Zemari Ahmadi war am Sonntagabend unterwegs nach Hause, als sein Leben plötzlich ein jähes Ende fand. Er arbeitete für die Wohltätigkeitsorganisation «Nutrition and Education International», wie die New York Times heute schreibt.
Er habe sich immer sehr für die Armen eingesetzt, schreibt der Präsident der amerikanischen Wohltätigkeitsorganisation der Zeitung per Mail. Gerade eben habe er noch Mahlzeiten an hungrige Kinder und Frauen in Flüchtlingscamps in der afghanischen Hauptstadt verteilt.
Am Sonntagabend lud er mit seinem Auto noch Freunde ab, bevor er in die enge Strasse einbog, wo er mit seinen drei Brüdern und deren Familien gelebt hatte, schreibt die New York Times, die mit den Familienmitgliedern des Verstorbenen gesprochen hat.
Als er mit seinem weissen Toyota in die Strasse einbog, rannten ihm die Kinder der Familie freudig entgegen. Einige setzten sich zu ihm ins Auto, andere liefen mit ihm mit, als er in den Hof des Hauses fuhr.
Dann brach plötzlich die Hölle über sie herein. Die US-Armee sprengte mit einer Drohne das Auto in die Luft, wie die Familienmitglieder erzählen.
Die Scheiben von Ahmadis Auto zersplitterten, die Kinder im Auto und er selber überlebten nicht. Auch in den naheliegenden Räumen und Zimmern kamen mehrere Menschen ums Leben.
«Zuerst dachte ich, es seien die Taliban», sagte Ahmadis Tochter, Samia. «Aber es waren die Amerikaner selber.» Sie sei nach draussen gelaufen und habe die ganze Szene gesehen. «Es lagen überall verbrannte Fleischteile.»
Mr. Ahmadi’s daughter Samia, 21, was inside when she was struck by the blast wave. “At first I thought it was the Taliban...But the Americans themselves did it.” She said she staggered outside, choking, and saw the bodies of her siblings and relatives. https://t.co/hRkGsYnESk
— karen zraick (@karenzraick) August 30, 2021
Das Pentagon bestätigte am Sonntag, dass es einen Drohnen-Angriff auf Ableger der Terrormiliz «Islamischer Staat» gegeben habe. Der Einsatz habe erfolgreich eine «unmittelbare Bedrohung» für den Flughafen Kabul durch die Ableger des «Islamischen Staates» abgewendet, teilte das US-Militär noch am Sonntag mit. Erst am Donnerstag gab es einen Anschlag durch Terroristen am Flughafen in Kabul, wobei Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen sind. Auch 13 US-Soldaten verloren ihr Leben.
Darüber hinaus würden die Ergebnisse des Luftschlags noch geprüft, hiess es am Sonntagabend in einer Stellungnahme der US-Kommandozentrale für die Region (Centcom). Dass es zivile Opfer gegeben haben könnte, will das US-Militär nicht ausschliessen. In dem zerstörten Fahrzeug habe sich «eine grosse Menge Sprengstoff» befunden, «die womöglich zu weiteren Opfern führte», hiess es. «Es ist nicht klar, was passiert sein könnte und wir untersuchen das weiterhin. Wir wären sehr traurig über den möglichen Tod Unschuldiger», hiess es in der Stellungnahme des Militärs weiter.
«Wir nehmen das sehr ernst», sagte John F. Kirby, Sprecher des Pentagons am Montag. «Wenn wir wissen, dass durch uns unschuldiges Leben ausgelöscht wurde, sind wir darüber transparent.» Kein Militär der Welt arbeite härter daran, um zivile Opfer zu verhindern als das US-Militär.
Insgesamt seien beim Drohnen-Angriff zehn Zivilisten ums Leben gekommen, wie «CNN», «Washington Post» und «New York Times» übereinstimmend berichten. Die «LA Times» schreibt, es seien sieben Kinder gestorben. Fünf seien jünger als fünf Jahre alt gewesen. Die jüngsten Opfer seien zwei zweijährige Mädchen gewesen, wie «CNN» schreibt. Die Familie habe die körperlichen Überreste des einen Mädchens, Malika, am Montag in den Trümmern ihres Hauses gefunden.
Extraordinary and heartbreaking images from the incredibly brave and talented @yamphoto https://t.co/G2Ho7ID9l2
— Clarissa Ward (@clarissaward) August 30, 2021
Der Bruder eines Getöteten sagte am Montag: «Wir waren eine normale Familie. Wir sind nicht der IS, das war ein Familienhaus, wo meine Brüder mit ihren Familien lebten.» Noch am Montag wurde die Beisetzung von Ahmadi und den weiteren Opfern abgehalten. Die überlebenden Familienmitglieder hätten dabei «Tod für Amerika» skandiert, wie «CNN» weiter berichtet. (cma)