Das EU-Parlament hatte letzte Woche mit 339 zu 249 Stimmen bei 24 Enthaltungen mehrheitlich neue Emissionsregeln für neue Autos und leichte Nutzfahrzeuge beschlossen. Bis 2035 soll die Neuwagenflotte der Autobauer 100 Prozent weniger Emissionen als 2021 ausstossen. Bereit im vergangenen Jahr hatte sich die EU-Kommission im Rahmen ihres «Fit for 55»-Klimapakets für ein Verbrenner-Aus bis 2035 ausgesprochen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss sich das Parlament aber noch mit den EU-Staaten einig werden.
Wenn diese Regeln tatsächlich in Kraft treten, bedeuten sie auch das faktische Aus für sogenannte E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe. Der deutsche ADAC und der Verband der deutschen Automobilhersteller plädieren deshalb für eine Technologieoffenheit, damit alternative Kraftstoffe noch eine Chance bekommen. Aber was sind E-Fuels eigentlich – und haben sie wirklich eine Zukunft?
Eine Weile schon schöpfen Traditionalisten in Sachen Antrieb Hoffnung, dass der Verbrennungsmotor doch noch als Sieger aus dem Wettbewerb der Konzepte hervorgehen könnte. Das Zauberwort heisst «E-Fuels». Das sind synthetische Treibstoffe, die mithilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid produziert werden können.
Da bei ihrer Verbrennung nur das CO2 freigesetzt wird, das bei der Produktion aus der Atmosphäre entnommen wird, sind sie weitgehend klimaneutral. Ein weiteres Argument für E-Fuels: Bestehende Transportwege und Tankstellen lassen sich weiter nutzen. Auch Autohersteller und Zulieferer könnten ihre in vielen Jahrzehnten aufgebaute Expertise in Sachen Verbrennungsmotor weiter nutzen und verfeinern.
Jedoch: «Die Energiebilanz von E-Fuels ist grausig», sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Duisburger Car-Center Automotive Research zu t-online. Das liegt daran, dass die synthetischen Treibstoffe das Ergebnis eines mehrfachen Umwandlungsprozesses sind: Zunächst wird dabei mithilfe von Elektrizität Wasserstoff erzeugt (der mithilfe einer Brennstoffzelle auch Autos antreiben könnte). Dieser Wasserstoff wird dann in einem weiteren Arbeitsgang in synthetisches Benzin oder synthetischen Diesel verwandelt – und diese Treibstoffe werden dann am Ende in einem Verbrennungsmotor in Vortrieb umgewandelt.
Bei jedem dieser Schritte entstehen Verluste, sodass bei der Verwendung von E-Fuels nur noch 10 bis 15 Prozent der aufgewendeten Energie für die Fortbewegung genutzt werden können. Der Rest verschwindet im Prozess. Würde man den Strom direkt in einem E-Auto verfahren, statt ihn in die Produktion von E-Fuels zu stecken, so würde man etwa fünfmal so viele Kilometer schaffen. Für Dudenhöffer ist dieser Unterschied so gravierend, dass der Aufbau einer E-Auto-Infrastruktur auf Dauer ökologischer und wirtschaftlicher wäre als E-Fuels und Verbrennungsmotoren.
Bei Porsche sieht man die Sache differenzierter. Gerade baut man in Chile gemeinsam mit Siemens sowie weiteren Partnern aus der Energie- und Mineralölindustrie eine Produktionsanlage für E-Fuels auf. Im Jahr 2026 soll sie 550 Millionen Liter synthetischen Treibstoff jährlich liefern.
Auch Karl Dums, Senior Manager E-Fuels bei Porsche, sagt zu t-online: «Erneuerbare Energie ist ein knappes Gut in Deutschland und muss deshalb so effizient wie möglich eingesetzt werden, zum Beispiel zum Laden von E-Fahrzeugen.» Porsches Argumente für E-Fuels sind andere: Bei geschätzten 1.4 Milliarden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor weltweit werde es Jahrzehnte dauern, bis diese alle ersetzt seien. «Um schneller voranzukommen, brauchen wir Lösungen, die auch Regionen der Welt nahezu CO2-neutral frei mobil halten, in denen der Infrastrukturaufbau für die E-Mobilität mehr Zeit in Anspruch nimmt», so Dums.
Was die Neuwagen angeht, will man aber auch bei Porsche bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent Elektrofahrzeugen erreicht haben. Also E-Antrieb für die, die effizient unterwegs sein wollen? Und eventuell E-Fuels als Alternative für die, die sich einen Porsche 911 ohne den Sound des benzinbetriebenen Boxermotors nicht vorstellen wollen – und in der Lage sind, die Kosten dafür zu tragen?
Sicher ist jedenfalls, dass der Preis eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, ob E-Fuels zu einer Alternative für fossile Treibstoffe und Elektromobilität werden können. Auch da sind die Experten skeptisch. Peter Kasten vom Freiburger Öko-Institut etwa hat an mehreren Studien zu E-Fuels mitgearbeitet. Er geht davon aus, dass die Preise für die synthetischen Kraftstoffe dauerhaft um 25 bis 80 Prozent über denen für Benzin und Diesel aus Erdöl bleiben werden.
Porsche schätzt dagegen, dass E-Fuels umso schneller preislich konkurrenzfähig werden, je mehr sich konventionelle Kraftstoffe in Zukunft verteuern – zum Beispiel durch regulatorische Massnahmen wie Energiesteuern oder CO2-Bepreisung. Allerdings würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass der Staat die synthetischen Kraftstoffe niedriger besteuern müsste als konventionelles Benzin oder konventionellen Diesel. Er müsste also auf Geld verzichten. Und: Strom zum Laden von Elektroautos dürfte wegen der Sache mit dem Wirkungsgrad ohnehin auf Dauer günstiger kommen, als eine Tankfüllung E-Fuel zu produzieren ist.
Ausserdem wäre da die Macht des Faktischen: «Fast alle grossen Hersteller setzen bei den Personenwagen auf Akkus und Elektroantrieb», beschreibt Peter Kasten vom Öko-Institut t-online die aktuelle Lage. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer weist ebenfalls auf diese Tatsache hin. Ausserdem geht er davon aus, dass sich die grossen Kritikpunkte am Elektroantrieb in einigen Jahren erledigt haben werden: «Die Infrastruktur wird ja gerade ausgebaut. Man wird bald schneller laden können und die Langlebigkeit wird steigen.»
Unter anderem VW, BMW und Ford haben für die kommenden Jahre sogenannte Feststoffbatterien angekündigt, die deutlich mehr Strom aufnehmen können und ausserdem recyclingfähig und weniger brandgefährlich sein sollen. Würde es so kommen, so würde es für E-Fuels als Treibstoff für Neuwagen noch schwerer werden – zumindest in Gegenden, in denen die Infrastruktur für Elektroautos existiert.
Eine Existenzberechtigung könnten E-Fuels aber in Europa oder den USA trotzdem haben. Potenzial sehen die Experten da, wo Transportkapazitäten und Reichweiten so gross sein müssen, dass sie mit Akkus nicht zu erreichen sind: bei Flugzeugen, Ozeanschiffen und eventuell bei schweren Lkw. Eine ähnliche Linie fährt auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Sie hatte sich im März in Brüssel für die Bundesregierung hinter den Kommissionsvorschlag gestellt, ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zuzulassen. Mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge seien «nur ausserhalb der CO2-Flottengrenze eine Option», sagte sie – also beispielsweise bei Sonderfahrzeugen wie Krankenwagen oder Baggern. Ob dies allerdings so umgesetzt wird, ist noch ungewiss.
Verwendete Quellen:
(Kai Kolwitz/Christopher Clausen/t-online/oli)