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Elon Musk kauft Twitter – und die Twitterwelt ist sich uneins

Elon Musk kauft Twitter – und es bleiben viele offene Fragen

26.04.2022, 07:5026.04.2022, 12:51
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Twitter dürfte bald einer einzigen Person gehören: Tech-Milliardär Elon Musk, dem reichsten Menschen der Welt.

Der Verwaltungsrat der Plattform gab seinen Widerstand gegen Musks Übernahmeattacke nach nur wenigen Tagen auf und stimmte einem Deal zu. Twitter und Musk geben sich nun Zeit bis Ende des Jahres, um den Verkauf abzuschliessen.

Der Tesla-Chef musste dafür nicht einmal das Gebot erhöhen – es reichte schon, dass er Finanzierungszusagen über 46.5 Milliarden Dollar auf den Tisch legte.

Musk hält bereits gut 9 Prozent der Twitter-Aktien. Für eine Übernahme reicht es, wenn er über die Marke von 50 Prozent kommt: Jetzt müssen also nur noch genug Twitter-Aktionäre Musk ihre Anteile verkaufen, damit er die Kontrolle übernehmen kann.

Viele offene Fragen

Was will der Chef eines Elektroauto-Herstellers, einer Weltraumfirma und eines Entwicklers von Gehirn-Implantaten mit Twitter? Wie wird sich der Dienst, der zu einer Art Nervensystem der Nachrichtenbranche wurde, als sein Privatbesitz verändern? Wer kann sicherstellen, dass Musk Twitter nicht für seine geschäftlichen Interessen einspannt? Wird man ohne die Transparenz von Börsenberichten überhaupt erfahren, wie Twitter sein Geld verdient und ob das Geschäft läuft? Das sind alles Fragen, auf die es bisher keine zuverlässigen Antworten gibt.

Musks Vorstellung von Redefreiheit

Musk schlug bei seinen Erklärungen für den Übernahmedrang grosse Töne an. Es gehe hier nicht um Geld, sondern darum, die Redefreiheit auf der Plattform zu stärken, sagte er. Das sei nur möglich, wenn der Kurznachrichtendienst die Börse verlasse.

Seine Vorstellung von Redefreiheit umriss Musk so: «Wenn jemand, den man nicht mag, etwas sagen darf, was man nicht mag.» Im Rahmen der Gesetze sollten alle Meinungen erlaubt sein. Twitter mit Redefreiheit sei wichtig für die Demokratie und minimiere die Risiken für die Zivilisation, sagte er.

«Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker bei Twitter bleiben – weil genau das Redefreiheit bedeutet», entgegnete er Kritikern des Übernahmedeals.

Kritiker: «Gefährlich für Demokratie»

Nun ist es allerdings so, dass über angebliche «Zensur» bei Twitter besonders lautstark vor allem zwei Gruppen klagten:

  • Leute, gegen deren Beiträge wegen falscher oder irreführender Informationen zum Coronavirus vorgegangen wurde
  • Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump, die nicht ohne weiteres behaupten können, ihm sei die Wahl 2020 gestohlen worden

Aus diesen Lagern kam Applaus für Musks Visionen.

Andere schlugen dagegen Alarm:
So schrieb die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren bei Twitter:​

«Dieser Deal ist gefährlich für unsere Demokratie. Milliardäre wie Elon Musk spielen nach anderen Regeln als alle anderen.»

Besorgt zeigte sich auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union): Obwohl Musk ihr Mitglied und einer der wichtigsten Unterstützer sei, sei es «sehr gefährlich, so viel Macht einer Person in die Hand zu legen».

Der ehemalige Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos, der weiss, wie stark Beiträge bei Online-Plattformen gefiltert werden müssen, warnte bereits vor Tagen vor einer Alles-Erlaubt-Einstellung.

Die Menschenrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) versuchte, Musk ihre Sicht von Grenzen für Meinungsäusserung zu vermitteln: «Redefreiheit ist wunderbar, Hassrede ist inakzeptabel.» Auch für Falschinformationen sei kein Platz bei Twitter.

Kommt Trump jetzt wieder?

NAACP-Präsident Derrick Johnson appellierte an Musk, Trump nicht zurück auf die Plattform zu lassen: «Leben sind in Gefahr – und auch unsere amerikanische Demokratie.»

Trump wurde bei Twitter verbannt, nachdem er Sympathie für seine Anhänger bekundet hatte, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington erstürmt hatten. Das Management betonte bisher, dass es für ihn keinen Weg zurück auf die Plattform gebe.

Trump selbst sagte jedenfalls dem Sender Fox News, er wolle nicht zu Twitter zurückkehren, selbst wenn er es dürfte. Der Ex-Präsident baut stattdessen seine eigene Twitter-Alternative mit dem Namen Truth Social auf, die jedoch bisher ein Schattendasein führt.

Doch Musk könnte das anders sehen: Er finde vorläufige «Timeouts» besser als permanente Ausschlüsse, sagte der Tesla-Chef allgemein.

Hohe Kredite, Verkauf von Aktien und ein Abo-Modell

Musk ist die mit Abstand reichste Person der Welt. Er besitzt ein geschätztes Vermögen von rund 257 Milliarden Dollar. Sein Reichtum besteht allerdings fast ausschliesslich aus Aktien von Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX, sodass er für einen Twitter-Kauf zu Krediten greifen muss.

Um den Deal einzugehen, präsentierte der 50-Jährige Zusagen für Kredite über 25.5 Milliarden Dollar und will darüber hinaus Aktien im Wert von rund 21 Milliarden Dollar einbringen.

Zu Musks Ideen für Twitter gehört, dass ein Abo-Modell die Unabhängigkeit von grossen Konzernen besser absichere als das heutige Werbegeschäft. Aber ob genug Nutzer bereit sind, für Twitter-Nutzung Geld zu bezahlen, ist zweifelhaft.

(yam/awp/sda/dpa)

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Füürtüfäli
26.04.2022 09:02registriert März 2019
Ich mag es wirklich nicht, in einer Welt zu leben, in der Einzelpersonen mit solchen Beträgen ,egal wofür, jonglieren können.
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schneeglöggli
26.04.2022 08:07registriert Februar 2016
Also mir macht das Angst. Noch mehr Macht in den Häden von noch weniger Personen.
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bokl
26.04.2022 08:13registriert Februar 2014
«Dieser Deal ist gefährlich für unsere Demokratie. Milliardäre wie Elon Musk spielen nach anderen Regeln als alle anderen.»

Liebe Frau Warren. Es ist ihr Job Gesetze zu erlassen, damit für Milliardäre die gleichen Regeln gelten wie für alle anderen. Aber vielleicht gibt es dann auch weniger Geld von den "genehmen" Milliardären.
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