Wie Israel MAGA spaltet
Im öffentlichen Bewusstsein werden Proteste gegen Israel und dessen Politik im Gazastreifen in der Regel gleich gesetzt mit Antifa und verblendeten Linksradikalen. Die Trump-Regierung hat die Ausschreitungen an amerikanischen Universitäten wie Columbia und Harvard gar zum Anlass genommen, die Hochschulen massiv unter Druck zu setzen.
Übersehen wird dabei, dass sich auch in der MAGA-Meute eine Anti-Israel-Bewegung gebildet hat, die immer stärker wird. So bezeichnet etwa Marjorie Taylor Greene das Vorgehen der israelischen Armee als «Völkermord» und sagt: «Ich weiss nicht, wie ihr denkt, aber ich will keinen Völkermord finanzieren in einem fremden Land gegen fremde Menschen in einem fremden Krieg, mit dem wir nichts zu tun haben.»
Greene ist keine einsame Ruferin in der Wüste. Prominente Vertreter der MAGA-Bewegung wie Steve Bannon, Matt Gaetz und Tucker Carlson schlagen ähnliche Töne an. Und seit der Ermordung von Charlie Kirk grassiert in den sozialen Medien eine von ganz weit rechts gesteuerte Verschwörungstheorie. Sie besagt, dass Israel hinter dem Attentat auf Charlie Kirk stehe. Diese Theorie ist mittlerweile so weit verbreitet, dass sich Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gezwungen sah, sie offiziell zu dementieren.
Candace Owens ist eine ehemalige Mitstreiterin von Kirk. Sie macht kein Hehl aus ihrem Antisemitismus und bezeichnet das Judentum als «pädophil-zentrierte Religion», die «an Kinderopfer glaube». Das sei auch der Grund, weshalb Kirk mit Israel habe brechen wollen. «Er hat ausdrücklich erklärt, er wolle sich nicht mehr länger von jüdischen Mäzenen herumkommandieren lassen», so Owen weiter. «Und nur 48 Stunden später zerriss eine Kugel seinen Hals.»
Tucker Carlsons Neigung zum Antisemitismus ist bekannt. So hat er in seinem Podcast einen Historiker interviewt, der nicht etwa Hitler für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich macht, sondern Churchill. An der Abdankungsfeier für Kirk äusserte er sich ebenfalls kryptisch. Carlson sprach den Verrat an Jesus Christus an und schilderte eine Szene von 2000 Jahren wie folgt: «Stellt euch einen nur mit einer Lampe beleuchteten Raum vor, in dem ein paar Hummus essende Männer sich fragen: ‹Was sollen wir mit dem Typen tun, der die Wahrheit verkündet? Am besten legen wir ihn um.›»
Michelle Goldberg stellt in der «New York Times» klar, was Carlson damit sagen wollte: «Viele Menschen – überzeugte Antisemiten und verängstigte Juden – sind der Meinung, dass Carlson damit suggerieren wollte, dass die Juden Kirk genauso ermordet hätten wie Jesus. Aber natürlich hat er dies nicht offen ausgesprochen. Vielleicht waren die Hummus essenden Männer ja auch Römer.»
Das brutale Vorgehen der israelischen Armee hat in den USA zu einem Meinungsumschwung geführt. Eine Mitte August durchgeführte Meinungsumfrage von YouGov/Economist hat ergeben, dass 43 Prozent der Amerikaner Greene zustimmen und in der Zerstörung des Gazastreifens ebenfalls einen Völkermord sehen. Selbst bei den Republikanern ist dieser Meinungsumschwung zu beobachten, vor allem bei den Jungen. Die Hälfte der unter 50-jährigen Republikaner betrachtet Israel mittlerweile negativ.
Dramatisch ist der Sympathieverlust Israels bei den jungen Evangelikalen. Eine Umfrage der University of North Carolina hat ergeben, dass nur noch 34 Prozent von ihnen Israel unterstützen. Dabei sind es gerade die Evangelikalen, die traditionell felsenfest an der Seite Israels stehen, denn sie glauben, dass Jesus nur dann wieder auf die Erde zurückkehrt, wenn Palästina in jüdischer Hand ist.
Die Podcaster am äussersten rechten Rand reagieren auf diesen Meinungsumschwung, beispielsweise Megyn Kelly. Die ehemalige Starmoderatorin bei Fox News ist mittlerweile ein Star auf YouTube mit über vier Millionen Followern. Sie weigert sich, ihren Ex-Kollegen Carlson wegen seines Antisemitismus anzuklagen. «Er ist ein guter Freund von mir und wird bereits genug angegriffen», erklärt sie. «Überhaupt ist es mir egal. Ich denke, Tucker ist eine sehr wichtige und wertvolle Stimme in der nationalen Diskussion.»
Es gibt jedoch auch militante Juden in der MAGA-Bewegung, beispielsweise Lara Loomer. Die 32-jährige Aktivistin rühmt sich, sie sei «mehr American First» als ihre Kritiker. Sie hat einen guten Draht ins Oval Office und 1,8 Millionen Follower auf X. Es wird behauptet, sie stehe hinter einer ganzen Reihe von wichtigen Personalentscheiden des Präsidenten.
Loomer greift Greene und Carlson frontal an. Die Abgeordnete aus dem Bundesstaat Georgia bezichtigt sie, Männern in einem Gym Blowjobs verabreicht zu haben, und stellt die rhetorische Frage: «Du nennst dich eine Christin, wenn dein Mund voll mit dem Sperma anderer Männer ist?» Carlson nennt sie verächtlich «Tucker Qatarlson» und wirft ihm vor, es sei von Katar bestochen worden.
Unterstützt wird Loomer von Dinesh D’Souza. Dieser wurde mit dem Film «2000 Mules» bekannt, einer Verschwörungstheorie, mit dem der angebliche Wahlbetrug an Trump bewiesen werden sollte. Der Film war so voll von Fake News, dass er aus dem Verkehr gezogen werden musste.
Ausgerechnet D’Souza bezichtigt nun Owens, Carlson, Greene & Co., sie würden niemals auch nur einen einzigen Fakt präsentieren. Wahrhaft seltsame Zeiten.