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Die SBB werfen russische Software raus – ein überfälliger Schritt

ZUM NACHHOLBEDARF BEIM UNTERHALT DES SBB-SCHIENENNETZES STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Gleismonteure der Schweizerischen Bundesbahnen SBB revidieren am 28. April 2010 im Gle ...
Für die Schienen-Zustandskontrolle setzen die SBB neu auf eine hauseigene IT-Lösung.Bild: KEYSTONE

Die SBB werfen russische Software raus – ein überfälliger Schritt mit Komplikationen

Wegen «Ausfallrisiken» ersetzen die Schweizerischen Bundesbahnen die für den Gleis-Unterhalt benötigte russische Software. Dies dauert allerdings ziemlich lang und kostet mehr als erwartet.
22.08.2024, 19:0923.08.2024, 07:17
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Unternehmen im Westen, die immer noch auf russische Software setzen, gehen ein Risiko ein. Das wissen auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und versuchen, ein von der russischen Firma Infotrans stammendes IT-System möglichst schnell loszuwerden, bzw. zu ersetzen. Offenbar ist das aber gar nicht so einfach.

watson hat nachgehakt.

Was ist passiert?

Mindestens seit März 2022 und den Warnungen des Bundes ist bekannt, dass russische Software ein Risiko darstellt für Organisationen, die sie einsetzen.

Wer russische Software in betriebseigene Prozesse integriert, macht sich abhängig vom jeweiligen Anbieter. Durch die erforderlichen Software-Schnittstellen können auch gefährliche «Hintertüren» entstehen.

Bekanntes Beispiel ist die Antivirus-Software der russischen Entwicklerfirma Kaspersky, die weitreichende Zugriffsrechte benötigt. Ein grosses Risiko. Der vorliegende Fall ist jedoch weit weniger brisant. Das Missbrauchspotenzial der von den SBB verwendeten Infotrans-Software aus Russland sei sehr viel kleiner (siehe unten).

Einige Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine entschieden die SBB-Verantwortlichen, die von der russischen Firma Infotrans stammenden Systeme durch eine Eigenentwicklung zu ersetzen. Dies wird seitens der SBB mit «Ausfallrisiken» (der Software, bzw. das Positionierungssystems) begründet.

Dass die Infotrans-Software zwei Jahre später immer noch genutzt wird, wie der «Blick» am Donnerstag berichtete, hat mit Herausforderungen bei der Entwicklung des hauseigenen Ersatzes zu tun. Offenbar wurde der Aufwand für das Projekt zunächst unterschätzt.

Wie sich in der Folge zeigte, ist es wegen der Komplexität des Projekts schwieriger als erwartet, sich aus der russischen Software-Abhängigkeit zu lösen.

Wozu braucht's das?

Die besagte Infotrans-Software dient der Gewährleistung der Schienen-Zustandskontrolle. Hierzu muss man wissen, dass die SBB-Techniker nur dank sogenannten Positionierungssystemen jeweils genau wissen, wo das weitläufige Streckennetz zu reparieren ist.

SBB-Sprecher Martin Meier erklärt:

«Die Positionierungssysteme verorten die auf dem Streckennetz der SBB erfassten Zustandsdaten, welche durch unterschiedliche Mess- und Inspektionssysteme mit den Diagnosefahrzeugen erhoben werden. So können allfällige Fehler an den Schienen gefunden werden.»

Die Entwicklung eines sehr genauen, leistungsstarken und zum Umfeld kompatiblen Positionierungssystems sei äusserst komplex, so der SBB-Sprecher.

Er erklärt:

«Mit dem aktuell neu entwickelten Positionierungssystem, das in Zusammenarbeit mit einer in der Schweiz ansässigen Firma entstand, verfügt die SBB mittlerweile über ein unabhängiges und leistungsstärkeres System zur Positionierung der Zustandsdaten. Der Ersatz der Systeme von Infotrans erfolgt nun gestaffelt.»

Wie es nun heisst, wollen die SBB bis Ende 2025 von dem russischen Lieferanten unabhängig sein. Damit liege man aber noch im geplanten Zeitrahmen.

Was kostet der Ersatz?

Ursprünglich wurden die Entwicklungskosten für die hauseigene Software-Lösung von den SBB auf rund zwei Millionen Franken geschätzt. Nun bewegen sich die voraussichtlichen Mehrkosten um ca. 900'000 Franken, wie Sprecher Martin Meier erklärt. Er betont:

Die heutigen Entwicklungskosten für dieses System relativieren sich in den kommenden fünf Jahren, da die Positionierungssysteme auch sonst hätten ersetzt werden müssen. Mit dem Entscheid, ein eigenes System zu entwickeln spart die SBB mittelfristig Kosten ein. Zudem verfügt die SBB danach über eine eigenes, unabhängiges und leistungsstarkes Positionierungssystem.

Wie gross ist das Risiko der Infotrans-Software?

Dieses Risiko sei «äusserst gering», betont SBB-Sprecher Meier und erklärt: «Bereits heute ist nur noch ein Teil der Infotrans-Systeme vorübergehend im Einsatz. Ein Teil der Systeme konnte bereits ersetzt werden.»

Das vergleichsweise geringe Risiko hängt auch mit dem Einsatzzweck der Software zusammen. Der SBB-Sprecher erklärt:

  • «Die Daten sind sehr spezifisch und können ausschliesslich für den Unterhalt des Schienennetzes genutzt werden. Die vom System erfassten Daten gehören der SBB und gehen auf keinen Server der Firma Infotrans (oder einem anderen russischen Unternehmen).»
  • Weiter bestätigen die SBB frühere Aussagen, wonach im Betrieb keine Daten an die Firma Infotrans übermittelt würden. Zugriffe (durch russische Entwickler) könnten «in Ausnahmefällen bei Wartungsarbeiten» vorkommen und erfolgten überwacht.
  • Die Software laufe nicht in SBB-Rechenzentren.

Darf russische Software überhaupt noch hierzulande eingesetzt werden?

Ja, das ist möglich.

Der SBB-Sprecher präzisiert, dass die Bundesverwaltung – konkret: das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) – eine Ausnahmebewilligung für den Bezug russischer Dienstleistungen erteilt habe.

«Diese Ausnahmebewilligung betrifft nicht den Einsatz des Positionierungssystems, sondern den Dienstleistungsbezug für Support und Unterhalt der von Infotrans gelieferten Systeme.»

PS: Wie der SBB-Sprecher gegenüber watson bestätigt, wird im Schweizer Verkehrsunternehmen abgesehen von Infotrans keine russische Software eingesetzt.

Quellen

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlaf
22.08.2024 20:23registriert Oktober 2019
Sehr gut SBB! Jetzt muss sich der Bund noch von seiner russischen Software zur Entschlüsselung von Passwörtern trennen. Der Schurkenstaat Russland hat im Westen definitiv nichts mehr verloren!
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El_Chorche
22.08.2024 19:56registriert März 2021
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Forest
22.08.2024 19:25registriert April 2018
Mit dem Entscheid, ein eigenes "System zu entwickeln spart die SBB mittelfristig Kosten ein. Zudem verfügt die SBB danach über eine eigenes, unabhängiges und leistungsstarkes Positionierungssystem."

Also alles richtig gemacht :-)
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40
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