Selene ist hässig. Und ich bin es auch.
Die Raumfahrerin durchlebt nach einer Bruchlandung den Moment nach dem Absturz immer und immer wieder. Na ja, so oft halt, wie ich meine Nerven nicht im Zaum halten kann und keinen Ausweg aus diesem Labyrinth finde.
Denn jedes Mal wenn sie stirbt, respektive wenn ich als Spieler wieder mal versage, wird die Gestrandete an den Level-Anfang zurückgeworfen und das Ganze fängt wieder von vorne an. Zusätzlich verändert sich auch noch die Levelstruktur zufallsbedingt und zeigt mir damit auch noch den Stinkefinger.
Solche Spiele werden dem Roguelike-Genre zugeordnet und wollen eigentlich vom grossen Mainstream-Kuchen der Videospiellandschaft gar nichts wissen. Denn nur die ganz harten Auserwählten wagen sich in diesen Strudel aus Herausforderung, Glücksgefühle und Wutanfällen. Denn wenn die Figur stirbt, ist die Gaudi vorbei und es muss von vorne begonnen werden. So will es das Gesetz.
Ohne hier zu tief in die Videospiel-Historie einzutauchen, diese Art von Unterhaltung ist nur für Menschen mit ganz vielen Nerven gedacht. Oder solche, die etwas masochistisch veranlagt sind und eine wirkliche Herausforderung suchen. Und genau diese Zielgruppe hat das finnische Entwicklerstudio Housemarque mit «Returnal» ins Visier genommen.
Ich gestehe: Am Anfang hat mich «Returnal» komplett in seinen Bann gezogen. Das beginnt schon vor dem eigentlichen Spiel, wenn die Kachel auf dem Homescreen darauf wartet, dass die Tortur beginnt und ich kurz vor dem Reinklicken bin. Da erklingen ganz sanfte, gruselige Töne, die meine Vorstellungen in eine bestimmte Richtung schieben.
Düstere Science Fiction, ein Planet mit unbekannter Flora und Fauna, wo Aliens à la H.R. Giger hinter jedem Baum hervorspringen mögen, das weckt die Vorfreude. Gutes Intro, ein Absturz, der Überlebenskampf, eine unbekannte Welt und fremde Architektur, alles ganz super und die Begeisterung hält vorerst an.
Und während Selene auf diesem düsteren Planeten Atropos ihre ersten Schritte wagt, wird mir wieder mal bewusst, wie gut dieser neue PS5-Dualsense-Controller ist. Wenn es in dieser Welt regnet, spüre ich die Tropfen in meinen Händen. Leichte Vibrationen und akustisches Feedback machen es möglich. Die Begeisterung steigt weiter nach oben. Vorerst.
In einem futuristischen Anzug, der eine ordentliche Schubdüse hat um ultracoole Ausweich-Moves zu vollziehen, renne und hüpfe ich durch diese finstere Welt, wo Monster mich schon bei der kleinsten Bewegung in Stücke reissen wollen. Selbstverständlich bin ich mit einer futuristischen Ballerwaffe gesegnet, die auch mit Sekundärfeuerkraft gefällt.
Und auch hier entsteht via Controller-Verbindung wieder diese Immersion. Alles wirkt in den ersten Stunden ganz wundervoll. Die Steuerung ist eine kleine Offenbarung, das Trefferfeedback ist göttlich und jederzeit ist da das Gefühl, seine Spielfigur perfekt kontrollieren zu können. Aber dann, dann kommt der Tod.
Und dieser Gevatter Tod kommt immer und immer wieder. Als Videospiel-Konsument kennt man ihn ja bereits seit Jahren. Aber eben, hier bedeutet das Ableben auch der Beginn von vorne. Selenes Reise beginnt nach dem Bildschirmtod immer wieder beim Levelstart. Dabei ändern sich auch die Irrgärten und Spezialwaffen sind nach dem Ableben futsch. Alles wieder auf Anfang. Ich hasse es.
Doch dann sind da wieder diese Momente, wo mich dieses Spiel neugierig macht und ich ihm seine fiese Art verzeihe. Wenn ich etwa endlich einen Bossgegner weghaue, dann kocht da dieses erhabene Gefühl in mir hoch.
Wenn ein versteckter Abschnitt oder eine Abkürzung entdeckt wird und sich die intelligente Levelstruktur bemerkbar macht, dann sind alle schlechten Erfahrungen der vergangenen Stunden kurz vergessen.
Oder wenn ich in dieser fremden Welt nichtsahnend ein altes, heimisches Holzhaus entdecke, das mir wohl durch das Unterbewusstsein irgendwas mitteilen möchte, dann werde ich wach und die Begeisterung brennt wieder.
Doch kaum sterbe ich und muss zu meinem Raumschiffwrack zurückkehren, klopft mir die schlechte Laune auch schon wieder auf die Schulter.
So vergehen sie denn, die Stunden der Qual. Ich komme vorwärts, ich kämpfe, ich sterbe. Und alles wieder von vorne. Bestimmte Abschnitte kann ich schon auswendig. Manche Gegner erledige ich mittlerweile fast schon im Schlaf.
Aber ich fühle, wie mich diese Art von Spiel auslaugt. Oft fühle ich mich stehen gelassen, ohne Anhaltspunkte, ohne Antrieb. Denn eine narrative Komponente gibt es kaum, respektive es braucht viel Geduld, bis sich da etwas regt.
Dabei ist diese nervenaufreibende Kompromisslosigkeit kein unbekannter Fremdkörper. Als wir damals stundenlang in den Spielhallen herumlungerten und die Automaten mit Münzen stopften, waren wir auch auf uns alleine gestellt. Wer versagte, musste von vorne beginnen. So wie bei «Returnal».
Nein, ich werde «Returnal» nicht zu Ende spielen. Selene wird für immer in dieser Zeitschlaufe gefangen bleiben. Das kümmert mich aber auch nicht. Mitleid ist nicht vorhanden, denn das Spiel vermag bei mir kaum einen Bezug zur Spielfigur herzustellen. Trotz einiger durchaus positiven Momenten und Glücksgefühlen ich bin raus und überlasse Selene nun ganz alleine ihrem Schicksal. Viel Glück!
«Returnal» ist ab dem 30. April exklusiv erhältlich für Playstation 5. Freigegeben ab 16 Jahren.