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Schweizer «Cyber-Legion» soll Fake News bei Social Media bekämpfen

Beat Flach, GLP-AG, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 5. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Beat Flach an der Sommersession im Juni. Der Ukraine-Unterstützer sieht demokratiefeindliche Bots als grosse Gefahr an.archivBild: keystone

Schweizer «Cyber-Legion» soll Fake News auf Social-Media-Plattformen bekämpfen

Der grünliberale Nationalrat Beat Flach hält die bisherigen Massnahmen der Behörden im Kampf gegen Desinformation für unzureichend. Nun macht er beim Bundesrat mit einer Anfrage Druck.
25.09.2025, 05:0125.09.2025, 07:07

Nationalrat Beat Flach will nicht länger mitansehen, wie Russland und andere demokratiefeindliche Akteure die Schweizer Bevölkerung praktisch ungehindert mit Falschinformationen bombardieren. Der Grünliberale schlägt so etwas wie eine schnelle Eingreiftruppe für Fake News auf Social-Media-Plattformen vor.

Am Mittwoch hat der 60-jährige Politiker aus dem Aargau einen entsprechenden parlamentarischen Vorstoss eingereicht. watson konnte den Interpellationstext vorab einsehen und hat beim Verfasser nachgefragt.

«Ich glaube, dass die liberalen Demokratien jetzt endlich aufwachen müssen, wenn sie die kommenden Stürme überstehen wollen.»
Beat Flach, GLP-Nationalrat

Der Vorstoss

Die Interpellation ist eine förmliche parlamentarische Anfrage an die Schweizer Regierung.

Im vorliegenden Fall will der Nationalrat Beat Flach, Mitglied der Grünliberalen Partei (GLP), vom Bundesrat Auskunft darüber erhalten, ob die Schaffung einer sogenannten «Cyber-Legion» möglich sei.

Im Mittelpunkt steht das Ziel, eine staatlich gestützte, transparent geführte Organisation zur Erkennung und sachlichen Korrektur von Fake News zu schaffen.

Er zielt dabei auf die bislang ungehinderte Verbreitung von Desinformation im Internet ab, es geht also um gezielt und bewusst verbreitete Falschinformationen. Demokratiefeindliche Akteure wie Russland oder China versuchen, die Online-Debatten zu manipulieren, und setzen dabei verstärkt auf automatisierte Aktionen.

Warum sind Bots gefährlich?
Ein Bot ist ein Computerprogramm, der Name ist vom englischen «Robot» abgeleitet. Im aktuellen Kontext sind Social-Media-Accounts gemeint, die nicht nur von einem Menschen bedient werden, sondern von Software. Diese Software scannt andere User-Postings und entscheidet nach einfachen Regeln oder KI-Modellen, ob sie eine Antwort generieren soll. Der Einfluss von Bots steigt, wenn sie zu Bot-Netzwerken zusammengeschlossen werden, die sich verstärken.

Aktuelle Beispiele zeigen sich nach der Ermordung des rechtsextremen Influencers Charlie Kirk auf der Social-Media-Plattform X von Elon Musk. Dort reagierten zahlreiche Bot-Netzwerken auf Schlüsselbegriffe und verbreiteten KI-generierte Antworten.

Offensichtlich manipulierten nicht nur Russland, der Iran und China die öffentliche Debatte zu diesem Thema, hielt die Gruppierung «Antibot4Navalny» fest, die russische Propaganda-Bots verfolgt.
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Screenshot: bsky.app

Die Manipulation öffentlicher Debatten durch Bots und Desinformations-Kampagnen sei eine zunehmende Gefahr für die demokratische Meinungsbildung, die öffentliche Sicherheit und das Vertrauen in staatliche Institutionen, erklärt Beat Flach in der Interpellation.

«Andere europäische Staaten setzen bereits auf verstärkte staatliche Massnahmen zur Abwehr solcher Informationsoffensiven.»
  • Polen habe seine Cyber- und Informationsabwehrkapazitäten nach mehreren gravierenden Vorfällen deutlich ausgebaut und staatliche sowie zivilgesellschaftliche Initiativen zur Erkennung und Entlarvung von Fake News intensiviert; staatliche Stellen und Presseagenturen arbeiteten an Programmen zur Identifikation und Gegensteuerung von Desinformation.
  • Estland und weitere Staaten verfolgten ergänzende Modelle, «die staatliche Kapazitäten, freiwillige Cyber-Verteidigungseinheiten und die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Faktencheckern verbinden».

Die Schweizer Landesregierung hat sich bislang auf den Standpunkt gestellt, dass es nicht sinnvoll sei, Desinformations-Kampagnen aktiv zu bekämpfen. Denn so würde man ihnen mehr Aufmerksamkeit verschaffen.

Nun verlangt Nationalrat Flach von der zögerlichen Regierung unter anderem Auskunft darüber:

  • Auf welcher rechtlichen Grundlage könnte eine solche Einheit agieren und welche Massnahmen wären im Kampf gegen Desinformation zulässig?
  • Wie könnte die Zusammenarbeit mit Faktenprüfstellen, Medien, Forschungseinrichtungen und Plattformen gestaltet werden, damit staatliche Gegeninformation nicht als Zensur erscheint?
  • Welche Mechanismen könnten Transparenz, Rechenschaft und Kontrolle sichern?
  • Welche technischen Mittel könnten eingesetzt werden, und wie könnten Fehler sowie Eingriffe in legitime Kommunikation minimiert werden?

Im Folgenden erklärt Flach, warum es wegen des massiven Aufkommens von KI und kaum regulierten grossen Plattformen entschiedenes Handeln braucht.

Das Interview

Herr Flach, welche neueren Entwicklungen haben Sie zum Vorstoss bewogen?
Beat Flach:
Der Sprecher des polnischen Parlaments war zu einem Besuch im Bundeshaus und erzählte davon, wie zeitgleich mit einem russischen Drohnenangriff auf den Social-Media-Plattformen Abertausende Beiträge mit Fake News über die Urheberschaft der Angriffe verbreitet wurden. Und wie diese Armada von Bots und Trollfabriken aus Russland schon lange und immer stärker versucht, die Meinungsbildung zu beeinflussen. Solche Aktivitäten finden auf der ganzen Welt statt und sind Teil einer hybriden Kriegsführung gegen unsere westlichen Werte; eine abgefeimte Strategie, die darauf abzielt, alle liberalen Demokratien zu schwächen.

«Cyber-Legion» klingt martialisch, wie sind Sie auf den Namen gekommen?
Ich glaube, es wird Zeit, den täglich stattfindenden hybriden Krieg gegen unsere Werte, wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte usw. auch als solchen zu erkennen und ihm endlich etwas entgegenzusetzen. Eine Demokratie, die jede Flut von Falschinformationen ungebremst über sich ergehen lässt, droht von den Wellen der Desinformation autoritärer Regime überspült zu werden.

Wie beurteilen Sie den Einfluss von generativer KI auf die Verbreitung von Fake News?
Gigantisch! Der Einsatz von Bots, die in perfektem Deutsch Misinformationen verbreiten, wächst ständig und wir sehen erst die Spitze des Eisbergs. Neu daran ist die raffinierte Art und Weise, wie das geschieht.

Was meinen Sie damit?
Es sind Accounts, die zunächst ganz normale und auch lustige Dinge posten, mischen immer mehr politische Statements unter ihre Nachrichten, bis nach einiger Zeit die reine Propaganda überhandnimmt. Die Bots nutzen die Algorithmen der Plattformen dazu aus, um eine grösstmögliche Verbreitung zu erlangen.

Der Bundesrat argumentiert, dass er nicht stärker gegen Desinformations-Kampagnen im Internet vorgehen will, weil er sie damit ungewollt verstärken würde. Wie sehen Sie das?
Diese Strategie ist ganz offensichtlich gescheitert. Polen und die baltischen Staaten haben das erkannt und reagieren. Der polnische Parlamentssprecher meinte während des Besuchs in der Schweiz, gegen Desinformation müsse man mit Wahrheit, Richtigstellungen und Faktenchecks vorgehen, nicht mit Ignorieren.

Sind Sie für eine stärkere Regulierung der Social-Media-Plattformen, was die Verbreitung von Falschinformationen betrifft?
Plattformen wie TikTok, X, Telegram und Instagram sollten wie herkömmliche Medien auch verpflichtet sein, Richtigstellungen zu veröffentlichen oder Beiträge zu entfernen und in ihren Algorithmen dafür zu sorgen, dass Richtigstellungen auch ankommen.

Um die Medienkompetenz der Schweizer Bevölkerung steht es gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen nicht gut. Wie beurteilen Sie das Problem?
Die Medienkompetenz des Hauptteils der Gesellschaft in der Schweiz ist noch immer von herkömmlichem linearem Fernsehen und Radio geprägt und hat kein Sensorium für diese modernen, KI-gestützten Fluten an Propaganda. Bei den Jungen jedoch sehe ich, dass sie diese «Spiele» erkennen und viel kritischer werden.

Was halten Sie vom Plan des Bundesrates, in Zukunft die Bevölkerung mit einer eigenen App direkt zu informieren?
Das ist unumgänglich, weil sich die Art und Weise, wie wir zukünftig Informationen suchen und empfangen, fundamental ändert.

Die Antworten wurden leicht gekürzt.

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125 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Clandestino
25.09.2025 05:15registriert Mai 2025
Eine sehr gute und sehr wichtige Idee! Und ich hör die Populisten schon, wie sie von staatlicher Zensur herumlamentieren...
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Gina3
25.09.2025 06:28registriert September 2023
Es ist wirklich traurig und tragisch, wie viel Energie und Ressourcen erforderlich sind, um Fake News zu bekämpfen.
Und denen, die sagen: „Allein aufgrund einer abweichenden Meinung wird man hier als Bot oder Troll beschuldigt“, kann ich nur antworten:
Der Kampf gegen Fake News ist der einzige Weg, um einen echten Dialog wieder in Gang zu bringen.
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Poly Tick
25.09.2025 06:38registriert Oktober 2023
Sehr gut, vielen Dank!

By the way: Beantragt doch bitte auch gleich noch die Ausweisung von "gewissen Damen und Herren", die im Auftrag Putins in der Schweiz "unterwegs" sind...
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