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Digitec Galaxus wirft Twint raus

Der Ansturm am Black Friday hat die IT-Systeme an ihre Grenzen gebracht. Die Bezahl-App Twint kämpfte mit Problemen. (Archiv)
Im Online-Shop per Twint bezahlen: Bei Digitec Galaxus geht das vorerst nicht mehr. Bild: KEYSTONE

«Es hat sich ausgetwintet»: Digitec Galaxus wirft Twint raus

Digitec Galaxus und Twint streiten um Gebühren. Da sich der grösste Schweizer Online-Händler und der populäre Mobile-Payment-Dienst nicht einigen konnten, hat es sich vorerst «ausgetwintet».
01.03.2020, 10:5402.03.2020, 16:46
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Der März beginnt für Kunden von Digitec Galaxus mit einer happigen Überraschung: Auf der Website erklärt der Schweizer Online-Händler, dass das Bezahlen per Twint per sofort nicht mehr möglich sei.

«Nun ist es passiert: Per Ende Februar hat uns der Schweizer Zahlungsdienstleister Twint seinen Service abgeschaltet. Ihr könnt auf digitec.ch und galaxus.ch ab sofort nicht mehr mit Twint zahlen.

Der Schritt hat sich seit Monaten abgezeichnet: Twint wollte uns eine Zahlungsgebühr aufzwingen, die bei einem Vielfachen des bisherigen Preises liegt. Wir haben uns geweigert, die Offerte anzunehmen. Schliesslich hätten wir die Mehrkosten auf unsere Kunden abwälzen müssen – über generell höhere Preise oder über eine nicht zeitgemässe Gebühr für Twint-Zahlungen.

Wir bedauern den Schritt von Twint. Twint war bis zuletzt nach Kreditkarte und Rechnung das drittpopulärste Zahlungsmittel der digitec- und Galaxus-Kunden. Im Jahr 2015 gehörten wir zu den ersten, die die neue Zahlungsoption anboten. Wir entschieden uns für Twint, weil das Unternehmen mit dem Anspruch antrat, sich als günstiges alternatives Zahlungsmittel zu etablieren. So war ursprünglich angedacht, dass man in der Twint-App nur das Bankkonto hinterlegen kann – nicht aber teure Kreditkarten. Es kam anders.

Ende Mai 2016 fusionierte Twint mit der Konkurrentin Paymit. Neu gehörten zu den Eigentümern von Twint nebst PostFinance auch die UBS, die ZKB, die Schweizer Börse SIX und der französische Zahlungsdienstleister Worldline. Nach dem Zusammenschluss wollte unnötigerweise jede Bank eine eigene Twint-App haben. Unter anderem diesen Extra-Aufwand wollen die Aktionäre nun durch die Preiserhöhung wieder hereinholen. Doch was können wir oder unsere Kunden dafür, dass Twint geschätzt eine halbe Milliarde für eine vereinfachte Banküberweisung verbrannt hat?

Zudem einigten sich die Twint-Eigentümer darauf, dass die den Händlern belastete Kommission teilweise an die Bank weitergereicht wird, deren App benutzt wird. Damit überhaupt Geld zum Verteilen da ist, war Twint noch stärker genötigt, seine Preise zu erhöhen. Dagegen haben wir uns gewehrt und bis heute nicht nachgegeben.»
Digitec Galaxusdigitec.ch

Twint kontert umgehend: «Digitec Galaxus verbreitet unwahre Informationen»

In einer längeren Stellungnahme wirft Twint Digitec vor, ihre Kunden nicht richtig zu informieren: «Alle Behauptungen von Digitec sind falsch. Twint verrechnet tiefere Transaktionsgebühren, als die meisten anderen Zahlungsmittel, die Digitec im Angebot hat und Twint verrechnet auch keine versteckten Kosten.» Man habe kein neues Preismodell. Digitec habe bisher lediglich von einem Sondertarif profitiert. Nun müsse Digitec die gleichen Gebühren zahlen, wie alle anderen Händler auch.

«TWINT hat Digitec Galaxus den Vertrag zur Nutzung von TWINT als Zahlungsmittel gekündigt, weil Digitec Galaxus nicht bereit ist, TWINT eine faire und bei allen Zahlungsmitteln übliche Übermittlungsgebühr zu bezahlen.

Die veröffentlichten Behauptungen von Digitec Galaxus sind falsch und irreführend. Tatsache ist, dass TWINT zu den Zahlungsmitteln mit den tiefsten Transaktionsgebühren gehört, günstiger als viele Zahlungsmittel, die auch Digitec Galaxus im Angebot hat. Zudem verrechnet TWINT keine versteckten Kosten. Auch die anderen Behauptungen von DigitecGalaxus sind reine Augenwischerei.

Richtig ist, dass TWINT nicht mehr länger bereit war, Digitec Galaxus Sonderkonditionen, wie sie beim Start von TWINT üblich waren, länger zu gewährleisten. Alle anderen rund 7000 Händler in der Schweiz zahlen faire und auch im Vergleich zu Kreditkarten und anderen Zahlungsanbietern günstige Transaktionsgebühren. ‹Dass sich Digitec Galaxus ausgerechnet mit dem grössten Schweizerischen mobilen Zahlungsmittel TWINT nicht einigen will, aber die Gebühren bei alle anderen Zahlungsmitteln offenbar akzeptiert, halten wir für unfair›, sagt TWINT CEO Markus Kilb und hofft, dass die vielen zufriedenen TWINT Kunden bald auch bei Digitec Galaxus wieder mit TWINT bezahlen können, dem einzigen Zahlungsmittel, das auch ohne Kreditkarte funktioniert und wo keine persönlichen Zahlungsdaten weitergegeben werden müssen.»

Ist die Entscheidung definitiv?

Digitec lässt die Tür für Twint offen: «Wir wünschen uns ein entschlacktes Twint zurück, mit dem wir und vor allem unsere Kunden günstig bezahlen können.»

Markus Kilb, CEO von Twint, sagt: «Wir sind weiterhin offen mit Digitec Galaxus über eine faire Entgeltung unserer Services zu sprechen. Es ist ja schade, wenn die vielen Digitec Galaxus KundInnen, die gerne mit Twint bezahlt haben, dies nun nicht mehr tun können.»

Er wolle aber nicht auf die faire Bezahlung für den Service verzichten: «Es wäre gegenüber allen Händlern unfair, wenn wir einem Marktteilnehmer völlig andere Konditionen gewähren würden».

«Twint hat in der Einführungsphase – wie dies branchenüblich ist – Sondertarife und Einführungsverträge gehabt. Diese Zeit ist nun aber vorbei.» Twint bringe auch dem Händler viele Vorteile. «Daher gelten nun die branchenüblichen Preismodelle, die Twint ausnahmslos einsetzt», sagt Kilb. Die so generierten Erträge brauche man, «um das System laufend auszubauen und den immer noch massiv steigenden User- und Transaktionszahlen anzupassen».

Was sagt Twint zum Vorwurf zu hoher Gebühren?

Auf Anfrage von watson heisst es: «Das Gegenteil ist der Fall. Twint gehört im Vergleich mit anderen Zahlungsmitteln für Händler zu den günstigsten aller Zahlungsmittel. Die Verträge werden in Abhängigkeit unter anderem vom Umsatz des Händlers ausgehandelt. Jedes Zahlungsmittel hat daher unterschiedliche Konditionen, je nach Händler. Uns sind jedoch keine Fälle bekannt, in welchen Gebühren von Twint höher als Kreditkarten wären.»

Digitec widerspricht: «Tatsächlich verlangt Twint von Digitec Galaxus eine Zahlungsgebühr, die höher ist als die meisten bei uns genutzten Zahlungsoptionen. Selbst manche Kreditkarten sind bei uns günstiger als die Twint-Offerte. Und das, obwohl die Twint-Nutzer grösstenteils ihr Bankkonto hinterlegt haben – und nicht eine vermeintlich teure Kreditkarte.»

Es steht also Aussage gegen Aussage: Klar ist, hinter den Kulissen läuft seit Monaten ein Machtkampf, der nun in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird. Digitec Galaxus und Twint streiten auf dem Buckel der Kunden über Gebühren. Twint will Digitec Galaxus offenbar nicht länger eine Extrawurst gewähren. Der mögliche Grund: Twint hat zwar über zwei Millionen Nutzer, verdient aber bislang dem Vernehmen nach kaum Geld. Laut Digitec Galaxus will Twint nun über höhere Gebühren beim Bezahlen in den Online-Shops von Digitec und Galaxus zu mehr Einnahmen kommen. Dem Online-Händler passt dies nicht. Das würde wohl seine Gewinne schmälern. Der Verdacht liegt nahe, dass der führende Schweizer Online-Händler mit der drastischen Massnahme versucht, den Druck auf Twint zu erhöhen, um doch noch tiefere Gebühren durchzusetzen bzw. seinen günstigeren Sondertarif zu behalten.

Viele Digitec Galaxus Kunden zeigen in den Kommentaren Verständnis für die Entscheidung des Händlers, bedauern aber auch gleichzeitig den (temporären) Verlust der sicheren und bequemen Bezahllösung per Handy.

(oli)

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225 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Beat_
01.03.2020 11:30registriert Dezember 2018
Wieso muss den twint überhaupt noch Geld verdienen, bzw. einen Gewinn erwirtschaften?
Ich erachte twint als eine Dienstleistung, die den Banken eine Kundenbindung ermöglicht. Und die Banken bekommen bereits Kontogebühren von mir, dass sollte dann mal reichen.
Statt immer neue unnötige Funktionen wäre vielleicht eine Vereinfachung angebracht, und ebenso die Untertützung von Kleinhändlern, die nicht tausende von Transaktionen generieren.
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wasihrnichtsagt
01.03.2020 11:19registriert April 2018
Das ist der Start vom Ende von Twint. Schade wenn der Exit für die Gründer zwar gut war, doch die neuen Eigentümer eben keine Gamechanger sind.
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45rpm
01.03.2020 11:20registriert August 2016
Nun ja, das ist zwar schon Aussage gegen Aussage, aber wenn man mit Lockmittelpreisen ein Angebot startet und später erhöht, dann ist das ebenfalls nicht fair. Man kann nicht einfach inmitten des Geschäfts die Spielbedinungen abändern.
Erinnert mich an den Fall Manor versus Swisslife.
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