem Hochhaus zu urinieren oder eine bestimmte Anzahl Zigaretten zu rauchen. Die Liste an kuriosen Aufträgen wird immer länger, je weiter wir in diese abstruse Welt eintauchen.
Wir treffen auf vernebelte Menschen, die mit hochgelagerten Füssen vor einem Bildschirm chillen, auf Industrielle, die in einem Penthouse in einem Bad rumwuseln und Riesenvögel verspeisen oder auf genervte Hamburger-Verkäuferinnen, die auf den Feierabend warten.
Mit versteckten Teleportationsmaschinen entdecken wir immer weitere Winkel dieser Welt, die einer gigantischen Bohrinsel gleicht. Über das Gewässer oder die schlammartige Masse dürfen wir aber bis zur Unendlichkeit wandern, was absolut keinen Sinn ergibt. Ach, es ist alles so verwirrend.
Zu Beginn der Spielzeit wird die Sinnessuche zum Hauptbestandteil dieses wirklich sehr eigenartigen Indie-Titels. So versuchen wir denn die Aufgaben abzuhaken und lassen unser Gehirn fast explodieren, weil wir in Sackgassen einfach nicht weiterkommen und ziellos herumwuseln.
Sucht man im Menü nach Hilfe und Anhaltspunkten tauchen sofort bewusst unzählige Pop-Ups auf und nerven uns noch mehr. Ein Minispiel sucht derweil immer wieder unsere Aufmerksamkeit. Aber genervt von den vielen Objekten die unser Sichtfeld beeinträchtigen, brechen wir ab und spazieren weiter.
Nach einigen Spielstunden gibt man auf eine Logik zu entdecken und lässt sich auf die nicht vorhandenen narrativen Regeln ein. Wird die Erwartungshaltung arg nach unten geschraubt und ergeben sich die Spielenden dem Flow, breitet sich der wahre Geist von «Sludge Life» erst richtig aus.
Dieser Indie-Titel entfernt sich weit von der gängigen Videospiel-Mechanik und der stringenten Story-Erwartung der Spielenden. Was wir genau machen müssen, respektive welche grossen Ziele wir verfolgen müssen, es ist komplett egal. Wir ergeben uns und tauchen immer weiter in eine Welt ein, die aus sehr schrägen Figuren und WTF-Momenten besteht.
So werden Zigarettenschachtel gesammelt, Urinale besucht und harte Drogen konsumiert, um es sich in dieser schön schrägen Welt bequem zu machen. Mit einem Gleitschirm stürzen wir uns von hohen Gebäuden, gehen in Wohnblocks auf Entdeckungstour und hören den Menschen zu, die allesamt irgendwie in einem Drogentrip gefangen sind. Wir ergeben uns einfach dem Openworld-Sog und haben eine gute Zeit in diesem Was-auch-immer-Gebiet.
Fazit: Was willst du von mir?! Immer wieder taucht sie auf, diese eine Frage. Doch nach vielen Spielstunden wird irgendwie alles egal.
So ergebe ich mich denn dieser grotesken Welt und beschäftige mich selber mit zahlreichen Dingen, die mir dann doch Spass machen und mich immer mehr davon überzeugen, dass dieser Indie-Titel einen wahrlich einzigartigen Flow entwickeln kann.
Denn auch wenn ich nach vielen Spielstunden keine wirkliche Story entdecken kann und keine Beziehung zur Spielfigur aufbauen will, befasse ich mich immer noch damit.
«Sludge Life» ist ein Rätsel. Das Spiel weiss einfach nicht was es möchte und gibt sich auch keine grosse Mühe sich zu erklären. Das ist schade und schwach, dann aber auch gleichzeitig mutig und grossartig.
«Sludge Life» ist erhältlich für Switch und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.