Die USA lassen sich gerne als die «Mutter der Demokratie» feiern. Tatsächlich haben die Gründungsväter etwas Erstaunliches geschaffen, ein «politisches System, das von Genies kreiert wurde, damit es auch von Idioten verwaltet werden kann», wie es gelegentlich auch bezeichnet wird.
Sicher, das System war nicht von Anfang an perfekt. So musste das Stimmrecht den befreiten Sklaven und den Frauen gewährt werden. Immer wieder musste die Verfassung daher mit Zusätzen ergänzt werden, insgesamt sind es mittlerweile 27. Doch nach wie vor hält sich der Glaube, dass die amerikanische Demokratie sich stetig verbessern und dank der eingebauten «checks and balances» sämtliche politische Stürme überleben wird.
Robert Kagan ist ein konservativer amerikanischer Historiker. In seinem jüngsten Buch «Rebellion» zerlegt er diesen Mythos in seine Einzelteile und zeigt auf, dass der amerikanische Liberalismus seit seiner Geburt einen antiliberalen und antidemokratischen Zwillingsbruder hatte. «Die Unvermeidlichkeit des Liberalismus ist ein liberaler Mythos», so Kagan. «(…) Die Dominanz des Liberalismus in der modernen Welt ist eine Ausnahme.»
Die USA sind mehrmals knapp an einer Zerstörung der Demokratie und des Rechtsstaats vorbeigeschrammt. Bürgerkrieg, Ku-Klux-Klan, pro-faschistische Stimmung in den Dreissiger-, anti-kommunistische Stimmung in den Fünfzigerjahren und gewalttätige Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg – immer wieder sind die Grenzen des Rechtsstaats ausgelotet worden. Bisher haben, was Abraham Lincoln einst die «besseren Engel» genannt hat, schlussendlich gewonnen, doch ob sie dies auch in Zukunft tun werden, ist keineswegs garantiert. «Die Trump-Bewegung ist daher keineswegs eine verrückte Ausnahme», stellt Kagan fest.
Wie recht er damit hat, erklärt Robert A. Pape im Magazin «Foreign Affairs». Der Politologie-Professor an der University of Chicago erklärt, weshalb die Gewalt in der amerikanischen Politik wieder auf dem Vormarsch ist. Die antiliberalen Kräfte sind heute nicht nur noch vorhanden, sie sind so stark wie schon lange nicht mehr.
«Gemäss den Untersuchungen meines Teams an der University of Chicago ist für Dutzende Millionen Demokraten, Republikaner und Unabhängige politische Gewalt akzeptabel», so Pape. «Viele von ihnen stammen aus dem Mittelstand und verfügen über hübsche Häuser und einen College-Abschluss.»
Die gewaltbereiten Amerikaner haben mit der Demokratie abgeschlossen. «Sie sind zur Überzeugung gekommen, dass die Eliten des Landes so korrupt geworden sind und ihre Demokratie derart verkommen ist, dass Aufstände, politische Morde und gewaltsame Attacken akzeptabel, ja notwendig geworden sind, um wieder eine wahrhafte Demokratie für die Menschen zu errichten», stellt Pape weiter fest.
Zu Beginn der Neunzigerjahre waren es vor allem Rechtsradikale, die versuchten, die Demokratie zu stürzen. Der bekannteste Vorfall war dabei die Tat eines gewissen Timothy McVeigh, der im April 1995 das Verwaltungsgebäude der Stadt Oklahoma City in die Luft sprengte und dabei 168 Menschen, darunter 19 Kinder, tötete. Der ehemalige Soldat McVeigh wurde für diese Tat zum Tode verurteilt und 2001 hingerichtet.
In den Neunzigerjahren war die Gewalt auf eine relativ kleine Gruppe von Rechtsextremisten beschränkt. Aktuell jedoch weitet sich die Gruppe gewaltbereiter Menschen immer weiter aus. Gemäss Pape sind mittlerweile 15 Prozent der Amerikaner bereit, zur Waffe zu greifen – und Schusswaffen gibt es in den USA mittlerweile mehr als Menschen.
«Obwohl die schlimmsten Formen der Gewalt sich nicht ereignen werden, müssen sich die Amerikaner auf eine ausserordentlich lange Periode von Unruhen einrichten», so Pape. «Ihr Land wird wahrscheinlich Jahre von ernsthaften politischen Attentatsversuchen erleben, auch politische Aufstände und andere Arten von kollektiven und individuellen Gewaltakten.»
Hintergrund der Gewalt ist gemäss Pape die demografische Entwicklung. Es ist absehbar, dass gegen Mitte dieses Jahrhunderts die Weissen ihre Mehrheit verlieren werden, und sich zumindest ein Teil von ihnen mit Zähnen und Klauen dagegen wehren wird. «Die Unterstützung von politischer Gewalt ist im Mainstream angekommen», erklärt daher Pape. «Und die Hauptursache davon – der demografische Wandel – wird nicht verschwinden.»
So gesehen ist Donald Trump keine exotische Erscheinung. Selbst wenn er die Wahlen verlieren sollte, wird die MAGA-Bewegung weiterleben. Sie hat sich in den letzten Jahren grundsätzlich gewandelt. Trumps erste Amtszeit war chaotisch, geprägt von unterschiedlichen Interessensgruppen, die sich gegenseitig bekämpften und teilweise lahmlegten.
Sollte Trump tatsächlich wieder ins Weisse Haus einziehen, würde da ein ganz anderer Geist wehen. Obwohl der Ex-Präsident bemüht ist, sich davon zu distanzieren, wäre dies der Geist des «Project 2025», einem fast 1000 Seiten umfassenden Positionspapier. «Die nächste Trump-Regierung wird weit mehr machen, als sie in ihrer Wahlkampagne beschreibt», stellt Ezra Klein in der «New York Times» fest. «Und das ‹Project 2025› – es wurde mit dem Input von mehr als 100 Organisationen produziert, die sich als Teil der MAGA-Koalition betrachten – wird die Lücke ausfüllen, die Trump hinterlässt. Dieser mag uns nicht verraten, was er im Schild führt, aber Project 2025 tut dies.»
Kevin Roberts, der Präsident der Heritage Foundation – einem einflussreichen konservativen Thinktank –, macht denn auch aus dem Ziel der MAGA-Koalition kein Geheimnis. Es reiht sich nahtlos ein in die Tradition der von Kagan geschilderten antiliberalen Rebellen. «Wir befinden uns im Prozess einer zweiten amerikanischen Revolution», erklärte Roberts jüngst. «Sie wird ohne Blutvergiessen erfolgen – wenn es die Linken zulassen.»
Nur wenige trauen Trump zu, eine solche Revolution anführen zu können. Zu chaotisch, zu narzisstisch und zu alt ist er dafür. Doch die antiliberalen Rebellen sind nicht mehr auf den Ex-Präsidenten angewiesen. «Die MAGA-Koalition (…) ist grösser geworden als Trump», stellt Klein fest. «Sie vertritt weit mehr Positionen als er.»
Trump sei 2024 nicht mehr Herr der Lage, stellt Klein weiter fest. Die MAGA-Koalition sei grösser geworden als er selbst. «Eine zweite Trump-Regierung würde mit Leuten bestückt sein, welche die (im Project 2025 aufgeführten) Ziele energisch verfolgen würden», so Klein. Das wiederum wäre der Tod der amerikanischen Demokratie – und der Triumph der von Kagan geschilderten antiliberalen Rebellen.
- Einsatz des Militärs zur Niederschlagung von Protesten im Inland
- Massenabschiebung von Einwanderern und Inhaftierung in "Lager"
- Streichung der Mittel für FBI und Heimatschutz
- Ersatz aller Generäle durch MAGA Generäle
- Schließen Bundesbehörden wie die FDA, EPA, ect.
- Abschaffung des Bildungsministeriums
- Beendigung des Schutzes von Bürgerrechten
- Förderung und Beschleunigung der Todesstrafe
- Vollständiges Verbot von Abtreibungen ohne Ausnahmen
- Verbot von Verhütungsmitteln
- Beendigung der Ehe für alle
Haben sie leider nicht.
Und das Projekt 2025 liest sich recht gruselig.