Nach Google stattet auch Samsung seine neusten Smartphones mit reichlich Künstlicher Intelligenz aus. Noch stecken viele KI-Anwendungen in den Kinderschuhen, andere sind schon jetzt verblüffend gut und nützlich. Eine Übersicht.
Eine Bemerkung vorab: Ich habe die KI-Funktionen in den letzten paar Wochen auf einem Galaxy S24 Ultra getestet, das im Januar 2024 in den Handel kam. Mein Urteil stellt eine Momentaufnahme dar, da sich generative KI rasend schnell weiterentwickelt und viele Funktionen bereits in einem Jahr spürbar besser sein dürften. Samsung wird das Galaxy S24 übrigens sieben Jahre mit Android-Updates versorgen, insofern bleibt reichlich Zeit für Optimierungen.
In Samsungs Foto-App kann man nun Personen und Objekte auf Fotos auswählen und spielend leicht im Bild verschieben, rotieren, ihre Grösse ändern oder auch vollständig entfernen – dies alles ohne Bildbearbeitungskenntnisse. Die dabei entstehenden Lücken im Bild werden von der generativen KI automatisch mehr oder weniger passend ausgefüllt, wie dieses Beispiel zeigt.
Manchmal braucht es mehrere Versuche, bis die KI den Hintergrund passend erstellt. Das Resultat ist stark vom Motiv abhängig und die gewünschte Bildbearbeitung gelingt selten auf Anhieb zu 100 Prozent perfekt. Für Spielereien taugt es aber allemal und die Resultate werden künftig mit jedem Update besser.
Beim Ausrichten und Zuschneiden wird ein Teil des Bildes abgeschnitten. Die generative KI versucht daher, die fehlenden Teile zu ergänzen. Auf den ersten Blick sieht das per KI erweiterte Foto gut aus, bei genauerer Betrachtung fallen Bildfehler und unscharfe Bildränder auf. Da man üblicherweise den Bildrand kaum beachtet, fallen diese Fehler weniger ins Gewicht. Wichtig: Ich zeige hier bewusst ein schlechtes Beispiel, um die Bildfehler deutlich erkennbar zu machen. Fairerweise sei gesagt, dass man den Prozess mehrmals wiederholen kann, bis das Resultat besser wird.
Eine andere nützliche Funktion ist die Möglichkeit, Reflexionen auf Fotos mit einem Tippen zu entfernen, beispielsweise wenn man durch eine Scheibe fotografiert. Das klappt erfreulich gut.
Bewertung: Die KI-gestützten Fotobearbeitungs-Funktionen sind nicht perfekt, aber leicht bedienbar und teils tatsächlich nützlich.
Eine Funktion mit viel Potenzial ist «Call Translate», mit der Anrufe auf Wunsch fast in Echtzeit übersetzt werden. Ist die Funktion in der Telefon-App aktiviert, können beide Personen in ihrer Muttersprache sprechen und bekommen mit einer kurzen Verzögerung die passende Übersetzung zu hören.
Die andere Person muss kein Samsung-Smartphone haben. Aber nur die Person mit einem Galaxy S24 – oder einem anderen Handy, das «Call Translate» künftig unterstützt – erhält auf dem Display zusätzlich eine schriftliche Übersetzung des Gesprächs angezeigt.
Die KI-gestützte Live-Übersetzung kann vor einem Anruf oder während des Gesprächs aktiviert werden. Die KI-Stimme – wahlweise weiblich oder männlich – teilt der anderen Person mit, dass das Gespräch übersetzt wird. Insgesamt werden 13 Sprachen unterstützt. Die Übersetzung geschieht direkt auf dem Handy, deshalb müssen vor dem Gespräch die entsprechenden Sprachpakete heruntergeladen werden.
Wer gerade nicht sprechen kann oder generell nicht gerne telefoniert, kann auf einen Anruf per Text-Anruf reagieren. In diesem Modus sieht man auf dem Display, was der Anrufer sagt, und kann durch Texteingaben antworten, was der Anrufer wiederum zu hören bekommt. Bei meinem Test funktionierte das nur mittelprächtig. Die KI versteht Deutsch deutlich schlechter als Englisch.
Bewertung: Vor allem «Call Translate» bzw. die Live-Übersetzung ist durchaus beeindruckend, funktioniert aber nur dann einigermassen gut, wenn beide Personen wissen, dass hier eine nicht perfekte KI ihr Gespräch übersetzt, die zwischendurch völlig sinnlose Sätze von sich gibt. Einfach eine unbekannte Person mit «Call Translate» anzurufen, würde ich mich derzeit nicht getrauen. Ob sich das wirklich durchsetzt, bleibt abzuwarten.
Die Übersetzungs- und Schreibstil-Hilfe ist in der Samsung-Tastatur integriert und somit fast überall verfügbar, egal ob WhatsApp, Gmail, Outlook oder Signal. Die Übersetzung läuft lokal auf dem Gerät, ohne dass der Text an Samsung übermittelt wird.
Nebst der zweifellos nützlichen Grammatik- und Rechtschreibprüfung gibt es die Option, eigene Texte in ihrer Tonalität zu verändern. Wer mag, kann die geschriebene Nachricht auf Knopfdruck professioneller, höflicher oder salopper klingen lassen. Zu meinem Erstaunen funktioniert das ziemlich gut, allerdings schleichen sich bisweilen merkwürdige Formulierungen ein.
Anders als die Übersetzung funktionieren Schreibstil-Anpassung sowie Grammatik- und Rechtschreibkorrektur bisher nicht lokal auf dem Gerät, sondern in der Cloud. Nur bei englischen und koreanische Texten geschieht die KI-gestützte Schreibstil-Anpassung bereits jetzt auf dem Handy. Samsung wird bemüht sein, weitere Sprachen wie Deutsch bald ebenfalls auf dem Smartphone verarbeiten zu können, um Rechenkapazität in der Cloud und somit Kosten zu sparen.
Bewertung: Die Übersetzung funktioniert grösstenteils zufriedenstellend und wird für viele Menschen nützlich sein. Die KI-Hilfe beim Schreiben erzeugt vereinzelt merkwürdige Formulierungen, kann aber zumindest für all jene nützlich sein, die generell Mühe mit Schreiben bekunden.
Googles Suchfunktion «Circle to Search» ist bislang exklusiv für Samsungs Galaxy-S24-Modelle und Googles Pixel 8 (Pro) verfügbar. Die KI-gestützte Bildersuche ermöglicht es, nach allem zu suchen, was auf dem Smartphone angezeigt wird. Sei es ein Detail eines Bildes bzw. Videos oder auch eine Textpassage, zu der man mehr Infos möchte.
Um eine Suche zu starten, hält man den Home-Button oder die Navigationsleiste kurz gedrückt. Nun können beliebige Dinge auf dem Bildschirm eingekreist oder angetippt werden und man erhält direkt in der jeweiligen App die Google-Suchergebnisse zu den eingekreisten Produkten, Sehenswürdigkeiten oder prominenten Personen angezeigt.
So lässt sich beispielsweise aufspüren, welche Kleidung eine Person auf einem Foto trägt oder wo sich die Sehenswürdigkeit befindet, die man in einem Video erspäht hat.
Bewertung: Googles KI-Anwendung erinnert an die Bildersuche «Google Lens», ist aber intuitiver und bequemer nutzbar – allein schon, weil die Suchfunktion überall und jederzeit gestartet werden kann, sprich unabhängig davon, welche App gerade geöffnet ist. Es ist also nicht mehr notwendig, ein Foto oder ein Screenshot zu erstellen.
«Circle to Search» ist hübsch umgesetzt und funktioniert grösstenteils sehr gut. Im Alltag habe ich Googles neue Suchfunktion zwar kaum gebraucht, kann mir aber gut vorstellen, dass sie für andere rasch unverzichtbar wird.
Internet-Browser können Webseiten seit Jahren übersetzen, Samsungs Browser kann zudem Artikel zusammenfassen – man erhält also beispielsweise von einem englischen Artikel wahlweise eine Zusammenfassung auf Englisch oder Deutsch oder kann sich den gesamten Artikel übersetzen lassen. Zudem lässt sich einstellen, ob eine knappe oder längere Zusammenfassung erwünscht ist.
Bewertung: Nichts Neues, aber gut umgesetzt. Per Tippen auf den KI-Button im Browser wird die Übersetzung oder Zusammenfassung aktiviert und übersichtlich dargestellt. Der KI gelingt es oft, die wichtigsten Punkte eines Artikels zu erkennen. Bei sehr langen Texten wirkt es aber teils auch etwas beliebig, was herausgenommen wird. Die Übersetzung ist nicht fehlerfrei, aber im Kontext fast immer verständlich.
Dolmetscher-Apps gibt es wie Sand am Meer. Samsung hat die Funktion nun direkt ins Betriebssystem integriert. Sie wird über die Benachrichtigungszentrale aktiviert und läuft lokal auf dem Gerät, also ohne Internetverbindung. Dies kann im Ausland ein Vorteil sein, wenn man kein Daten-Roaming hat, allerdings sollte man nicht vergessen, zuerst die entsprechenden Sprachpakete herunterzuladen.
Ebenfalls praktisch: Das Eingabefeld kann umgedreht werden, damit die Person gegenüber die Übersetzung bequem lesen kann.
Bewertung: Im Test versteht die Dolmetscher-App meine auf Deutsch gestellten Fragen zuverlässig, aber die Übersetzung auf Englisch oder Französisch ist mehr als holprig und gefühlt deutlich schlechter als DeepL oder Google Translate.
Ähnlich wie der Google Recorder kann auch Samsungs Diktiergerät-App Aufnahmen von Besprechungen, Vorlesungen oder Sprachmemos in Text umwandeln. Die Sprachaufzeichnungen lassen sich zudem zusammenfassen und in 13 Sprachen übersetzen.
Samsung wirbt damit, dass die Sätze beim Transkribieren den unterschiedlichen Sprechern zugeordnet werden. Die Funktion bietet sich also theoretisch an, um Sitzungen zu protokollieren und gleich eine Zusammenfassung zu erhalten.
Für einen Test habe ich einen rund siebenminütigen Beitrag der deutschen Tagesschau zum Putin-Interview des US-Moderators Tucker Carlson aufgenommen und von der Diktier-App in Text umwandeln lassen. Obwohl die Tagesschau-Sprecherin und der zugeschaltete Ausland-Korrespondent überaus deutlich und akzentfrei sprachen, konnte die KI das Gespräch weder inhaltlich noch grammatikalisch korrekt verschriftlichen. Auch bei einem zweiten Versuch scheiterte die KI kläglich. Erstaunlicherweise war die generierte Zusammenfassung dennoch ziemlich gut.
Abschrift und Zusammenfassung lassen sich als Text in andere Notizen-Apps einfügen, um sie weiter zu bearbeiten. Das Transkribieren geschieht lokal auf dem Gerät, die weit bessere Zusammenfassung wird hingegen in der Cloud mit einem leistungsfähigeren KI-Sprachmodell von Google (Gemini Pro) erzeugt. Dies erklärt den Qualitätsunterschied zwischen miserabler Abschrift und ziemlich guter Zusammenfassung.
Bewertung: Was auf Englisch oder Koreanisch funktionieren mag, ist auf Deutsch bislang nur begrenzt hilfreich. Die Abschrift ist ein kaum verständliches Kauderwelsch. Trotzdem generierte die KI in meinem Test eine gute Zusammenfassung, welche die wesentlichen Punkte enthielt.
Alle neuen KI-Funktionen sind mit dem Galaxy S24, S24 Plus sowie S24 Ultra nutzbar. Einige Features wie «Circle to Search», die von Google stammen, sind auch für neuere Pixel-Smartphones verfügbar. Eine Auswahl der KI-Funktionen dürfte mit dem Update auf Samsungs One UI 6.1 demnächst den Weg auf die Modelle der Galaxy-S23-Serie inklusive Galaxy Z Fold 5 und Flip 5 finden. Ob ältere Geräte das KI-Update erhalten, ist höchst ungewiss.
Samsungs KI-Funktionen laufen teils lokal auf dem Handy, teils in der Cloud. Wer die Verarbeitung seiner Daten in der Cloud nicht will, kann dies in den Systemeinstellungen zentral für alle KI-Anwendungen oder für jede Anwendung einzeln deaktivieren. Ohne Online-Verarbeitung sind gewisse Funktionen wie die Google-Suche «Circle to Search» naturgemäss nicht verfügbar.
Ausserdem wird es wohl für einige User künftig schwieriger, auf ein Samsung-Konto zu verzichten. Dieses ist die Voraussetzung für die Nutzung der KI-Anwendungen.
Wie die Tabelle zeigt, funktionieren vor allem Sprachfunktionen wie die Übersetzungen von Telefongesprächen oder Chat-Nachrichten lokal. Die Bildbearbeitung sowie das Zusammenfassen von Texten wird in der Cloud generiert, da dies bislang die weit besseren Resultate liefert. In meinem Test überzeugten denn auch vorwiegend jene KI-Funktionen, die von der Verarbeitung in der Cloud und somit mächtigeren KI-Modellen profitierten.
Das Ziel von Samsung und anderen Smartphone-Herstellern wird es trotzdem sein, künftig immer mehr KI-Anwendungen direkt auf dem Gerät auszuführen. Dies nicht nur wegen Datenschutzbedenken. Alle KI-Anwendung, die online ausgeführt werden, bedürfen Rechenkapazität in der Cloud und verursachen nicht unerhebliche Kosten, insbesondere wenn sie von Millionen Menschen genutzt werden.
Samsung nutzt daher schon jetzt Googles KI-Sprachmodell Gemini Nano lokal auf seinen neusten Smartphones der Galaxy-S24-Reihe. Auf diese Weise kann beispielsweise der Schreibstil eines englischen Textes offline, sprich auf dem Gerät, angepasst werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies auch auf Deutsch ohne Online-Verarbeitung funktioniert.
Aktuell gilt: User sollten sich bewusst sein, dass ihre Daten temporär bei Samsung und deren KI-Partnerfirmen wie Google landen, sofern sie die Online-Verarbeitung in den Systemeinstellungen aktiviert haben.
Samsung schreibt zum Datenschutz: