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Drohgebärden und Kräftemessen: Ecowas und Niger in Pattsituation

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Yankuba Drammeh (l.), Chef des Verteidigungsstabs in Gambia, und Seth Amoama (M.), sein Amtskollege aus Ghana, am Ecowas-Treffen in Accra. Bild: keystone

Drohgebärden und Kräftemessen: Ecowas und Niger in Pattsituation

19.08.2023, 21:1319.08.2023, 21:13
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Viel Spielraum gibt es nicht mehr. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hat sich nach dem Putsch im Niger zu einer Militärintervention bereiterklärt. Demnach steht ein Zieldatum für den Einsatz zwar fest, es soll aber nicht veröffentlicht werden. Der Niger, gemeinsam mit seinen Nachbarländern Mali und Burkina Faso, hat als Antwort darauf eine Verteidigungsstrategie mit «konkreten Massnahmen» entwickelt, falls sich die Ecowas für «die Ausbreitung eines Krieges» entscheide, teilte das nigrische Staatsfernsehen mit.

«Wir sind für einen Angriff vorbereitet», sagte Burkina Fasos Verteidigungsminister, Kassoum Coulibaly, am Samstag nach einem Treffen von Vertretern der drei Länder in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Mali und Burkina Faso werden wie der Niger seit Putschen in ihren Ländern vom Militär regiert. Am Fussballstadion von Niamey standen am Samstag Tausende junge Männer Schlange, um der Armee beizutreten.

Young people gather to register to volunteer to fight for the country as part of a volunteer initiative, in Niamey, Niger, Saturday, Aug. 19, 2023. Thousands turned up as a delegation from regional na ...
Vor den Rekrutierungsstellen in Niamey bilden sich lange Schlangen.Bild: keystone

Am späten Freitag hatte die Ecowas verkündet, ihre Einsatztruppen seien bereit, nach dem Putsch vor gut drei Wochen im Niger zu intervenieren, «sobald der Befehl erteilt» sei. Ein Zieldatum für einen Einsatz sei gesetzt, werde aber nicht öffentlich genannt, sagte der Ecowas-Kommissar für politische Angelegenheiten, Frieden und Sicherheit, Abdel-Fatau Musah.

Dennoch solle die Suche nach einer friedlichen Lösung weiter Vorrang haben. Alle Optionen, einschliesslich einer diplomatischen Lösung, blieben auf dem Tisch, so Musah. Militärchefs von neun der 15 Mitgliedsländer hatten sich am Donnerstag und Freitag in Ghanas Hauptstadt Accra beraten.

Eine Ecowas-Mission reiste am Samstag umgehend in den Niger. Falls diese scheitere, werde der Staatenbund auf eine militärische Lösung zur Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung im Niger zurückgreifen, sagte Musah. Alle Mitgliedsstaaten ausser den von Militärs regierten Staaten sowie Kap Verde wollten sich beteiligen.

Nach Angaben der nigrischen Militärjunta traf sich die Delegation der westafrikanischen Staatengemeinschaft mit dem neuen Machthaber Abdourahamane Tiani. Anschliessend habe die Delegation den von den Putschisten festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum besucht. Bislang hatte Tiani Gespräche mit der Ecowas verweigert.

Ebenfalls am Samstag sprach eine UN-Delegation in Niamey mit dem nigrischen Premierminister Lamine Zeine. Es gebe «keine Krise ohne Lösung, und im Dialog findet man immer eine Lösung», sagte der UN-Sonderbeauftragte für Westafrika, Leonardo Santos Simão, im staatlichen Fernsehen.

Auch die neue US-Botschafterin Kathleen FitzGibbon traf am Samstag in Niamey ein, um die Bemühungen zur Lösung der politischen Krise zu verstärken. «Als hochrangige Diplomatin mit langjähriger Erfahrung in Westafrika ist sie in der einzigartigen Lage, die Bemühungen der US-Regierung zur Unterstützung der amerikanischen Gemeinschaft und zur Bewahrung der hart erarbeiteten Demokratie in Niger anzuführen», so das US-Aussenministerium.

Tatsächlich stellen sich hinsichtlich eines Militäreinsatzes noch viele offene Fragen. In Nigeria müsste das Parlament erst einem Einsatz zustimmen. Vor allem in den an den Niger grenzenden Bundesstaaten gibt es grossen Widerstand. Eine Intervention wäre auch in der Bevölkerung extrem unbeliebt. Auch in Ghana sperrt sich bislang das Parlament gegen eine Entsendung von Truppen.

Der Einsatz selbst dürfte für die Ecowas ein schwieriges Unterfangen werden. Der Flugraum über dem Niger ist seit dem Putsch geschlossen, der Flughafen in der Hauptstadt Niamey von der Junta kontrolliert. Diese gilt als gut trainiert und ausgerüstet.

Als Partner des Westens hatten die USA, Kanada, Italien, Belgien, Deutschland und teils auch Frankreich Tausende nigrische Soldaten ausgebildet und ausgerüstet. Eine Interventionstruppe der Ecowas könnte in einer Konfrontation durchaus unterlegen sein, warnen Experten. Sie könnten stattdessen einen regionalen Konflikt in Westafrika entfachen.

Die Ecowas fordert nach dem Putsch vom 26. Juli im Niger eine Wiedereinsetzung der Verfassung und des entmachteten Präsidenten Bazoum, der unter Hausarrest steht. Der Niger, ein Sahel-Staat mit rund 26 Millionen Einwohnern und einer der ärmsten Bevölkerungen der Welt, war bis zu dem Putsch einer der letzten demokratischen Partner der USA und europäischer Staaten am südlichen Rand der Sahara.

In einem Interview mit der «New York Times» versprach ein ziviles Mitglied der Junta, dass Präsident Bazoum keinen Schaden erleiden werde. Die neuen Machthaber hatten Bazoum zuvor des Hochverrats bezichtigt. Darauf steht im Niger die Todesstrafe. (sda/dpa)

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