Dieser Beitrag dreht sich um die Enthüllungen eines jungen Westschweizer Journalisten, der eine Gruppe von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern in der Romandie «infiltriert» hat. Dies im Auftrag des Westschweizer Online-Mediums Heidi.news, das nun in einer Serie über die Akteure und ihre beunruhigenden Ansichten berichtet.
Die Pandemie war geplant. Das Virus existiert nicht. Alles eine riesige Verschwörung, in Kombination mit 5G und obligatorischen Impfungen, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Zudem lässt die Schweizer Regierung Kinder entführen, um reiche und mächtige Pädokriminelle zu versorgen.
Das sind keine geschmacklosen Scherze, sondern einige der Verschwörungstheorien, die von «einer gut organisierten Gruppierung» in der Romandie vertreten werden, wie Heidi.news berichtet. Mit den bei YouTube und Facebook verbreiteten Videos werden Millionen Zuschauer erreicht.
Die gleichen Leute bilden auch das Referendumskomitee gegen die SwissCovid-App. Mit an Bord: ein Mitglied des eidgenössischen Parlaments aus dem Wallis.
Um zu verstehen, wer diese Menschen sind, wie sie denken und welche Absichten sie verfolgen, hat Sami Zaïbi das «Verschwörungs-Netzwerk» infiltriert. Während fast zwei Monaten – mitten in der Corona-Krise – recherchierte der 24-jährige Journalist «undercover». Dies im Auftrag von Heidi.news, dem im Frühling 2019 lancierten französischsprachigen Online-Magazin, das seinen Sitz im Kanton Genf hat.
Heidi.news hat am Montag die ersten Artikel zur grossen Recherche von Sami Zaïbi veröffentlicht, früh am Dienstagmorgen einen dritten. Weitere Artikel sollen folgen.
«Wir haben einen Journalisten eingeschleust bei den unerbittlichsten Verschwörern der Westschweiz», titelte das französischsprachige Online-Medium Heidi.news am Montag. Chefredaktor Serge Michel erklärt in dem Beitrag, warum zu dieser journalistischen Methode gegriffen wurde.
Die Gewalt der Worte habe die Journalisten herausgefordert, schreibt Michel. So wie auch der Erfolg von Verschwörungsvideos, die über den im April 2020 gegründeten YouTube-Kanal Agora TV verbreitet wurden (dazu unten mehr).
Zudem hätten die Macher der Verschwörer-Videos die gestellten Fragen nicht beantwortet. Darum habe er einen ehemaligen Studenten angefragt, ob er als Investigativreporter tätig werden könne. «Eine Kamikaze-Mission.»
Man sei sich durchaus bewusst, dass solche «Infiltrationsmethoden» Fragen aufwerfen würden, räumt der Chefredaktor von Heidi.news ein. Gemäss Artikel 4 der Münchner Konvention über die Rechte und Pflichten von Journalisten müssten Informationen nach «fairen Methoden» eingeholt werden. Artikel 1 ersuche darum, die Wahrheit zu respektieren.
In Bezug auf Undercover-Journalismus und versteckte Kameras verlange die schweizerische und europäische Rechtsprechung, um sie zu rechtfertigen, dass die so erhaltenen Informationen von öffentlichem Interesse sein müssen und dass es keinen anderen Weg gebe, um sie zu bekommen.
Für ihn seien diese beiden Bedingungen erfüllt, hält der Chefredaktor in dem Beitrag fest und begründet dies mit ziemlich beunruhigenden Erkenntnissen, die wir im Nachfolgenden zusammengefasst wiedergeben.
Ja, findet der Heidi.news-Chefredaktor, und beschreibt die zwei auffälligsten Ähnlichkeiten zwischen den Westschweizern und der amerikanischen QAnon-Bewegung:
Sie seien zutiefst antidemokratisch, aber sie zögerten nicht, die Instrumente der direkten Demokratie zu nutzen, wird in einem der Heidi-News-Berichte kommentiert. Zum Beispiel durch die Lancierung des SwissCovid-Referendums (Ende der Unterschriftensammlung am Donnerstag, 8. Oktober) und durch die Organisation von öffentlichen Anti-Maskendemonstrationen, wie die vom 12. September in Genf.
Nein. Was die politische Positionierung betrifft, gibt es gemäss den Recherchen von Heidi.news «einen Zusammenschluss der beiden Extreme, von der Anti-Globalisierungs-Linken bis zur ultranationalistischen Rechten, von den ‹gelben Westen› bis zur SVP, einschliesslich Donald Trump». Es würden kontroverse Persönlichkeiten unterstützt wie der französische Komiker Dieudonné, der wegen rassistischer Äusserungen verurteilt wurde, sowie auch andere Antisemiten.
Die Verantwortlichen halten sich bezüglich ihrer eigentlichen Motivation bedeckt, schreibt Zaïbi. Dies, um mögliche Interessenten nicht im Vornherein abzuschrecken.
Ihren bislang grössten Erfolg konnte die Gruppierung im Juli mit der Lancierung der Unterschriftensammlung gegen die SwissCovid-App feiern. Ein vielbeachteter öffentlicher Auftritt an einer Medienkonferenz in Bundesbern, landesweit verbreitet durch Journalisten. Auch watson berichtete.
Laut den Verschwörern sind alle «Mainstream-Medien» Komplizen der Mächtigen und schüren eine irrationale Angst vor dem Coronavirus.
Dabei offenbart das Engagement der Corona-Leugner religiöse Züge, wie Zaïbi beschreibt:
Dies sei auch in der internen Vorbesprechung auf die Medienkonferenz zum SwissCovid-Referendum ersichtlich gewesen. Die Verantwortlichen hätten diskutiert, ob sie öffentlich über Bill Gates, die Pädokriminalität etc. sprechen sollten. Dies sei schliesslich verworfen worden, aus Angst, damit die Bevölkerung zu verunsichern und Goodwill zu verlieren.
Der in der Westschweiz bekannte YouTube-Kanal ist das Online-Sprachrohr der Gruppierung.
Die YouTube-Videos bestehen laut Heidi.news im Allgemeinen aus «Reden» von angeblichen «Whistleblowern», die vor der Kamera «die schreckliche Wahrheit» erzählten. Inhaltlich gehe es um fünf Hauptthemen: Satanismus, Kinderkriminalität, 5G, Impfstoffe und natürlich die Corona-Krise.
Für die sogenannten «Whistleblower» seien alle Themen eng miteinander verbunden und bildeten zusammen eine immense und gefährliche Verschwörung, die in Genf, dem Sitz der Globalisierung und der Uno, ausgebrütet werde.
Sie ist laut den Berichten von Heidi.news eine zentrale Figur. «Mathematiklehrerin an einem Genfer College. Französisch-belgischer Herkunft.» Sie sei ein «Star» der Westschweizer Verschwörungsszene, schreibt Zaïbi, und dank eines Facebook-Videos, das sich viral verbreitete, bekannt geworden. «Sie organisierte einen Marsch gegen das Maskentragen und steht auch hinter dem Referendum gegen SwissCovid.» Und sie war Mitorganisatorin von Gelbwesten-Protesten in Genf.
Studierter Ökonom und Banker, Informatiker und später philippinischer Konsul in Lausanne. Er stamme aus einer alten Schweizer Familie, von der er behaupte, sie habe zahlreiche Verschwörungen überlebt. Seit zwei Jahrzehnten sei der Kampf gegen die Freimaurerei sein erklärtes Ziel.
Der 64-jährige Waadtländer nahm im vergangenen Jahr an Gelbwesten-Protesten auf dem Berner Bundesplatz teil und machte sich 2018 für die Vollgeld-Initiative stark.
Dies sind nur zwei Figuren aus dem Führungsgremium. Heidi.news benennt noch weitere Personen, die zum Teil ebenfalls in der Romandie als Pädagogen tätig seien.
Das kommt auf die Perspektive an.
Heidi.news schreibt:
Die Redaktion werde deshalb die Bildungsdirektionen (DIP) im Kanton Waadt und Genf zu diesem Thema befragen.
Chloé Frammery nimmt in einem bei YouTube (Agora TV) veröffentlichten Video Stellung zur Recherche und sagt, sie sei weder antidemokratisch, noch antiwissenschaftlich.
Update: Der YouTube-Kanal von Agora TV wurde von YouTube gesperrt. Es heisst: «This account has been terminated for violating YouTube's Community Guidelines.»
Die Enthüllungsberichte bei Heidi.news: