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EU-Chatkontrolle: Chefin der Signal-App droht mit Rückzug aus Europa

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Meredith Whittaker, Präsidentin der gemeinnützigen Signal-Stiftung.Bild: www.imago-images.de

Darum droht die Chefin der Signal-App mit Rückzug aus Europa

Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation, schlägt wegen der EU-Chatkontrolle Alarm.
01.10.2025, 08:0701.10.2025, 09:35

Die Chefin der Signal-App hat Pläne in der EU kritisiert, wonach Messenger Hintertüren haben sollen, um die automatische Suche nach kriminellen Inhalten zu ermöglichen. Signal gilt als einer der sichersten Messenger.

Signal app on a smartphone is seen on a mobile device screen Tuesday, March 25, 2025, in Chicago. (AP Photo/Kiichiro Sato)
Defense War Plans Circulated
Signal ist ein Messengerdienst.Bild: keystone

«Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, entweder die Integrität unserer Verschlüsselung und unsere Datenschutzgarantien zu untergraben oder Europa zu verlassen, würden wir leider die Entscheidung treffen, den Markt zu verlassen», sagte Meredith Whittaker der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Datenschutzexpertin ist Präsidentin der gemeinnützigen Signal-Stiftung in den USA, die Signal entwickelt.

Die Europäische Union berät seit drei Jahren über ein Gesetz, mit dem der Kampf gegen Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs neu geregelt werden soll. Der Vorschlag einer entsprechenden Verordnung sieht vor, dass Messenger wie WhatsApp, Signal, Telegram oder Threema ermöglichen sollen, dass die Inhalte noch vor der Verschlüsselung geprüft werden können. Dafür müssten die Apps einen Kontrollmechanismus enthalten, der jeden Inhalt überprüfen kann.

«Nicht nur die Guten haben Zugriff auf eine Hintertür»

Whittaker sagte, Signal werde niemals die Integrität seiner Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben. «Sie garantiert die Privatsphäre von Millionen und Abermillionen von Menschen auf der ganzen Welt, oft auch in lebensbedrohlichen Situationen.» Deshalb lehne Signal die Chatkontrolle ab. «Es ist bedauerlich, dass Politiker weiterhin einer Art magischem Denken verfallen, das davon ausgeht, dass man eine Hintertür schaffen kann, auf die nur die Guten Zugriff haben.»

In der Debatte um eine Chatkontrolle in der EU hatte sich das Europaparlament gegen solche Pläne gestellt – mit einer breiten Mehrheit quer durch alle politischen Lager. Im Rat der Mitgliedstaaten gab es hingegen eine Mehrheit für die Chatkontrolle. Doch ohne Deutschland und einige andere Staaten waren die Pläne auch hier nicht durchsetzbar. Dies könnte sich unter der Ratspräsidentschaft von Dänemark nun ändern.

Unklare Haltung der Bundesregierung

Wichtig wird sein, wie Deutschland sich positioniert. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung heisst es: «Wir bekämpfen Diskriminierung im digitalen Raum und schützen digitale Grundrechte. Grundsätzlich sichern wir die Vertraulichkeit privater Kommunikation und Anonymität im Netz.»

Das Wort «grundsätzlich» deutet jedoch an, dass Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden können. Kritiker befürchten, dass damit auch das Einbauen von Hintertüren in WhatsApp, Signal und Co. möglich sein soll.

Signal-Chefin Whittaker sagte, im schlimmsten Fall werde man mit Partnern und der Community zusammenarbeiten, um zu sehen, ob man Wege finden kann, diese Regeln zu umgehen. Das habe Signal auch gemacht, als die App in Russland oder dem Iran blockiert wurde. «Aber letztendlich würden wir den Markt verlassen, bevor wir gefährliche Gesetze wie diese einhalten müssten.»

Warnung vor den KI-Agenten

Whittaker warnte in dem Gespräch mit der dpa auch vor dem Einsatz von sogenannten KI-Agenten, also Software-Robotern mit Künstlicher Intelligenz, die im Auftrag des Anwenders im Netz unterwegs sind und eigenständig Dinge erledigen, um etwa einen Tisch in einem Restaurant zu reservieren oder Termine unter Freunden abzustimmen.

«Diese KI-Agenten verlangen enorme Zugriffsmöglichkeiten und nahezu unbegrenzte Berechtigungen. Dabei erhalten sie Zugang zu wichtigen Anwendungen und Diensten – vom Kalender, über das E-Mail-Konto, die Signal-App oder die Kreditkarte.»

Damit sich die Apps wie Signal wirksam gegen ein Ausspionieren zur Wehr setzen können, seien nun die Hersteller der Betriebssysteme für Computer und Mobiltelefone in der Pflicht – also Microsoft mit Windows, Google mit Android und Apple vor allem mit iOS für das iPhone. Sie müssten auf Entwicklerebene eine Widerspruchsmöglichkeit gegen KI-Agenten einrichten.

(sda/dpa)

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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Garp
01.10.2025 08:53registriert August 2018
Ich verstehe Frau Whittaker sehr gut und finde sie hat recht. Die EU Politiker wollen sich profilieren und Privatsphäre auflösen unter dem Deckmantel etwas gegen Kriminalität zu tun.
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fant
01.10.2025 08:54registriert Oktober 2015
Genau dieses Voehaben war der Grund, warum Frau von der Leyen schon in Ihrer Zeit als deutsche Familienministerin den Spitznamen "Zensursula" bekommen hatte.

Die Formulierung von Whittaker ist sachlich perfekt:

"dass Politiker weiterhin einer Art magischem Denken verfallen, das davon ausgeht, dass man eine Hintertür schaffen kann, auf die nur die Guten Zugriff haben."

Es gibt nur "verschlüsselt" oder "nicht verschlüsselt". Es gibt kein "ein bisschen verschlüsselt" oder "nur für fast alle verschlüsselt ausser dem Staat" etc.
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Snowy
01.10.2025 08:51registriert April 2016
Es beginnt immer mit Pädo-Kriminalität.
Damit wurde u.a. auch in der Schweiz die unsägliche Büpf-Abstimmung gewonnen.

„Etwas“ gegen Kinderpornografie zu tun - da kann ja nun wirklich niemand dagegen sein und dafür ist man auch gewillt Privatsphäre herzugeben.
So denken viele.
Aber gut gemeint ist nicht gut gemacht.

Wer glaubt, dass es lediglich bei Kinderpornographie bleiben wird - der glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Wenn (staatliche) Dienste einmal erst solch wirkungsvolle Möglichkeiten haben, unsere Kommunikation zu scannen, dann wird sie auch weitergehend verwendet.
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