Es sind Szenen, die man aus der wohlorganisierten Schweizer Bürokratie nicht erwartet hätte. März 2020, Beginn der Coronapandemie, der Bundesrat hatte die Schweiz soeben in den Lockdown geschickt. Schulen, Restaurants, Kinos, die meisten Geschäfte waren geschlossen. Und im Bundesamt für Gesundheit (BAG) ratterten ohne Unterbruch die Faxgeräte.
Von Laboratorien und Arztpraxen begannen immer mehr Covid-19-Krankheitsmeldungen einzutreffen. Andere Formulare erreichten die Behörde per Post, andere per E-Mail. Allen gemeinsam war: Sie mussten per Hand erfasst werden. Das BAG kam damit nicht mehr nach.
Die Konsequenz: Die Covid-Datenlage war ungenau und hinkte dem epidemiologischen Geschehen hinterher. Die Überforderung beim BAG war enorm: Wie das Onlinemagazin «Republik» berichtete, wurde mindestens einmal gar ein Stapel Formulare auf die Waage gelegt, um deren Anzahl wenigstens zu schätzen.
Solche Szenen gehören glücklicherweise der Vergangenheit an – zumindest was das Coronavirus anbelangt. Für das Erfassen von Sars-Cov-2-Fällen hat das BAG unterdessen ein digitales Meldesystem eingerichtet.
Ebenso können Laborbefunde zur saisonalen Influenza elektronisch übermittelt werden. Doch für die anderen meldepflichtigen Krankheiten – immerhin 45 an der Zahl – müssen Arztpraxen, Spitäler, Laboratorien und andere öffentliche oder private Gesundheitsinstitutionen die entsprechenden Formulare weiterhin per Fax oder Post ans BAG schicken.
Da die Meldefrist bei den meisten Krankheiten lediglich 24 Stunden beträgt, fällt die Post aus dem Rennen, und es herrscht de facto eine Fax-Pflicht. Für gewisse, hochansteckende Krankheiten wie Ebola gilt eine Meldefrist von lediglich zwei Stunden. Hier ist eine telefonische Meldung ans BAG vorgesehen.
Dass das BAG im Bereich der meldepflichtigen Krankheiten weiterhin im vordigitalen Zeitalter verblieben ist, rückte diese Woche wegen der Affenpocken erneut ins öffentliche Bewusstsein. Der «Blick» berichtete am Dienstag über ein Formular zur Meldung von Affenpocken-Infektionen.
Demnach mussten medizinische Fachpersonen und Laboratorien, die eine Infektion mit dem Erreger feststellen, diese zunächst telefonisch der zuständigen Kantonsärztin melden. Diese füllte dann aufgrund des Telefonats ein Formular aus und übermittelte dieses innerhalb von zwei Stunden per Fax ans BAG.
Seit Mittwoch untersteht das Affenpocken-Virus, von dem hierzulande bisher 213 Fälle registriert wurden, ebenfalls der Meldepflicht. Mit diesem Schritt ist auch das Meldeprozedere angepasst worden. Der Fax bleibt dabei für einmal aussen vor. Laut BAG-Sprecher Daniel Dauwalder kommt das oben erwähnte Formular nicht mehr zum Einsatz.
Die diagnostizierenden Ärzte würden ein elektronisch ausfüllbares PDF-Formular an den zuständigen Kantonsärztlichen Dienst schicken, von wo es per Datei-Upload verschlüsselt ans BAG gelangt. Der weitere Austausch erfolge ebenfalls auf digitalem Weg.
Mit wenigen Ausnahmen müssen meldepflichtige Krankheiten immer noch per Fax ans BAG übermittelt werden. Das stösst in der Ärzteschaft auf Unmut. «Ärztinnen und Ärzte müssen ein Faxgerät haben, da das BAG die Meldungen anders nicht entgegennimmt», heisst es bei der Ärztevereinigung FMH.
Dabei habe bereits 2012 eine Evaluation – notabene im Auftrag des BAG – festgehalten, dass sich die Leistungserbringer ein elektronisches Meldesystem wünschten: «Zehn Jahre später existiert dies entgegen den Versprechungen immer noch nicht», erklärt die FMH auf Anfrage von CH Media.
Die Ärztevereinigung habe sich «betreffend Benutzerfreundlichkeit von Meldesystemen» mehrmals an das BAG gewandt und gebeten, in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen zu werden, «um die Ärzteschaft zweckmässig begleiten und informieren zu können».
Beim BAG verspricht man Besserung: «Die Digitalisierung der Meldeformulare und Meldewege für weitere meldepflichtige Erreger neben Covid-19 für Labore, Ärzteschaft und Spitäler ist aufgegleist», schreibt Sprecher Daniel Dauwalder.
Es sei das klare Ziel des BAG, zukünftig alle Meldungen auf digitalem Weg zu erhalten. Wann es so weit ist, lässt sich derzeit allerdings noch nicht sagen. Bis dahin dürfte weiterhin ab und zu ein Faxgerät rattern am BAG-Sitz im Berner Nachbarort Köniz.
(aargauerzeitung.ch)
Wow, einfach nur wow. Vielleicht will das BAG das Faxgerät beim Zerbröseln beobachten. Oder die haben eine Wette laufen, welche Faxnachricht das Gerät zur Aufgabe zwingt. Derjenige bekommt dann eine kostenlose BAG Emailadresse, sollte es die geben.