Es ist nur eine von Hunderten Stellen, die der E-Autobauer Tesla für sein Werk in Brandenburg ausgeschrieben hat. Doch bei genauerem Hinsehen unterscheidet sich die Position mit dem Titel «Security Intelligence Investigator» deutlich von den übrigen Annoncen, mit denen das US-Unternehmen Kfz-Mechatroniker und Software-Ingenieure, Servicekräfte und Verkaufsberater sucht.
Der Grund: Sie erfordert eine sehr spezielle Vorbildung. Mehrere Jahre Berufserfahrung in einem Geheimdienst oder einer Polizeibehörde werden vorausgesetzt. Aber nicht etwa, weil das Unternehmen nur vor äusseren Gefahren geschützt werden soll: Der Feind in den eigenen Reihen soll gefunden werden, also Mitarbeiter, die bereit sind, Interna an Medien durchzustechen. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was deutschen Tesla-Mitarbeitern blühen könnte. Denn in den USA sind solche Abteilungen mit internen Ermittlern bereits berüchtigt.
Schon lange hat sich der Unternehmer, der manchen als technologischer Vordenker gilt, einen zweifelhaften Ruf erworben: Tesla, so heisst es, mache auf seine Anweisung hin kompromisslos Jagd auf Mitarbeiter und ehemalige Angestellte, die Medien mit Infos versorgten.
Für solche Operationen wäre dann auch ein «Security Intelligence Investigator» zuständig, wie ihn Tesla nun für Brandenburg sucht.
In der Stellenausschreibung klingt das zwar etwas anders: Die gesuchte Person sei dafür verantwortlich, Teslas «geistiges Eigentum, Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Informationen» zu schützen. Dafür solle diese Person ermitteln und sich mit internen und äusseren Bedrohungen befassen.
Die Tätigkeitsbeschreibung lässt dann allerdings erahnen, dass hier kein gewöhnlicher Security-Posten ausgeschrieben ist: Der Ermittler werde «innerhalb und jenseits» des Tesla-Geländes Vor-Ort-Informationen sammeln und «hochsensible, komplexe und vertrauliche Untersuchungen» durchführen, die «Datenabfluss, Diebstahl geistigen Eigentums, Technologiemissbrauch und Interessenkonflikte» betreffen. Das Ziel: Das «Untergraben der Geschäftstätigkeit» zu verhindern.
Dafür bedarf es offenbar besonderer Qualifikationen: Voraussetzung für Bewerber sind mehrere Jahre Berufserfahrung in Strafverfolgungsbehörden, Nachrichtendiensten oder in der Unternehmenssicherheit.
Ausserdem wird Wert auf Erfahrung in «komplexen, globalen» Untersuchungen gelegt, auf deutsche Sprachkenntnisse und die Kenntnis des rechtlichen Rahmens für die Tätigkeit in Europa. Bewerber sollen in der Lage sein, «auf Führungsebene» zu kommunizieren.
Wäre Teslas Ruf ein besserer, wäre eine solche Ausschreibung möglicherweise nicht weiter erwähnenswert. Grosse Unternehmen sind regelmässig mit Industriespionage befasst und versuchen deswegen, durch eigenes Personal beispielsweise Hacking-Angriffe abzuwehren, bevor Strafverfolgungsbehörden überhaupt eingeschaltet werden müssen.
Doch die Abteilung «Security Intelligence» von Tesla hat bereits jetzt eine sehr beunruhigende Geschichte. Sie begann 2018 mit einem Bericht von «Business Insider». Das US-Portal berichtete damals über angebliche Missstände in der Tesla-Fabrik in Nevada.
Angeblich, so schilderte eine Quelle aus dem Unternehmen, werde durch Ineffizienz in der Produktion massiv Material verschwendet – was enorme Kosten verursache und dem klimafreundlichen Anspruch des Autobauers nicht entspreche. Das Unternehmen widersprach dem Bericht. Und intern startete eine regelrechte Jagd auf den Informanten von «Business Insider».
Denn Unternehmenschef Musk war offenbar ausser sich und setzte die Ermittler der Firma auf den Whistleblower an. Das berichtete später der ehemalige Sicherheitschef der Nachrichtenagentur Bloomberg, der so ebenfalls zum Whistleblower wurde. Ihm zufolge wurde sein Team damit betraut, nicht nur den Informanten zu finden, sondern ihn regelrecht zu «zerstören». Demnach sollte angeblich die Reputation des schnell ausfindig gemachten Angestellten öffentlich beschädigt werden.
Das ging den Schilderungen zufolge so weit, dass das Unternehmen die Polizei rief, um einen angeblich geplanten Amoklauf durch den Whistleblower zu verhindern. Als die Polizei feststellte, dass ein solcher Amoklauf niemals geplant war, verschickte sie auch keine Pressemitteilung dazu – das erledigte dann das Unternehmen selbst und verbreitete die Behauptung trotzdem.
Tesla hat die Darstellungen als «unwahr» bezeichnet, sie seien nur dazu gedacht, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. Ein Rechtsstreit mit dem ersten Whistleblower endete damit, dass er dem Unternehmen 400'000 US-Dollar als Schadensersatz zahlen musste – nur ein Bruchteil dessen, was Tesla ursprünglich erstreiten wollte. Doch die Vorwürfe rissen nicht ab.
Ein weiterer Ex-Security-Mitarbeiter warf Tesla vor, das Unternehmen höre die Handys seiner Mitarbeiter ab. Der Fernsehsender CNBC veröffentlichte ausserdem Recherchen, wonach das Unternehmen in sozialen Netzwerken unzufriedene Mitarbeiter beobachten liess.
Glaubt man diesen Darstellungen, gäbe es vermutlich reichlich zu tun für einen «Security Intelligence Investigator» auch in Deutschland: Die Tesla-Fabrik in Bandenburg sorgt regelmässig für kleinere und grössere Schlagzeilen – auch weil Journalisten mit Interna aus dem Werk versorgt werden.
Erst in jüngster Vergangenheit hatte Elon Musk für 44 Milliarden Euro den Kurznachrichtendienst Twitter gekauft: Unter dem Vorwand, freie Meinungsänderung endlich wieder möglich zu machen, hat er – mit Unterstützung des Königsreichs Saudi-Arabien als Investor – seitdem zahlreichen Verschwörungsgläubigen, Neonazis und Antisemiten wieder zu Reichweite auf der Plattform verholfen, die zuvor dort gesperrt waren. Er verbreitet seitdem etliche ihrer Erzählungen selbst weiter.
Zeitgleich startete eine aussergewöhnliche Kampagne: Mithilfe interner Dokumente liess Musk sogenannte «Twitter Files» anfertigen, die politische Zensur konservativer Stimmen durch die bisherigen Betreiber belegen sollen.
Im Kern zeigten sie aber wenig mehr als ein mit rechter Hassrede und politischen Desinformationskampagnen überfordertes Unternehmen. Ein Ex-Mitarbeiter musste trotzdem wegen Morddrohungen fliehen. Vor Weihnachten gipfelte Musks politisch motivierte Kampagne darin, dass er die Accounts von mehreren US-Journalisten temporär sperren liess.
Vor diesem Hintergrund bekommt auch die Stellenausschreibung des «Sicherheits-Ermittlers» mit Geheimdienstfähigkeiten für Musks Tesla-Fabrik in Brandenburg eine zusätzliche Brisanz. Denn sein Kampf mit Journalisten und ihren Quellen hat nicht erst mit der Twitter-Übernahme begonnen.