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Elektroautos: Test untersucht, ob sie als Stromspeicher geeignet sind

Elektroautos können als Stromspeicher genutzt werden und so Tagesspitzen in der Stromproduktion glätten.
Elektroautos können als Stromspeicher genutzt werden und so Tagesspitzen in der Stromproduktion glätten.bild: shutterstock

Grosser Schweizer Test zeigt, wie E-Autos künftig helfen, unser Stromproblem zu lösen

Das Carsharing-Unternehmen Mobility testet, wie E-Autos als Stromspeicher genutzt werden können. Sie sollen helfen, Stromlücken zu schliessen und die Netzstabilität zu erhöhen, indem sie Strom zurück ins Netz speisen, wenn sie nicht gefahren werden.
06.09.2022, 13:3007.09.2022, 21:35
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In der Schweiz ist der erste grosse Technologietest mit dutzenden Elektroautos als mögliche Powerbanks gestartet. 50 Elektrofahrzeuge sollen während eines Jahres Strom aus ihren Batterien ins Stromnetz zurückspeisen, wenn sie gerade nicht gefahren werden.

Hinter dem am Dienstag in Bern lancierten Projekt stehen sieben Betriebe unter der Führung des Carsharing-Unternehmens Mobility, wie dieses mitteilte. Für den Test verwendet werden 50 «Honda e»-Fahrzeuge an 40 Standorten in der ganzen Schweiz. Es handelt sich den Angaben zufolge um den ersten grossen solchen Test mit bidirektional-ladenden Serienelektroautos durch Industrie und Forschung.

Die grundlegende Idee hinter dem Test ist, dass Elektroautos nicht nur Strom beziehen, sondern auch in Netz zurückgeben können (bidirektionales Laden).
Die grundlegende Idee hinter dem Test ist, dass Elektroautos nicht nur Strom beziehen, sondern auch in Netz zurückgeben können (bidirektionales Laden).bild: mobility

Elektromobilität als Teil der Lösung

Mobility rüstet in den nächsten Wochen 40 Standorte mit 50 Honda-e-Elektroautos und bidirektionalen Ladestationen aus. Während eines Jahres wird untersucht, wie Elektroautos künftig als Speicher genutzt werden können. Sie könnten helfen, Stromlücken zu schliessen und die Netzstabilität zu erhöhen, hiess es. Wäre die gesamte Mobility-Autoflotte von rund 3000 Fahrzeugen entsprechend technisch ausgerüstet, würde dies laut Firmenangaben die Regelleistung eines Stausees übertreffen.

Die Unternehmen wollen mit dem Test unter anderem Erfahrungen in Bezug auf die Technik und regulatorische Herausforderungen sammeln. Das Projekt ist so ausgerichtet, dass es bei einem Erfolg direkt in einen Dauerbetrieb überführt werden kann.

Honda e - V2X Suisse
Honda e: E-Autos lassen sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen, ähnlich eines Stausees.
Bild: Honda

E-Autos als virtueller Stausee

Die Idee hinter dem Projekt mit Namen «V2X Suisse» ist, dass Elektroautos nicht nur Strom beziehen, sondern auch zurückgeben können (bidirektionales Laden). Im Durchschnitt stehen Autos gemäss der Mitteilung 23 Stunden pro Tag herum. Die stehenden Fahrzeuge lassen sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen, ähnlich eines Stausees.

Damit könnten Verteilnetzbetreiber und Haushalte den Strom in Spitzenzeiten von den Elektroautos beziehen, während diese sich über den Tag - etwa wenn die Sonne scheine - zu einem günstigeren Tarif wieder komplett aufladen liessen, schrieb Mobility.

Energieministerin Simonetta Sommaruga begrüsste laut Mitteilung die Initiative aus der Wirtschaft und der Forschung. Der «Energiespeicher auf vier Rädern» werde dazu beitragen, dass die Schweiz wegkomme von fossilen Energien. Das nütze nicht nur dem Klima, sondern mache das Land auch unabhängiger.

Elektroauto VW ID.3 (E-Auto von Volkswagen)
Energieministerin Sommaruga fährt nun einen kompakten, elektrischen VW ID.3 statt eines grossen Teslas.Bild: vw

«Der Anteil Elektrofahrzeuge auf Schweizer Strassen nimmt stetig zu. Einerseits verstärkt die Elektromobilität den Strombedarf, andererseits kann sie durch die V2X-Technologie Teil der Lösung sein», schreiben die beteiligten Firmen und Forschungseinrichtungen.

Je mehr E-Autos, desto grösser das Potenzial

Laut Prognosen werden bis Mitte des Jahrhunderts zwischen 1.4 und 3.5 Millionen E-Autos auf den Schweizer Strassen herumkurven. Ein Team um den Doktoranden Loris di Natale von der Empa und der ETH Lausanne (EPFL) hat 2021 das Potenzial von Elektroautos als Stromspeicher unter die Lupe genommen. Dadurch soll in der Schweiz produzierter Strom hier gehalten und gleichzeitig weniger Strom importiert werden müssen.

Resultat der Studie, die im Fachmagazin «Energies» erschienen ist: Im Jahr 2050 liessen sich die importierten Treibhausgasemissionen um rund 35 Prozent reduzieren, wenn Elektroautos als Stromspeicher genutzt würden. In Kombination mit Speicherseen und Pumpspeicherkraftwerken könnte gar eine Reduktion von 60 Prozent erreicht werden. Dabei würden Elektroautos insbesondere die täglichen Spitzen glätten, die Wasserspeicher die saisonalen Spitzen. Die Forscher betonen jedoch, dass die Schweiz selbst bei vollständiger Ausschöpfung des Elektroauto-Speicherpotenzials die Schwankungen nicht vollständig ausgleichen können wird.

Lebenszeit der Batterien

Für den Stromspeicher auf Rädern braucht es nicht nur genügend Elektroautos, sondern auch genügend Lade- und Entladestationen.

«Gemäss unseren Berechnungen erreichen wir bereits mit dem kleinen Szenario von 1.4 Millionen Fahrzeugen einen deutlichen Stromspeicher-Effekt», so der Forscher. Dabei sei allerdings eine zusätzliche Abnutzung der Batterien spürbar. Ab 1.4 Millionen Fahrzeugen nehme die zusätzliche Alterung der Batterien jedoch immer mehr ab, da sich die Ausgleichsströme auf mehr Fahrzeuge verteilen würden. «Beim Szenario mit 3.5 Millionen Fahrzeugen ist keine zusätzliche Alterung mehr nachweisbar», so Di Natale.

Beteiligt am aktuellen Projekt sind unter anderem der Automobilhersteller Honda, die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) und das Bundesamt für Energie (BFE). Mobility ist das marktführende Schweizer Carsharing-Unternehmen mit über 3000 Fahrzeugen an knapp 1600 Standorten. Die Genossenschaft bietet ihren über 242'000 Kundinnen und Kunden Autos für Rundfahrten sowie Einwegfahrten zwischen Städten und Flughäfen.

Mobility nutzt für den Test 50 Honda e sowie zwei verschiedene Arten von bidirektionalen Ladestationen.
Mobility nutzt für den Test 50 Honda e sowie zwei verschiedene Arten von bidirektionalen Ladestationen. bild: mobility

(oli/sda)

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192 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Liebu
07.09.2022 06:39registriert Oktober 2020
Grosser Schweizer Test zeigt, wie E-Autos künftig helfen, unser Stromproblem zu lösen

Steht als Überschrift, aber der Test hat ja erst begonnen und zeigt noch nichts.
Es sollte also heissen

Grosser Schweizer Test wird zeigen, ob E-Autos künftig helfen, unser Stromproblem zu lösen.
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DerHans
07.09.2022 06:23registriert Februar 2016
Wie lange es wohl dauern wird, bis sich der erste Nörgler hier meldet, welcher immer ganz spontan 1000 km mit Wohnwagen und -25 Grad über 5 Alpenpässe fahren möchte und dabei seine Welt zusammen bricht, weil der Akku wegen V2X nur zu 80% geladen ist…?
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Dan Schraubergott
07.09.2022 06:56registriert März 2021
Die Idee, die E-Autos als "Puffer Speicher" zu nützen finde ich grundsätzlich gut. Was mich aber tatsächlich interessieren würde, wie wirkt diese "Pufferung" auf die Lebensdauer des Akkus - sind ja tatsächlich Lade- und Entladezyklen, und wieviel wird aus dem Akku "gezogen". Bei kleinen Akkus wird sich eine Entladung mehr auf die Reichweite auswirken wie bei einem grossen Akku, was indirekt noch mehr Lade- und Entladezyklen mit sich bringt, weil der kleine Akku schneller wieder geladen werden müsste? Wie wird diese Funktion gesteuert? Nach Bedarf oder "dauernd"?
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